Siegen-Wittgenstein. Die Straßen sind gefährlich, nicht nur Kinder brauchen Verkehrserziehung. Die Polizei Siegen setzt auf lebenslanges Lernen mit vielen Formaten.
Um die Zahl der Verkehrsunfälle – vor allem solche mit Verletzten oder sogar Todesopfern – zu reduzieren, setzt die Kreispolizeibehörde (KPB) Siegen-Wittgenstein weiterhin auch auf Prävention. Nachdem während der ersten beiden Corona-Jahre über weite Strecken kaum Veranstaltungen auf diesem Gebiet möglich waren, wurde diese Aufgabe 2022 wieder verstärkt in Angriff genommen. Dabei finden mittlerweile auch attraktive moderne Gadgets wie Virtual-Reality-Brillen Verwendung. Mit diesen lassen sich gefährliche Situationen im Straßenverkehr realistisch und damit wirkungsvoll simulieren, ohne reale Bedrohungen zu verursachen.
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Ziele und Nutzen
Der konkrete Effekt der Maßnahmen lasse sich nicht messen, wies Andreas Müller, als Landrat des Kreises Siegen-Wittgenstein auch Behördenleiter der KPB, beim Pressegespräch zur Vorstellung der Unfallstatistik für 2022 (wir berichteten) auf ein Problem hin. Wie viele Unfälle faktisch dank vorangegangener Aufklärungsarbeit verhindert würden, lasse sich nicht beziffern – denn eine Erhebung dieser Zahlen wäre methodisch schwierig bis unmöglich. Gleichwohl sei davon auszugehen, dass ein Zusammenhang bestünde – und jeder Verunglückte, erst recht jede Verkehrstote weniger sei die Anstrengungen wert.
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Ausgehend vom Prinzip des lebenslangen Lernens macht die KPB Angebote für alle Altersklassen von Vorschulkindern bis zu Seniorinnen und Senioren. Im vergangenen Jahr konnten die Zahl der Veranstaltungen trotz der Steigerungen zwar „das Niveau vor der Pandemie noch nicht erreichen“, wie es im Bericht zur Verkehrsunfallstatistik heißt. Immerhin ist der Siegen-Wittgensteiner Polizei das Thema aber so wichtig, dass sie ihm in den aktuellen Ausführungen ein eigenes Kapitel widmet.
Sicherheit und Technik
Eine große Frage im Zusammenhang mit der Verkehrsunfallstatistik sei, ob Fahrassistenzsysteme den Verkehr tatsächlich sicherer machten, sagte Landrat Andreas Müller beim Pressegespräch zur Vorstellung der 2022er Zahlen. Seine Antwort: „Ein klares Jein.“
Die Systeme seien „sicher ein Plus. Aber trotzdem passieren weiter viele Unfälle.“ Einerseits könnten die Assistenten deaktiviert werden, andererseits könnte ihre Fülle „den Nutzer auch überfordern“.
Ein weiterer Punkt, den Fachleute immer wieder betonen: Egal, wie ausgereift und hoch entwickelt die Systeme auch sein mögen – die Fahrerinnen und Fahrer dürfen sich nicht blind auf die verlassen und müssen nach wie vor volle Aufmerksamkeit und Konzentration im Straßenverkehr aufrechterhalten.
Zielgruppen und Formate
• An Kitas gab es demnach 237 Veranstaltungen mit 2435 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. „Dazu zählten in erster Linie das Fußgängertraining und ,Elternachmittage’“, wie im Bericht vermerkt ist.
• An Grundschulen liefen 569 Veranstaltungen mit 13.468 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Insbesondere waren es Fußgängertraining, Radfahrausbildung sowie Elternabende, außerdem die „Busschule“, bei der den Kindern das richtige Verhalten im Bus sowie im Vorfeld und im Nachgang der Fahrt vermittelt wird.
• An weiterführenden Schulen standen 31 Veranstaltungen mit zusammen 576 Teilnehmerinnen und Teilnehmern an. Dazu gehörten Radfahrausbildungen oder Schulungen zum Busbegleiter beziehungsweise zur Busbegleiterin.
• Speziell an Jugendliche im Alter von 15 bis 17, aber auch an junge Fahrerinnen und Fahrer richtet sich das Programm „Crash Kurs NRW“, das in Nordrhein-Westfalen 2011 landesweit startete. Dabei sprechen Fachleute von Polizei und Feuerwehr, außerdem Notärzte, Notfallseelsorger und Eltern von Unfallopfern über reale Verkehrsunfälle und deren Folgen. Das Augenmerk liegt auch auf den Auswirkungen von zu hoher Geschwindigkeit, von Drogen- und Alkoholkonsum, Nicht-Anschnallen und Ablenkung wegen des Smartphones oder sonstiger vermeidbarer Faktoren. Die Tatsache, dass es bei „Crash Kurs NRW“ weniger um theoretische Gefahren, sondern um konkrete und tatsächliche Folgen realer Unfälle geht, zeige „oft unmittelbare Wirkung in Form sichtbarer Betroffenheit bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern“, beschreibt die KPB die Erfahrungen mit dem Format. Die Akteurinnen und Akteure arbeiteten ehrenamtlich und meist in ihrer Freizeit mit. Im Jahr 2022 fanden im Kreisgebiet zwei dieser Veranstaltungen statt und erreichten insgesamt 224 Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
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• Auf Seniorinnen und Senioren liegt ebenfalls ein besonderer Fokus der Präventionsarbeit. Dabei geht es laut Bericht nicht nur um allgemeine Themen wie „Richtiges Verhalten im Straßenverkehr“, sondern auch um spezielle Aspekt wie „E-Bike sicher beherrschen“ – denn die Mobilitätsalternativen zum Auto stoßen auch bei der älteren Generation auf zunehmende Nachfrage. Zudem engagiert sich die Polizei in der „Ausbildung von Multiplikatoren im Bereich Seniorenberater“. Die Idee dahinter ist, dass ältere Menschen in ihrem direkten Umfeld Ansprechpartnerinnen und -partner finden, die ihnen bei Fragen zu Verkehrsthemen weiterhelfen können, obwohl sie keine Angehörigen der KPB sind. Der Vorteil solcher Ansätze liegt darin, dass sie sehr niedrigschwellig sind: Viele Menschen sprechen eher eine Bekannte oder einen Bekannten an, als sich mit ihren Anliegen direkt an die Polizei zu wenden.
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