Burbach. Klaus Sahm erinnert mit gigantischer Musik an seinen kleinen großen Bruder, der 2022 im Burbacher Freibad ertrank. Das hilft ihm, zu verarbeiten.
Ein bisschen weiter noch. Furchtlos, erwartungsvoll, entdeckerfreudig. Um dann eben das nochmal Größere, noch Schönere aufzuspüren. Also geht es hinauf auf den Berg, hinaus in die Welt, hinein in den Sturm. Der große Bruder mit dem „kleinen großen Bruder“. Geschwister und beste Freunde zugleich. Und dann kommt Andi ums Leben. Stirbt mit 31 Jahren beim Apnoe-Tauchtraining im Burbacher Freibad. Zu groß war sein Herz, stellen die Ärzte später fest. Überall hätte solch ein plötzlicher Tod passieren können. Ein Trost, wenn auch schwach, der aber bei Klaus, dem älteren Bruder, mit der Zeit die Gefühle ordnet. Den Schock, die bittere Trauer, das Unverständnis und die Wut treten zurück, sie weichen allmählich einer anderen Grundstimmung: die der dankbaren Erinnerung.
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Am 14. Juli erscheint die Titel-Single zu Andis Geburtstag
Für diese sehr persönliche emotionale Reise hat Klaus Sahm – aus Burbach stammender und in Berlin lebender Musiker, Produzent, Fotograf – eine Form gefunden, mit der all das, was sein Bruder für ihn und für andere ist, intensiv würdigt: das Album „Cycles – A Requiem For My Brother“. In 17 Minuten erzählt es mit atmosphärisch dichten Klavierklängen von dem eigenen Weg, das tragische Geschehen vom 28. Juli 2022 zu verarbeiten. Das Gedankenchaos nach der unverhofften Nachricht („The Call“), die Erschütterung, die sich in Angst, Verlassenheit und Schmerz Bahn bricht („Coming Home“), die Veränderung einer inneren Haltung, in die sich auch das Gefühl von Frieden mischt („Requiem“), das Nachdenken über Leben und Tod und dann wieder Leben, die liebevolle Adressierung („Waltz“) an die wichtigen Frauen in Andis Umfeld (die Ehefrau, die Mutter) und das hymnische „Lullaby“, das am Ende groß macht, was groß war und groß bleibt.
Am 14. Juli, also an Andis Geburtstag, kommt die Titel-Single „Cycles“ und auch das Video dazu (externer Link zu Youtube) auf den Markt. Die EP selbst hat ihr Release am 11. August – eingebettet in das Umfeld eines Konzerts und einer Ausstellung von Fotografien in einer Berliner Galerie am 12. August. Weil sich bei Klaus Sahm die visuelle Vorstellungskraft mit dem, was er musikalisch aussagen kann, verbindet, ist auch „Cycles“ ein musikalisches und fotografisches Projekt. Mit seiner Kamera hält der Künstler fest, was er in einem bestimmten Augenblick wahrnimmt, fühlt und reflektiert.
Kopfüber am Klavier hoch über Burbach
Geplant ist eine weitere Show in Hamburg, angedacht zudem eine Präsentation in New York. Stimmig ist, dass dieses Konzept-Album beim Independent-Label Blue Marble auch auf Vinyl angeboten wird, als Platte, und damit als haptisch erfahrbares Produkt. Das unterstreicht die Begeisterung für Schallplatten, eine Leidenschaft, die Klaus und sein Bruder Andi miteinander teilten. Wie so vieles andere auch: die Lust am Leben, am Abenteuer, an sportlichen Herausforderungen, die Freude am Genuss, den Mut zum Außergewöhnlichen.
