Siegerland. In den Rathäusern des Siegerlands kommt der hohe Tarifabschluss nicht überraschend. Konsequenzen werden 2024 zu ziehen sein.

Einmalig 3000 Euro, monatlich 200 Euro mehr und ab 1. März 2024 ein Plus von 5,5 Prozent: Das ist das Ergebnis der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst. Was bedeutet das für die Städte und Gemeinden im Siegerland? Hier sind erste Reaktionen:

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Landrat: Schwarzer Peter für Bürger und Wirtschaft – die sollen zahlen

„Auf der einen Seite handelt es sich um die größte Tarifsteigerung im öffentlichen Dienst in der Nachkriegsgeschichte. Für uns Kommunen ist es der teuerste Abschluss aller Zeiten. Trotzdem werden auf der anderen Seite viele Beschäftigte einen Reallohnverlust hinnehmen müssen“, stellt Landrat Andreas Müller fest. „Ein Abschluss in dieser Höhe kommt für uns nicht überraschend. Deshalb haben wir im Kreishaushalt für das laufende Jahr ausreichend Mittel eingeplant. Für 2024 gibt uns dieser Abschluss jetzt Planungssicherheit. Für diese Planungssicherheit wäre es aber wichtig, dass das Land schnell erklärt, ob es gedenkt, den Abschluss für die Beamtinnen und Beamte zu übernehmen.“ Wenig hilfreich sei der vorschnelle Hinweis der nordrhein-westfälischen Kommunalministerin Ina Scharrenbach, dass diese Erhöhung von den Bürgern und Unternehmen bezahlt werden müsse. „In NRW diskutieren wir seit Jahr und Tag über eine bessere Finanzausstattung der Kommunen durch das Land. Und bei der nächsten finanziellen Herausforderung für die Kommunen kommt direkt wieder der Hinweis, dass sich das Land nicht daran beteiligen wird. Damit wird einmal mehr der schwarze Peter den Kommunen und damit den Bürgerinnen und Bürger zugeschoben.“

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Siegen: Erhöhung finanziert sich teilweise von selbst

Siegens Bürgermeister Steffen Mues begrüßt den Abschluss: „Im öffentlichen Dienst besteht Nachholbedarf im Vergleich zur Privatwirtschaft. Das macht sich jetzt schon massiv bemerkbar, wenn es um die Besetzung von Stellen geht, so dass wir heute schon wegen des Personalmangels viele Dienstleistungen nicht mehr so erledigen können, wie es wünschenswert wäre. Die Finanzierung wird teilweise auch über die Inflation selbst finanziert. Durch die höheren Preise fallen bestimmte Steuern ohnehin höher aus wie die Mehrwertsteuer, die Unternehmenssteuer und durch die höheren Gehälter in allen Bereichen beispielsweise auch die Einkommensteuer.“ Wie mit der Differenz umgegangen werde, könne erst festgelegt werden, wenn der Haushaltsplanentwurf im Detail vorliegt. Der Tarifabschluss wird ab 2024 zu Personalmehraufwand von rund sieben Millionen Euro führen, so eine erste Analyse der Stadt Siegen. Die Einmalzahlungen ergeben für den vereinbarten Zeitraum (Juni 2023 bis Februar 2024) eine Haushaltsbelastung von rund 3,1 Millionen.

Kreuztal und Netphen: Steuererhöhung nicht ausgeschlossen

Nach einer ersten Auswertung des Tarifabschlusses für den öffentlichen Dienst ziehen die vereinbarten „Inflationsausgleichsgelder“ in diesem Jahr für die Stadt Kreuztal eine Erhöhung der Personalaufwendungen in einer Größenordnung von etwa 1.1 Millionen Euro nach sich, sagt Kreuztals Stadtkämmerer Michael Kass. Im Rahmen der ursprünglichen Haushaltsplanung wurde eine tarifliche Steigerung von rund 900.000 Euro kalkuliert. Der städtische Etat wird demzufolge 2023 aus jetziger Sicht mit zusätzlichen 200.000 € belastet. Gravierender gestalteten sich die Auswirkungen für das Jahr 2024. Die vereinbarte Anhebung der Sockelbeträge gepaart mit der Tarifsteigerung von 5,5 Prozent ab 1. März werden zu einer Personalkostensteigerung von über 2,1 Millionen Euro führen. „Der sich abzeichnende Kostensprung stellt eine erhebliche zusätzliche Belastung für den städtischen Haushalt dar. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Mehraufwendungen mit entsprechender Anpassung der Gebühren- und Steuerhebesätze kompensiert werden müssen.“

