Wilnsdorf. Aus einem Tunnel werden zwei: Zwischen Rudersdorf und Dillbrecht wird durch die Tiefenrother und Haincher Höhe gesprengt.

Die Planfeststellung für den Neubau des Rudersdorfer Tunnels beginnt. Der Plan liegt seit Freitag bis einschließlich Montag, 4. September, im Wilnsdorfer Rathaus aus, ebenso auf der Seite www.eba.bund.de/anhoerungsverfahren. Danach kann – so der Text der Bekanntmachung - „jeder, dessen Belange durch das Vorhaben berührt werden“, bis einen Monat nach Ablauf der Auslegungsfrist, also bis 5. Oktober, beim Eisenbahn-Bundesamt oder bei der Gemeinde Wilnsdorf Einwendungen gegen den Plan erheben.

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Sie sind vom Tunnelbau betroffen

Betroffen sein werden die Anlieger der Bauarbeiten: an den Tunnelportalen in Rudersdorf und Dillbrecht, aber auch in Wilgersdorf: Die beiden Baustraßen zu den Tunnelportalen werden an die L 904 angebunden, die von Rudersdorf über Wilgersdorf bei der Kalteiche in die B 54 einmündet – ab Spätsommer 2025, so die Bahn vor einem Jahr, soll es losgehen. Für den Neubau von Gleisen, Regenrückhaltebecken, Straßen und Wegen, für die Verlegung des Klingelseifens und des Trosselbachs, für Baustraßen, neue Überführungen, für die ökologischen Ausgleichsmaßnahmen und natürlich für den Neubau des Tunnels selbst muss die Bahn Grundstücke erwerben – auch dafür wird ihr der Planfeststellungsbeschluss die Handhabe geben. Insgesamt werden 145.899 Quadratmeter Wald gerodet. Auf 18.808 Quadratmetern geht Wald dauerhaft verloren, 127.091 Quadratmeter werden nach dem Bau wieder aufgeforstet.

Insgesamt 82 Seiten umfasst allein das Grunderwerbsverzeichnis. Neben Privatleuten – unter anderem die Eigentümer von drei Wohn- und Wirtschaftsgebäuden und einer Scheune -- sollen die Gemeinde Wilnsdorf, die Waldgenossenschaft Hauberg Wilgersdorf, die Haubergsgenossenschaft Dillbrecht, und die Forstverwaltung des Lands Hessen Flächen abgeben. Aber auch der Landesbetrieb Straßen NRW steht auf der insgesamt 118 Positionen langen Liste. Nicht alle Grundstücke will die Bahn für immer behalten. Eine Reihe von Flächen wird lediglich für die Bauzeit gebraucht. Andere Flächen werden nur mit Baulasten belegt: So darf das Gelände 20 Meter über dem Tunnel nicht verändert werden.

Vor gut einem Jahr hat die Deutsche Bahn über ihr Vorhaben in einer Online-Veranstaltung informiert. Nun ist die Planung fertig.

Deshalb wird neu gebaut

Knapp sechs Kilometer umfasst der Streckenabschnitt insgesamt, davon sind 2,652 Kilometer im Tunnel. 1915 wurde der nach wie vor längste Eisenbahntunnel in NRW gebaut, 175 Meter unter der Erdoberfläche – auf hessischer Seite ist er als Kulturdenkmal geschützt. „Erhebliche Schäden insbesondere im Ausbaumauerwerk“ nennt der Erläuterungsbericht als Anlass für den Neubau. Eine 1997 durchgeführte Erneuerung der Abdichtung habe den Verfall des Bauwerks nicht aufhalten können. „Seit 2004 müssen fortlaufend lose Teile der Tunnelauskleidung entfernt und abfallender Bruch beseitigt werden. In den Winterperioden sind erhebliche Aufwendungen für die Entfernung von Eisbildungen erforderlich.“ Nach dem Ergebnis der Erkundungsuntersuchung von November 2006 bis März 2007 sei der Tunnel „fast über die gesamte Länge durchnässt“. Bisher vorgenommene Sanierungsmaßnahmen seien nicht wirkungsvoll gewesen. Weil die beiden Gleise nur dreieinhalb Meter Abstand zueinander haben, gelten Geschwindigkeitsbeschränkungen. Bei überbreiten Ladungen dürfen sich Züge im Tunnel nicht begegnen.

