Siegen. Vier Siegener nachts in einer Wohnung. Es kommt zum Streit, einer zieht ein Messer, sticht seinen Kumpel ab, flieht. Jetzt steht er vor Gericht.

Weil er im Streit mit einem Messer auf seinen Kumpel losgegangen sein und diesen mit zahlreichen Stichen schwer verletzt haben soll, muss sich seit Dienstag, 15. August, ein 21-jähriger Siegener vor dem Landgericht verantworten, das als Jugendkammer tagt. Zur Tatzeit im April war er noch 20 Jahre alt.

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Der Fall sorgte aufgrund des zentral gelegenen Tatorts und der umfangreichen Ermittlungsmaßnahmen in der Siegener Innenstadt für Aufsehen. Es war wahrscheinlich ein Abend unter Freunden, wie sie ungezählte Male in Siegen stattfinden: Die vier Beteiligten sitzen am 10. April in der kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung eines Zeugen an der Friedrichstraße im ersten Obergeschoss. Manche trinken Schnaps, nehmen wohl auch Drogen – beim Angeklagten wird später eine geringe Menge Amphetamin im Blut festgestellt, aber kein Alkohol –, rauchen Shisha, zocken auf der Playstation. Darauf deuten die gesicherten Gegenstände und Tatortbefunde der Polizei hin.

Siegener zückt Springmesser: Stiche in Kopf, Hals, Schulter, Brust, Rücken

Laut Anklage kommt es dann, spät in der Nacht, zum Streit: Das spätere Opfer und der Angeklagte beharken sich, zunächst verbal, stehend, mitten im Zimmer, dann beginnt eine Rangelei. Sein Kontrahent drängt den Beschuldigten – den Ärzte nachher als „hager“ bezeichnen werden – zurück, in Richtung Flur. In die Defensive geraten zieht der Siegener unvermittelt ein Springmesser aus der Hosentasche, sticht wild auf den anderen ein, Kopf, Hals, Schulter, Brust, Rücken. Die Klinge dringt hinter dem Ohr ein, verfehlt die Hauptschlagader um Haaresbreite, buchstäblich. Auch andere Stiche wären laut ärztlichem Bericht potenziell tödlich gewesen, wären sie nur ein klein wenig anders geführt worden, hätten Lunge oder Herz durchbohrt. „Es sah so aus, als wollte er ihn umbringen und hat es aber nicht geschafft“, zitiert die Vorsitzende Richterin eine behandelnde Ärztin. Es sei verwunderlich gewesen, dass es dem Opfer noch so vergleichsweise gut gegangen sei.

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Der Angeklagte flieht, wird wenig später von der Polizei festgenommen. Der Schwerverletzte blutet stark aus mehreren Wunden, bleibt aber bei Bewusstsein. Die anderen beiden in der Wohnung versorgen ihn notdürftig, schleppen ihn raus auf die Straße. Einer wählt den Notruf. „Wir brauchen einen Krankenwagen, schnell, schnell, Friedrichstraße“, sagt er laut Abschrift, im Hintergrund ruft der Verletze „ich sterbe“. Der Kumpel verzettelt sich laut Protokoll völlig, rückt auf mehrmalige Nachfrage nicht damit heraus, wer er ist, was passiert ist, wer der Verletzte ist, was er hat. Immer nur „schnell, schnell“ und „bitte, er blutet überall.“ Er wisse nicht genau was passiert ist.

Schwerverletzer liegt nachts in Siegen auf der Straße und wählt selbst den Notruf

Schließlich wählt der Verletzte selbst erneut den Notruf: Er habe mehrere tiefe Messerstiche, liege auf der Friedrichstraße und verliere das Bewusstsein, berichtet er der Leitstelle. „Ich verblute. Der Täter ist weggerannt, ich habe seinen Namen, alles. Sie halten meinen Hals zu. Bitte sagt meiner Mutter, dass ich sie liebe und dass mir alles leid tut.“ Wenig später trifft der Rettungsdienst ein, der sich nach dem ersten Anruf schon auf den Weg gemacht hatte, das Opfer wird versorgt und ins Krankenhaus gebracht.

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Die Polizei nimmt den Verdächtigen fest, sichert Spuren am Tatort. Vor allem anhand der vielen Blutspuren im Zimmer, die sich durchs Treppenhaus bis auf die Straße ziehen, kann der wahrscheinliche Tatablauf rekonstruiert werden, wer sich wo im Raum aufgehalten und welche Handlungen er vorgenommen hat. Auch ein Zeuge wird den Berichten zufolge verletzt, im Wohnbereich lagen demnach mehrere Messer in Reichweite der Beteiligten.

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So weit die Befunde und Schlussfolgerungen von Ärzten und Ermittlern. Der Angeklagte, seit 11. April in Untersuchungshaft und seither in einer Justizvollzugsanstalt, hat vor Gericht angekündigt, aussagen zu wollen. Neben den Zeugen werden auch Sachverständige gehört, insgesamt sind fünf Verhandlungstag bis Mitte September angesetzt.