„Zunächst freue ich mich für die Kolleginnen und Kollegen über den erreichten Tarifabschluss. Andererseits muss dieses Ergebnis natürlich finanziert werden, stellt Netphens Kämmerer Hans-Georg Rosemann fest. „Da die Inflationsausgleichsprämie steuer- und sozialversicherungsfrei gezahlt wird, kommen wir auf eine Haushaltsbelastung von rund 390.000 Euro für 2023.“ Im Haushalt der Stadt seien rund 350.000 Euro Erhöhung für 2023 eingeplant. Die verbleibenden 40.000 Euro müssen innerhalb des Haushaltes aufgefangen werden Anders sehe es für 2024 aus. Dann sei mit einer Erhöhung der Personalaufwendungen von rund 350.000 Euro zu rechnen. Neben den hohen Energiekosten und der Steigerung aller Unterhaltungs- und Geschäftsaufwendungen werde damit auch eine Erhöhung der Kreisumlage verbunden sein. „Dies alles können die Kommunen letztlich nur durch eine Erhöhung der Steuersätze kompensieren. Allein durch personalwirtschaftliche Maßnahmen wird dies nicht aufzufangen sein.“

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Neunkirchen: Kann auf Dauer so nicht funktionieren

Weil bereits eine Einmalzahlung in Höhe von 3.000 Euro im Haushalt berücksichtigt und auch eine prozentuale Steigerung bereits veranschlagt wurde, werde der jetzt vorliegende Abschluss nicht zu einer weiteren Erhöhung des Defizites in 2023 führen, sagt Neunkirchens Kämmerer Marco Schwunk. Auch wegen dieser Steigerung der Personalkosten habe die Gemeinde Neunkirchen schon für das Jahr 2023 die Grund- und die Gewerbesteuerhebesätze anheben müssen. „Von einem echten ausgeglichenen Haushalt sind wir weit entfernt.“ Ab 2024 sei im Haushalt der Gemeinde Neunkirchen eine Steigerung der Personalkosten in Höhe von drei Prozent berücksichtigt worden, der Tarifabschluss sieht nun eine Steigerung in Höhe von 5,5 Prozent vor. Wie dies kompensiert werden könne, müsse nun im Hinblick auf die Haushaltsplanung 2024 ermittelt und. diskutiert werden. „Der aus Arbeitnehmersicht (und auch aus meiner Sicht als ehemaliger Personalratsvorsitzender) erfreuliche, insbesondere vor dem Hintergrund der Inflationsentwicklung notwendige außergewöhnlich hohe Tarifabschluss bestätigt allerdings wieder einmal eindrücklich, dass die kommunalen Haushalte auf der Aufwandsseite ganz überwiegend fremdbestimmt sind, die zur Deckung notwendigen Erträge aber zum großen Teil in der Verantwortung der Kommune liegen, was auf Dauer so nicht mehr funktionieren kann.“

Hilchenbach: Erhöhung für 2023 bereits eingeplant

Für 2023 hat die Stadt Hilchenbach bei den Dienstaufwendungen eine Steigerung in Höhe von knapp über drei Prozent im Haushalt eingeplant. Die in der Tarifverhandlung vereinbarten steuerfreien Zahlungen können „ziemlich genau abgefedert werden“, sagt Hilchenbachs Kämmerer Christoph Ermert. Gegenüber der derzeitigen Planung sind im Haushalt 2024 weitere Steigerungen in Höhe von etwa 206.000 Euro bei den tariflich Beschäftigten einzuplanen. Die bereits eingeplanten Erhöhungen herausgerechnet, betrage die Erhöhung bei den Dienstaufwendungen von 2023 nach 2024 ungefähr 505.000 Euro. Dies seien etwa 10,2 Prozent. Die durchschnittliche Steigerungsrate pro Beschäftigten liegt bei etwa 11,04 Prozent. Für die Haushaltsplanung 2024 sind neben den Tariferhöhungen viele weitere Gesichtspunkte zu betrachten, so dass zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Aussagen zu den finanziellen Auswirkungen in anderen Bereichen, zum Beispiel auf Steuern, getroffen werden können „Die Forderung der Beschäftigten nach einem Ausgleich der gestiegenen Lebenshaltungskosten ist durchaus nachvollziehbar und verständlich. Dennoch stellen die Erhöhungen für viele Städte und Gemeinden eine Herkulesaufgabe dar, wenn es darum geht, zukünftig noch einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen.“