Der Rudersdorfer Tunnel wird ab 2025 durch einen Neubau mit zwei Tunnelröhren ersetzt..
Der Rudersdorfer Tunnel wird ab 2025 durch einen Neubau mit zwei Tunnelröhren ersetzt.. © Thorsten Wroben | Thorsten Wroben

Das hat die Bahn vor

Neu gebaut wird nicht ein wie bisher zweigleisiger Tunnel. Es entstehen zwei nebeneinander liegende, jeweils 3,058 Kilometer lange Tunnel, die zueinander einen Abstand von 30 Metern haben und 70 Meter südwestlich des alten Tunnels liegen. Für den Brand- und Katastrophenschutz werden beide Röhren mit sechs Verbindungsbauwerken verbunden, die jeweils etwa 500 Meter voneinander entfernt sind.

Die Bogenbrücke mit dem Wirtschaftsweg vor dem alten Rudersdorfer Portal wird abgebaut, der Bahneinschnitt dort verfüllt. Klingelseifen und Wahlbach werden verlegt, die bisherige Eisenbahnbrücke über den Klingelseifen wird abgerissen. Am alten Dillbrechter Portal wird ebenfalls eine Straßenüberführung abgebaut, auf dem am Ende verfüllten Bahneinschnitt bekommt der Trosselbach sein neues Bett – eigentlich sein altes, das er bis zum Bau der Bahnstrecke hatte. Am Ende wird auch der alte Tunnel verfüllt, mit dem Aushub, den die Maschinen für die neuen Tunnelröhren aus der Haincher und Tiefenrother Höhe, der Wasserscheide zwischen Dill und Sieg, herausholen.

Weil sich nach den Richtlinien des Eisenbahn-Bundesamtes Züge in mehr als tausend Metern langen Tunneln nicht begegnen dürfen, schied der Neubau eines zweigleisigen Tunnels von vornherein aus. Untersucht hat die Bahn aber Varianten, den alten Tunnel für eine Fahrtrichtung zu erhalten und nur eine Röhre neu zu bauen. Das Problem: Die Bauzeit bis zur Inbetriebnahme würde sich von 69 auf 85 Monate (das sind mehr als sieben Jahre) verlängern, weil die Röhren nacheinander (aus)gebaut werden müssten; dennoch wäre über 40 Monate (fast dreieinhalb Jahre) nur ein eingleisiger Betrieb möglich.

Beim Neubau beider Röhren war zu entscheiden, auf welcher Seite des alten Tunnels sie platziert würden. Für die westliche, Wilgersdorfer Seite sprach die „etwas größere“ Entfernung zu Wohngebieten, der Schutz von Nasswiesen und der größere Kurvenradius, durch den die sonst nötige Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit von 110 auf 100 km/h entfällt. Gegen den Bau je einer Röhre westlich und östlich des alten Tunnels wird der dann lange Rettungsweg angeführt: Die Verbindungsbauwerke müssten mindestens 60 Meter lang werden. Sie könnten auch erst gebaut werden, wenn keine Züge mehr durch den alten Tunnel fahren: „Ein gravierender Nachteil für das Rettungskonzept.“

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Im alten Tunnel fahren die Züge aus Richtung Rudersdorf zunächst 21 Höhenmeter bergauf und dann bis Dillbrecht 35 Höhenmeter bergab. Die neuen, längeren Tunnel haben ein durchgehendes Gefälle von insgesamt 14 Höhenmetern von Rudersdorf nach Dillbrecht. Das neue (Rudersdorfer) Nordportal liegt 170 Meter weiter nordwestlich des alten Portals, auf der Dillbrechter Seite kommen die Tunnel 230 Meter weiter südöstlich aus dem Berg. In den Tunneln liegen die Gleise auf Beton, nicht auf einem Schotterbett – das erleichtert die Durchfahrt für Rettungsfahrzeuge. Vor beiden Portalen werden Rettungsplätze mit Löschwasserbehältern angelegt, durch die Tunnel verlaufen Löschwasserleitungen.

Bahnstrecke wird 1915 fertig

1915 wurde die direkte Verbindung zwischen Siegen und Haiger fertiggestellt. Der ursprünglich geplante viergleisige Ausbau der Strecke zwischen Siegen und Dillenburg, der eine zweite Tunnelröhre erfordert hätte, kam durch den Ersten Weltkrieg nicht zustande.

Bis 1915 gab es zwischen Dill- und Siegstrecke nur die Verbindung über die Hellertalbahn (Betzdorf-Burbach-Dillenburg). Die neue, nördliche Dillstrecke bekam die neuen Haltepunkte Siegen-Ost, Niederdielfen, Rudersdorf, Dillbrecht und Rodenbach. Auf NRW-Seite steht die Wiedereröffnung des Haltepunktes Niederdielfen auf dem Wunschzettel. Siegen-Ost wurde in den 1990er Jahren endgültig geschlossen.

