Siegen. In knapp zwei Monaten soll Karstadt schließen. Die Mitarbeiter nehmen ihr Schicksal nun selbst in die Hand. So kämpft das Personal ums Überleben.

Bei Galeria Kaufhof Karstadt sitzt der Schock noch tief – in knapp zwei Monaten soll in der Siegener Filiale endgültig Schluss sein. Trotz der aussichtslosen Situation kämpft die Führungsetage weiterhin für eine Zukunft des traditionsreichen Kaufhauses.

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Über die letzten Jahre hatte die Siegener Karstadt-Filiale mit handfesten Krisen zu kämpfen. Seit knapp drei Wochen (20. März) ist nun traurige Gewissheit, was sich in einem schleichenden Prozess andeutete: Galeria Kaufhof Karstadt schließt zum 30. Juni.

Schocknachricht für alle

„Wir hatten hier erst einmal für mehrere Minuten Totenstille“, beschreibt Galeria Kaufhof Mitarbeiter Meik Hirschfeld den Moment der Bekanntgabe. Seit 23 Jahren arbeitet Hirschfeld schon im Unternehmen – nun erlebt er bereits die zweite Schließung einer Filiale binnen zwei Jahren. „Ich habe mich hier super eingelebt und eigentlich hat hier alles gepasst, da tut so eine Entscheidung gleich doppelt weh“, verdeutlicht der frühere Gummersbacher. Die Hoffnung auf eine Wende hat Hirschfeld noch nicht endgültig aufgegeben. „Arbeit ist die beste Therapie und ich hoffe noch auf ein kleines Wunder“, gibt er sich verhalten optimistisch.

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Schwer nachvollziehbar

Filialleiter Holger Bantes kann die getroffene Entscheidung ebenso wenig wie seine Mitarbeiter nachvollziehen. „Wir waren schon ein bisschen geschockt“. Zwar stand eine Schließung im Raum, doch in den letzten Monaten habe sich beim Siegener Karstadt vieles zum Guten gewendet. Die wirtschaftlichen Zielsetzungen seien im Bereich des Möglichen gewesen und auch die Kundenresonanz sei stetig angestiegen, erklärt Bantes. „Wir hatten eine positive Entwicklung und sind wichtiger Anker für die Oberstadt“, betont er. Allein am Ostersamstag knackte Karstadt den eigenen Umsatzrekord deutlich. „Wir haben den Umsatz im Vergleich zu den Vorjahren verdoppelt“, sieht Bantes in den gesteigerten Verkaufszahlen eine deutliche Solidaritätsbekundung der Bürger.

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Auch Betriebsratsvorsitzender Oliver Mehring kann die bevorstehende Schließung nicht nachvollziehen. „Wir waren wirklich überrascht. Es sind auch viele Tränen geflossen und es war auch ein Stück Wut mit im Bauch“, versteht er die Entscheidung bis heute nicht. Die Filiale befand sich mitten in einer Übergangsphase und eine Frequenzsteigerung im Betrieb war bereits in Planung. Maßgeblich dazu beitragen, sollte die Umsetzung des Konzepts „Karstadt 2.0“, bei dem sich das Kaufhaus breiter aufstellen wollte. Verkleinerte und angepasste Sortimente, weitere Unternehmen im Gebäude und der Zuzug von Gastronomie sollten den Galeria Kaufhof Karstadt moderner machen und für die Zukunft rüsten.

Auch eine engere Verzahnung mit der Universität, die in Teile der Räumlichkeiten des Karstadt-Gebäudes investierte, sollte die Position des Einzelhändlers festigen, erklärt Oliver Mehring – aus den zahlreichen Bestrebungen der Geschäftsführung wird jedoch nun voraussichtlich nichts.

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Keine klaren Ansagen

Die Entscheidung der Unternehmensleitung deutete sich über Monate an – klare Aussagen von oben waren aber Mangelware – bis heute. „Die Entscheidung hat eigentlich bisher keiner genau begründet“, fordert der Betriebsratsvorsitzende Klarheit. Filialleiter Bantes hält es unter diesen Voraussetzungen für umso bemerkenswerter, wie die Mitarbeiter von Karstadt mit der ungeklärten Situation umgehen. „Ich bin stolz auf die ganze Mannschaft. Hier sind immer noch alle mit an Bord“, freut er sich.

Bis endgültige Klarheit vorherrscht, will die Geschäftsführung die Filiale nicht aufgeben und konkrete Zukunftslösungen für die eigene Belegschaft finden. Ein erster Schritt dafür: Der Übergang in die Transfergesellschaft. Diese fängt Mitarbeiter nach Unternehmensschließungen auf und bezahlt das Grundgehalt für sechs Monate nach der Kündigung. Dies gibt den Arbeitnehmer dringend benötigte Zeit und Flexibilität, um sich umzuorientieren oder eine neue Stelle zu finden.

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Weiterbetrieb das Ziel

Neben der Absicherung von Existenzen nach der Schließung setzt sich die Geschäftsführung weiterhin für den Weiterbetrieb im Juli ein. Gerade die steigenden Verkaufszahlen zeigten, dass Karstadt in Siegen wirtschaftlich sei, so Bantes. Daher werde er nichts unversucht lassen, um die Unternehmensleitung von einer Weiterführung der Filiale zu überzeugen. „Ich will in den Spiegel schauen und sagen können, ich habe hier alles Mögliche versucht“, sagt Holger Bantes.

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