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Burbach: Kommunen müssen für Fachkräfte attraktiv bleiben

„Das Ergebnis der Tarifverhandlungen ist für die kommunalen Haushalte natürlich eine hohe Mehrbelastung“, sagt Burbachs Bürgermeister Christoph Ewers. „Andererseits freut es mich für unsere Beschäftigten, dass ihre gute und engagierte Arbeit – gerade in den vergangenen und aktuellen Krisen – jetzt auch finanziell eine entsprechende Anerkennung findet. Grundsätzlich muss der öffentliche Dienst angemessen bezahlt werden, damit die Städte und Gemeinden auch künftig für Fachpersonal interessant und attraktiv bleiben.“ Für 2023 wurde mit Blick auf die Tarifverhandlungen bereits eine tarifliche Gehaltsanpassung für das laufende Haushaltsjahr in Burbach eingerechnet. Dennoch wird der in diesem Jahr noch auszuzahlende Inflationsausgleich trotz einer in der Personalkostenhochrechnung berücksichtigten Tariferhöhung in Summe Mehrkosten von geschätzt 34.000 bis 36.000 Euro verursachen. Zur Berechnung der Mehrkosten, die sich aus dem Restanteil der Einmalzahlung, dem Sockelbetrag von 200 € und der 5,5%-igen Gehaltssteigerung für das Haushaltsjahr 2024 und darüber hinaus ergeben, wartet die Gemeindeverwaltung noch auf detailliertere Informationen vom Arbeitgeberverband.

Freudenberg: Grundsteuer wird 2023 nicht erhöht

Auf die Stadt Freudenberg kommen in diesem Jahr Personalmehraufwendungen von rund 250.000 Euro zu, sagt Kämmerer Julian Lütz. Sie seien bereits „vorsichtig einkalkuliert“ worden, sodass eine vorrangige Gegenfinanzierung über Minderaufwendungen in anderen Bereichen angestrebt werde. „Eine Kompensation dieses Betrages über die Grundsteuer B ist ausdrücklich nicht vorgesehen, würde aber rund 38 Prozentpunkte ausmachen.“ Sofern keine Verbesserung der kommunalen Finanzausstattung durch Bund und Land für die vielfältigen wahrzunehmenden Aufgaben erfolgen sollte, müsste aber eine Gegenfinanzierung perspektivisch auch über die Anpassung von Gebühren, Beiträgen und Steuern erfolgen, stellt Julian Lütz fest.

Wilnsdorf: „Für bessere Finanzausstattung sorgen“

Der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst bringt die Finanzen der Gemeinde Wilnsdorf nicht aus dem Gleichgewicht. Wie Wilnsdorfs Kämmerer Daniel Denkert erklärt, hatte die Gemeinde die Tarifverhandlungen bereits bei der Haushaltsplanung im Blick und eine Entgeltsteigerung von vier Prozent für die Jahre 2023 und 2024 einkalkuliert. Mit dem jetzigen Tarifabschluss werden die Personalkosten rund 60.000 Euro über der Planung für 2023 liegen, rund 40.000 Euro über der Planung für 2024. Bürgermeister Hannes Gieseler befürwortet den Tarifabschluss grundlegend: „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten unverzichtbare Arbeit, und dafür verdienen sie eine angemessene Bezahlung. Außerdem muss der Öffentliche Dienst attraktiver werden im Ringen um neue Fachkräfte, sonst bluten die Verwaltungen langsam aus. Aber natürlich wird diese Ausgabensteigerung unseren Haushalt belasten. Deswegen müssen Bund und Land endlich für eine bessere Finanzausstattung der Kommunen sorgen, statt uns nur immer mehr Aufgaben aufzubürden.“

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