Spektakulärstes Bauwerk der neuen Strecke wurden die beiden Giersbergtunnel. Zwei Portale gehen unterhalb des Bürbacher Wegs in den Berg: Rechts die tiefere, 732 Meter lange eingleisige Tunnelröhre zum Siegener Hauptbahnhof, links der 699 Meter lange zweigleisige Tunnel nach Weidenau, der den unteren Tunnel im rechten Winkel kreuzt. Dieses „Überwerfungsbauwerk“, das am 1. Dezember 2015 in Betrieb ging, ist das einzige in Deutschland.

Das passiert während der Bauzeit

„Knapp über sechs Jahre“ gibt der Erläuterungsbericht als Bauzeit an, wobei im letzten Jahr der alte Tunnel bis einen Meter unter die Decke verfüllt wird. Währenddessen wird die Bahnstrecke „in Einzelfällen“ nur eingleisig befahrbar sein, an einigen Wochenenden und gegen Ende, wenn die neuen Gleise angebunden werden, für „bis zu vier Wochen“ voll gesperrt werden. In der Online-Informationsveranstaltung vor einem Jahr wurde die Fertigstellung für 2030 angepeilt.

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Die beiden Tunnelröhren sollen von beiden Enden, also an vier Stellen, gleichzeitig in den Berg gesprengt werden. „Der Tunnelvortrieb erfolgt im Schichtbetrieb durchlaufend 24 Stunden am Tag und in der Nacht. Die Lkw-Fahrten zu den Deponien können auf die Tagesstunden und Werktage reduziert werden.“ Das Ausbruchsmaterial wird mit Muldenkippern direkt aus dem Tunnel auf die Zwischenlagerflächen gebracht. Sie sollen groß genug sein, um auch die an einem Wochenende anfallenden Massen aufzunehmen. Vom Zwischenlager zu den Deponien seien im Schnitt pro Werktag 100 Lkw-Fahrten zu erwarten. „Für die Herstellung der Tunnelinnenschale muss im Schnitt mit 40 Lkw-Fahrten pro Tag gerechnet werden.“ 195.504 Kubikmeter Aushub und Ausbruch werden in den alten Tunnel verfüllt, 533.112 Kubikmeter müssen entsorgt werden.

In Wilgersdorf wird der Wanderparkplatz zum Teil für den Ausbau der Baustraße beansprucht, der Waldlehrpfad liegt direkt an der Baustraße. „Beide Einrichtungen sind somit während der Bauzeit nur stark eingeschränkt nutzbar“, heißt es in den Planunterlagen. Auch die Besucher des Badeweihers werden sich auf Störungen durch den Lkw-Verkehr einstellen müssen.

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„Beim Neubau des Rudersdorfer Tunnels kommen bei den Tunnelvortriebsarbeiten Sprengungen zum Einsatz, die Schall- und Erschütterungsimmissionen hervorrufen“, heißt es weiter. „Bei Sprengungen werden kurzzeitige intensive Geräusch- bzw. Pegelspitzen erreicht.“ Mit zunehmendem Fortschritt der Tunnelvortriebsarbeiten in Richtung Tunnelmitte würden die durch Sprengungen hervorgerufenen Schallimmissionen allerdings „immer geringer“.

Das sagt die Gemeinde Wilnsdorf

„Im Zuge der Amtshilfe sind die Unterlagen zwar auch im Rathaus der Gemeinde Wilnsdorf ausgelegt, dort können aber keine Fragen zu den Plänen der DB beantwortet werden“, betont Wilnsdorfs Bürgermeister Hannes Gieseler. „Wir kennen das Vorhaben auch nur aus den öffentlichen Präsentationen und wären gar nicht in der Lage, inhaltliche Auskünfte zu geben“. Die Gemeindeverwaltung wird daher alle Fragestellenden ans Eisenbahnbundesamt verweisen müssen.

Hannes Gieseler: „Grundsätzlich befürworte ich den Neubau des Tunnels. Das Schienennetz und dazugehörige Bauwerke müssen ohne Frage modernisiert werden, damit unsere Region nicht wirtschaftlich und verkehrlich abgehängt wird. Klar ist natürlich auch, dass so ein großes Projekt nicht ohne Lärm, Schmutz und Umwelteingriffe ablaufen kann. Aber ich erwarte von der DB, dass sie wirklich ernsthaft versucht, die Störungen für unsere Bürgerinnen und Bürger so gering wie nur irgend möglich zu halten.“

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