Siegen. So kennt Siegen kaum jemand: Markus Jung bietet bei einem ganz besonderen „Heimatabend“ exklusive Einblicke in die Unterwelten.
Es war ein einfacher Facebook-Kommentar, der für Markus Jung das „Tor zur Siegener Unterwelt“ aufstoßen sollte. Der Hobbyhistoriker erfuhr so von einem noch bestehenden Gewölbekeller, dessen Erforschung er sich fortan zur Aufgabe machte. Seitdem steigt Jung regelmäßig in die Tiefen unterhalb des Siegberges, um sie zu erkunden.
+++Mehr Nachrichten aus Siegen und dem Siegerland finden Sie hier!+++
Unterwelten
Einen exklusiven Einblick in den historischen Keller des alten Pfarrhauses, den Mühlenborn und den Hainer Stollen präsentierte Markus Jung beim Heimatabend Siegen-Wittgenstein der Industrie- und Handelskammer Siegen, an dem diesmal „Verborgene Orte – von Burgen, Bunkern, Bergwerken“ im Mittelpunkt standen. Anhand der Forschung zu diesen „verborgenen Orten“ unterhalb Siegens zeichnete der Forscher die Entwicklung der Krönchenstadt aus einer für die meisten der rund 120 Besucher bis hierhin unbekannten Perspektive nach. Fotoaufnahmen und Filmsequenzen vermittelten den Eindruck, unmittelbarer Zeuge der Erkundungsgänge zu sein, die durch die teils engen und dunklen Gewölbegänge tief unter der Oberfläche der belebten Altstadt führten.
+++ Lesen Sie auch: Unterwegs in Siegener Unterwelten mit Forscher Markus Jung +++
Fabriken
Einer anderen Art verborgener Orte widmete sich die Historikerin Dr. Daniela Mysliwietz-Fleiß in ihrem Vortrag zu einem Thema, dem bislang gewöhnlich nur wenig Beachtung geschenkt wird: „Die Fabrik als touristische Attraktion“. Wo es heute längst beliebter Trend ist, Besucher in Betriebsrundgängen oder „Erlebniswelten“ auf unterhaltsame Weise mit der Herstellung und den Produkten eines Unternehmens vertraut zu machen, war dies in früheren Zeiten nicht immer so. Von dicken Mauern eingesäumt, blieb das, was in den Fabriken geschah, nach außen gut verborgen.
Nicht selten führte schon die für das Landschaftsbild neue Architektur der Produktionsstätten zu Ängsten und Distanz. In ihrer preisgekrönten Dissertation zeigt die Siegener Wissenschaftlerin, wie die Öffnung der Fabriken zur touristischen Attraktion für das Bürgertum wurde, das sich so zum einen seiner Abgrenzung von der Arbeiterklasse gewahr werden und zum anderen sein Interesse am technischen Fortschritt befriedigen konnte.
+++ Lesen Sie auch: Unterwegs in unterirdischen Bunkern: Verborgene Lost Places in Siegen +++
Bunker
Als nicht minder spannend erwies sich die Reise durch die Bunker der Siegener Innenstadt, zu der Stadtführerin Katrin Bückmann die Besucher in ihrem Vortrag einlud. Sie erinnerte daran, dass Siegen im Zweiten Weltkrieg eines besonderen Schutzes bedurfte: Als wichtiger Verkehrsknotenpunkt und Garnisonsstadt mit kriegsrelevanter Industrie, zudem durch die topografische Lage aus der Luft leicht ausmachbar, war Siegen für die alliierten Bomber einfach zu erreichen. Man setzte deshalb darauf, möglichst rasch Schutzkapazitäten für die Bevölkerung zu schaffen.
+++ Lesen Sie auch: Siegen: Bunker wie Burgen – Tarnung ist nicht alles +++
Die gleichzeitige Errichtung von vier Bunkern im Siegener Stadtzentrum in gerade einmal sechs Monaten war eine logistische Meisterleistung. Mit der Wiedergabe von Augenzeugenberichten des „moral bombings“ vom 16. Dezember 1944, bei dem 500 Sprengbomben und 53.000 Brandbomben auf Siegen fielen, zeichnete Katrin Bückmann eindrucksvoll den Schrecken der Luftangriffe nach.
Burg
Wer schon immer wissen wollte, wie ein geheimnisvoller historischer Ort digital zum Leben erweckt werden kann, wurde für sein Interesse mit dem Vortrag von Tristan Sebastian Loos reichlich belohnt. Der „Digital Artist“ des Netphener Familienunternehmens Siegfilm, das sich unter anderem der Dokumentation der heimischen Industriegeschichte verschrieben hat, ließ die Gäste im Südwestfalen-Saal der IHK virtuell in die digitale Rekonstruktion der Wasserburg Hainchen eintauchen.
+++ Lesen Sie auch: Siegfilm Netphen macht das Bild von der Wasserburg Hainchen +++
Anlass der Arbeit waren die Neugestaltung des Außengeländes der Burg vor einigen Jahren und das Anliegen des Burgenvereins, den Besuchern der historischen Stätte auf Informationstafeln ein möglichst realistisches Bild der Anlage in früheren Zeiten zu vermitteln. Eindrucksvoll schilderte Tristan Sebastian Loos das aufwendige Verfahren der Rekonstruktion und anschließenden Illustration anhand von alten Karten, Grundrissen, typischen Ausstattungsmerkmalen, lasergestützter Abmessung und zusammengesetzten Fotoaufnahmen. Besonders spannend: Die Arbeiten brachten einige Ungereimtheiten in historischen Dokumenten zutage, die nun Anstoß zu neuer Forschung sein können.
+++Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook!+++