Siegen. Auch wenn das den Nazis nicht passte: Ein bisschen mittelalterlichen Residenzglanz wollte Siegen schon in den Krieg hinüberretten.

15 Hochbunker wurden im Zweiten Weltkrieg in Siegen gebaut. 1940 war das, das Stadtbild prägen sie noch heute. Manche wurden umgenutzt, als Proberäume oder Lagerfläche. Andere wurden zu Wohnungen umgebaut, weitere stehen seit Jahrzehnten leer. Prof. Eva von Engelberg hat seit 2019 den Lehrstuhl für Architekturgeschichte an der Universität Siegen. In der Vortragsreihe „Siegener Forum“ widmete sie sich den Siegener Bunkern – und ihrer Zukunft.

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Wie wurden die Bunker gebaut?

Die bewegte Geschichte der Luftschutzbunker Siegens begann 1940 mit einem sogenannten „Führererlass“ namens „Luftschutzsofortprogramm“, führt Prof. von Engelberg aus: Danach sollte jede Kommune mehrere Bunker bauen, für den Zivilschutz. Das Nazi-Reich stellte dafür das Geld bereit und machte einige bauliche Vorgaben, die die kommunalen Bauämter zu befolgen hatten: Wanddicke 1,10 Meter, gasdicht, stabil genug, um einer 1000-Kilo-Bombe standzuhalten. Zur Tarnung sollten sie sich architektonisch ins übrige Stadtbild einfügen – vor allem die Dächer, die sich aus der Luft nicht von anderen unterscheiden durften. Die Siegener Behörden setzen unter großem Zeitdruck auch Zwangsarbeiter ein: Die Stadt galt als Standort kriegswichtiger Industrie und daher besonders gefährdet durch Luftangriffe.

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Der nächste Vortrag in der Reihe „Siegener Forum“ findet Donnerstag, 25. Mai, um 18.30 Uhr im Eintrachtsaal der Siegerlandhalle statt. Referent ist Dr. André Hellmann von der RWTH Aachen, der sich dem historischen Kobalt-Erzbergbau im Siegerland widmet.

Die Vortragsreihe „Siegener Forum“ ist ein Gemeinschaftsprojekt von Stadtarchiv, Volkshochschule, Geschichtswerkstatt, Siegerländer Heimat- und Geschichtsverein und Aktives Museum Südwestfalen

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Zynisches Detail der Geschichte: Nachdem 1938 in der Reichspogromnacht die jüdische Synagoge am Obergraben vollkommen zerstört wurde, errichteten die Nationalsozialisten 1940 auf dieser nun freien Fläche einen der neuen Hochbunker, in dem ein Lazarett eingerichtet wurde. 600 Menschen hatten hier Platz – Jüdinnen und Juden erhielten keinen Zutritt. 1996 wurde hier das Aktive Museum Südwestfalen eröffnet, das sich dem Andenken und der Geschichte des Judentums in der Region widmet.

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Prof. Dr. Eva von Engelberg erläutert Geschichte der Hochbunker in Siegen.
Prof. Dr. Eva von Engelberg erläutert Geschichte der Hochbunker in Siegen. © Martin Teichert | Martin Teichert

Was sagt die Bunker-Optik aus?

Architekturhistorisch interessant ist die optische Gestaltung der Siegener Hochbunker, erläutert Prof. von Engelberg: Diese bewusst in einer mittelalterlichen Anmutung gehalten, erinnerten durchaus an Burgen. Einige der Bunker, am deutlichsten der an der Siegbergstraße (heute ein Wohnhaus), haben Öffnungen an der Fassade, die an Schießscharten erinnern. Außerdem gibt es höhere Rundtürme. Von so einer Optik hatte das Nazi-Reich zwar abgeraten, man wollte wohl nicht in eine Mittelalterromantik verfallen – Eva von Engelberg vermutet aber, dass die Stadt Siegen damit ihr Selbstbild als Residenzstadt nachschärfen wollte. Diese Gestaltung zeige sich umso stärker, je näher die Bunker in Nähe des Oberen Schlosses stehen. Der Hochbunker am Friedrich-Flender-Platz in Weidenau sehe dagegen eher wie ein Verwaltungsgebäude aus.

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Was wird aus den Bunkern?

Nachdem Siegen am 16. Dezember 1944 von einem alliierten Bomberangriff zu weiten Teilen zerstört worden war, standen kaum noch Gebäude – bis auf die Hochbunker. „Siegen wurde nach 1945 sozusagen um die Bunker herum wieder aufgebaut“, so Stadtarchivar Dr. Patrick Sturm. Die Betonbauten gingen nach dem Krieg in den Besitz der Bundesrepublik Deutschland über und wurden seither teils verkauft. Umbaumaßnahmen sind nicht ganz einfach bei so dicken Wänden.

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Wie die Siegener Stadtgesellschaft künftig mit den Bauten umgehen sollte, diese Frage musste offenbleiben: Bleiben sie als zwar „unbequeme“, aber wichtige Denkmäler erhalten und als Bunker erkennbar? Werden sie umfunktioniert oder gar entfernt, um Flächen für aktuelle Projekte zu gewinnen? Die massiven Gebäude befinden sich oft in zentralen Lagen – an der Burgstraße zum Beispiel, in der Nähe des Oberen Schlosses, wo der Traum eines Umbaus zur Siegerlandmuseum-Erweiterung nicht ausgeträumt ist. An vielen Stellen sind sie so stark umgebaut worden, dass sie inzwischen tatsächlich mit der übrigen Stadt „verschmolzen“ sind und nur wenig an ihre ursprüngliche Funktion erinnert. Das Interesse an den Bunkern ist jedenfalls ungebrochen groß, wie zum Beispiel die große Resonanz auf Führungen durch die Bunker an der Burgstraße zeigt.

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