Siegen. Über einen Ansturm von Ratsuchenden berichtet die Verbraucherzentrale in Siegen. Viele Kunden tappen in die Fallen.
Die hohen Energiepreise und die gestiegene Inflation in Folge des russischen Angriffskrieges haben 2022 zu einer großen Belastung und Verunsicherung bei vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern im Stadt- und Kreisgebiet geführt. Dies zeigte sich in einem Ansturm auf die Beratungsstelle: Mehr als 6.000 (2021: 4.025) Ratsuchende wandten sich an die Verbraucherschützer. Sie erhielten aktuelle Informationen und rechtliche Beratung. „Zusätzlich zur Pandemie haben wir ein Krisenjahr erlebt, das bei vielen Menschen bestehende Probleme verschärft und neue aufgetan hat“, so Julian Sturm, Leiter der Beratungsstelle Siegen, bei der Vorstellung des Jahresberichts.
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Energiekosten: Gasmangellage, Lieferstopps, massenhafte Preiserhöhungsschreiben der Energieversorger, Entlastungspakete – die oft nicht vorhersehbaren Entwicklungen und darauf folgenden Anfragewellen stellten auch die Beratungskräfte vor große Herausforderungen. „Mit laufenden Fortbildungen einerseits und der Weiterentwicklung digitaler Angebote andererseits konnten wir qualifiziert und zeitnah auf die vielfältigen Fragen und Sorgen eingehen“, sagte Sturm. Um Wartezeiten auf eine individuelle Beratung zu vermeiden, wurde mit Online-Angeboten Kräfte gebündelt. Von laufend aktualisierten Informationen, Rechentools und interaktiven Musterbriefen auf der Internetseite der Verbraucherzentrale NRW sowie der zentralen Hotline profitierten auch die Bürger:innen im Siegener Raum.
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Im Schnitt dreimal mehr als zuvor mussten die Haushalte 2022 für Gas bezahlen, für Strom etwa doppelt so viel. Nicht nur Menschen mit geringen Einkommen brachte das in finanzielle Nöte. Die Beratungsstelle gab Rat zur Rechtmäßigkeit von Preiserhöhungen, prüfte die Korrektheit von Abschlagsberechnungen, informierte zu möglichen Sozialleistungen und half bei drohenden Energiesperren durch die Versorger. Zugleich waren Informationen zum Energiesparen und zu Investitionen in energetische Sanierungen und erneuerbare Energien sehr gefragt.
Onlinehandel: Daneben beschäftigten die Beratungskräfte die ohnehin bestehenden Probleme der Verbraucher etwa mit untergeschobenen Verträgen, Fakeshops im Internet, betrügerischen Inkassoschreiben sowie Ärger mit Reiseanbietern oder Telekommunikationsunternehmen. Bei rund 2.000 Rechtsberatungen und -vertretungen haben sich die Verbraucherschützer zumeist erfolgreich für die berechtigten Ansprüche von Ratsuchenden eingesetzt.
Mobilfunkverträge: Unzureichende Verbraucherinformation beim Abschluss eines Handy- oder Internetvertrags hat die Beratungsstelle beim Weltverbrauchertag am 15. März zum Thema gemacht. Zwar schreibt das Telekommunikationsgesetz seit dem 1. Dezember 2021 vor, dass Anbieter vor dem Vertragsabschluss eine Vertragszusammenfassung vorlegen müssen, in der wesentliche Merkmale der einzelnen zu erbringenden Dienste, Aktivierungsgebühren und die Laufzeit sowie Bedingungen für Verlängerung und Kündigung stehen. Doch in der Praxis – so hat eine landesweite Stichprobe der Verbraucherzentrale NRW in fast 200 Handyshops gezeigt – wurden diese Vorgaben nur unzureichend umgesetzt. „Vielfach wurde die Vertragszusammenfassung erst gar nicht ausgehändigt, bisweilen fanden sich dort mündliche Zusagen etwa über Rabatte und Zusatzoptionen des Verkaufspersonals nicht wieder. Nach wie vor waren Prüfung und Vergleich von Handy- und Internetverträgen vor der Unterschrift ein Buch mit sieben Siegeln“ erläutert Verbraucherberaterin Astrid Goetze. Die Beratungsstelle informierte über Kosten- und Vertragsfallen und gab in der Rechtsberatung Hilfestellungen, um aus untergeschobenen Verträgen auszusteigen.
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Pflegebetrug: Seit Mai häuften sich die Beschwerden: Der „Pflegeservice Smart“ hatte vielen pflegebedürftigen älteren Menschen unaufgefordert am Telefon ein Angebot zur Pflegeberatung unterbreitet. Gegen eine Gebühr von 199 Euro waren ihnen hierbei zu erwartende Pflegeleistungen von bis zu 6.280 Euro versprochen worden. In einem anschließenden Schreiben der Firma „United Swiss Marketing“ aus der Schweiz wurde Empfängern dann ein vermeintlich sicherer gesetzlicher Leistungsanspruch avisiert. Von der unzulässigen Telefonwerbung überrumpelt und durch die Post des Unternehmens zusätzlich unter Druck gesetzt, fragten Ratsuchende bei der Verbraucherzentrale um rechtliche Einschätzung. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass es in der gesetzlichen Pflegeversicherung einen Anspruch auf kostenfreie und individuelle Pflegeberatung bereits bei erkennbarem Hilfebedarf gibt. Und dass Leistungen vom Pflegegeld bis zum Entlastungsbetrag vom Pflegegrad und der individuellen Situation abhängen – und Ansprüche somit niedriger, aber auch höher als in der fragwürdigen Offerte versprochen ausfallen können. Wegen des unseriösen Geschäftsgebarens wurde der Anbieter abgemahnt. Er hat sein unlauteres Angebot zur Pflegeberatung eingestellt.
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Fitnessstudios: Während der pandemiebedingten Schließungszeiten wurden Mitgliedsbeiträge kassiert. Und Verträge sollten sich einseitig um die Zeitdauer verlängern, in der das Studio geschlossen war. Fristgerechte Kündigungen wurden daher nicht akzeptiert. So liest sich die Bilanz der Beschwerden über Fitnessstudios, die an die Beratungsstelle herangetragen wurden. Daneben sorgte die Fitnessstudio-Kette McFit für Kundenverdruss, die eine Zustimmung zur Preiserhöhung bereits mit dem Passieren des Drehkreuzes beim nächsten Studiobesuch erteilt sehen wollte. „Einmal mehr zeigte sich eine Reihe von Anbietern rechtlich nur wenig trainiert, wenn es um Vertragsgestaltungen ging. Häufig wurde versucht, sich durch pauschale Preisanpassungsklauseln in den Verträgen nachträgliche Preiserhöhungen vorzubehalten. Oder Preisänderungen in bestehenden Verträgen sollten widerspruchslos hingenommen werden“, so Beratungsstellenleiter Julian Sturm. Die Beratungsstelle lotste Ratsuchende durch den Vertragsdschungel und machte fit, um Verbraucherrechte durchzusetzen.
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