Die Brüder haben gemeinsam das Extreme ausgelotet. Sind an Grenzen gegangen, manchmal auch darüber hinaus. Der kongeniale Partner, das kritisch-herausfordernde Gegenüber fehlt Klaus Sahm immer noch enorm. Dem zu zweit Bewährten bleibt er treu, lotet aus, was geht. Und so war auch das Making-of-Setting des Videos zum „Cycles“-Titelsong sehr besonders: ein Klavier-Solo zwischen Himmel und Erde. Kopfüber hat Klaus Sahm am ersten Juli-Wochenende im Gewerbepark Siegerland hoch über Burbach auf einem alten Klavier performt. Das Instrument war auf eine Stahlplatte montiert, er selbst gut gesichert. Zusammen schwebten somit 500 Kilo einige Meter über dem Boden an der Transportkette eines Schwerlastkrans. Ein einprägsames Bild dafür, wie ein Leben durch ein plötzliches Ereignis komplett auf den Kopf gestellt werden kann. Die Realität wirkt nicht mehr real.
Produktion im Burbacher Gewerbepark mit Hubschrauber
Bei diesem speziellen Dreh konnte Klaus Sahm auf viele Menschen zählen, für die das Unterfangen gleichfalls ein „passion project“ ist. Wie die Stunt-Koordinatoren Melanie Benna und Benjamin Nippe, die den Musiker mit ihrem Knowhow in Sachen intensiver Vorbereitung und auch vor Ort unterstützten. Wie Jonas Boltze, Kölner Filmemacher mit Obersdorfer Wurzeln, der bei diesem Video die Crew als „Creative Producer“ und Regisseur am Set anführte. Wie Klaus‘ Bruder Pascal als „Assistant Runner“, ein Kümmerer für alle Fälle.
Ab Freitag im Netz
Klaus Sahm veröffentlicht den Titelsong samt spektakulärem Video am Freitag, 14. Juli, im Netz – auf den gängigen Plattformen.
Das Release-Konzert der EP, dann auch auf Vinyl, soll am 12. August in der renommierten NBB Gallery in Berlin stattfinden. Mehr unter www.klaussahm.de.
Ein persönlicher Nachruf und mit einem Brief an Andi findet sich unter www.andresahm.de
Schon in der Planungsphase wurde Klaus Sahm klar, dass dieses Projekt in Berlin nicht realisiert werden könnte. Auch weil es letztlich inhaltlich nicht stimmig gewesen wäre. „Cycles“ brauchte die Heimat. Den Ort, an dem Andi zu Hause war, wo es (Ver-)Bindungen gibt, eine Community, die trägt. Dazu gehören Unternehmen in der Region, die das Umsetzen dieser„extremen Idee“ überhaupt erst ermöglicht haben: Dornseiff mit dem Kran, Helihansa Hubschrauber mit großem Areal samt Lagerhalle und die Firma Karl Höchst mit dem Bau der Metallkonstruktion für Klavier und Pianist.
Klaus Sahm ist der Musical Director von Max Giesinger
Weil er die eigene Sache gerade stärker vorantreibt, stellt Klaus Sahm bewusst hintan, was ihn bislang so erfolgreich hat werden lassen: Der „Musical Director“ von Max Giesinger arbeitet weiterhin etwa auch mit Tim Bendzko oder Nina Chuba eng zusammen, allerdings vor allem im Hintergrund. „Ich arrangiere und produziere, aber ich spiele die Touren nur selten mit“, sagt Klaus Sahm. Jetzt sei die Zeit, die Energie für das eigene Schaffen aufzuwenden. So wolle er im Oktober für zwölf Tage nach Island, allein, um zu skizzieren, wie das nächste Album werden könnte. Der plötzliche Tod seines Bruders habe ihn auch gelehrt, sich noch einmal neu zu konzentrieren. „Ich bewerte Zeit anders.“ So habe er jüngst einen „großen Job“ abgelehnt, weil er sich da einfach nicht gesehen habe. Eine Freiheit – mit kalkuliertem Risiko.
Mit „Cycles“ macht Klaus Sahm sein Ding. Ungewöhnlich vielleicht, sind doch Tod und Trauer Themen, die, zumal in den sozialen Medien, nicht solche sind, die obenauf liegen. Jedenfalls nicht, wenn es um einen sensiblen Umgang geht. Dem stellt der Musiker sein künstlerisches Konzept entgegen: ungeschminkt, offen und ermutigend.
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