Wilnsdorf. Schuld am Niedergang ist der Sparkurs der letzten Jahrzehnte: Nun fehlen Wohn- und Gewerbegebiete.

„Wir müssen das Thema Ausbildung wieder verstärkt in die Köpfe bekommen. Gelingen wird dies nur, wenn die Lebenswelt der jungen Menschen noch zielgenauer berücksichtigt wird.“ Vor mehr als 50 Vertretern aus Wirtschaft und Politik stellte IHK-Geschäftsführerin Sabine Bechheim beim IHK-Wirtschaftsgespräch in Wilnsdorf die Lage auf dem Ausbildungsmarkt dar.

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Überdurchschnittlicher Rückgang bei Industrie

Rasch entwickelte sich die Verfügbarkeit von Fach- und Arbeitskräften zum Schwerpunktthema der Veranstaltung bei der Gayko-Fenster-Türenwerk GmbH im Industriegebiet „Auf‘m Lehnscheid“. Noch im Mai habe man Sorge gehabt, das Vorjahresniveau der abgeschlossenen Ausbildungsverträge zu erreichen, erläuterte Sabine Bechheim. Inzwischen liege man leicht darüber, bleibe jedoch weiterhin unter dem Vor-Corona-Niveau. „Es wird für die Betriebe schwieriger zu planen. Potenzielle Auszubildende entscheiden sich immer später.“

„Die Wahrnehmung Wilnsdorfs hat sich verändert“, gab IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Gräbener zu bedenken. „Während die Gemeinde vor 30 Jahren gut von der Autobahnnähe profitieren konnte, sehen grundlegende Entwicklungsparameter heute nicht mehr so gut aus.“ So ist die Bevölkerung in den vergangenen 20 Jahren um rund acht Prozent gesunken und damit etwas stärker als im Kreisgebiet insgesamt. Zwar ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in dieser Zeit um 13,3 Prozent gestiegen, allerdings konnten andere Autobahnanrainer wie Drolshagen, Olpe, Wenden, Freudenberg oder Burbach deutlich stärker zulegen. Auch bei der Industriebeschäftigung zeige Wilnsdorf einen überdurchschnittlichen Rückgang.

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Drei Standorte für neue Gewerbegebiete

Nach möglichen Gründen befragt, führte Wilnsdorfs Bürgermeister das Spardiktat der vergangenen zwei Jahrzehnte ins Feld. „Der Gemeindehaushalt war dermaßen in Schieflage geraten, dass große und wichtige Investitionen lange Zeit zurückgestellt wurden, leider auch die Schaffung neuer Wohnbauflächen.“ Wenn die Menschen keinen Wohnraum fänden, müssten sie auf andere Orte ausweichen; dies gelte es aber unbedingt zu verhindern. „Seit einigen Jahren steuern wir wieder mit aktiver Baulandpolitik entgegen, die schon Erfolge erzielt“, wies Gieseler beispielhaft nach Flammersbach, wo im vergangenen Jahr ein Neubaugebiet mit 29 Bauplätzen geschaffen wurde, und Rinsdorf, wo in Kürze der erste Spatenstich für ein weiteres Neubaugebiet erfolgen wird. Wenn sich Investoren finden, werde man sich auch Alternativen zu Einfamilienhäusern nicht verschließen. Mindestens ebenso dringend sei die Ausweisung neuer Flächen für Industrie und Gewerbe. Hier sieht der letzte Entwurf für Wilnsdorf noch drei Potenzialflächen vor: Wilden-Nord, Lehnscheid VII und Rinsdorf. Zeitliche Vorhersagen, wann hier eine Ansiedlung möglich ist, wollte Hannes Gieseler angesichts der aufwendigen Planungsverfahren nicht machen.

Hessen bietet günstiger Sätze für Gewerbe- und Grundsteuer

Schmerzhaft sei der aktuelle Spitzenwert bei den Hebesätzen für die Gewerbesteuer und die Grundsteuer B gerade mit Blick auf das benachbarte Hessen, so Klaus Gräbener. Diesen Punkt nahm Bürgermeister Hannes Gieseler auf und verwies auf die hohen Kostenbelastungen der Gemeinde, von denen ein beträchtlicher Teil auf die Kreisumlage entfalle. „Auch der Ausbau vermeintlich weicher Standortfaktoren, mit denen für neue Fachkräfte geworben wird, kostet Geld. Neben den Steuern gibt es für uns kaum nutzbare Einnahmequellen.“

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