Siegen. Die Kleine Bühne Seelbach zeigt im Lyz in Siegen mit „Weiße Turnschuhe“ eine saftige Komödie. Die Darsteller wissen, wie sie begeistern können.
Wie kann man nur so fit sein, fragen sich seine Mitbewohner. Günther ist schon 75, trainiert seinen Körper jeden Tag. In einer Mischung von Ausdauer- und Krafttraining. Sandsack und ein Bike schmücken sein Wohnzimmer. Ein Rudergerät fehlt ihm noch und auch Hanteln sind unterwegs. Seine Alltagskleidung sind Trainingsanzug und Turnschuhe in makellosem Weiß. Das Ergebnis: Kein Gramm Fett am Körper. Da tut sich Max, sein Trainingspartner, deutlich schwerer. Er ist 25 Jahre jünger, wohnt im Parterre und immer, wenn er die Treppen zur Günthers Wohnung im 5. Stock geschafft hat, ist er völlig außer Atem. „Matterhorn“ nennt er sie daher. Die Kleine Bühne Seelbach zeigte im Lyz in Siegen nun eine saftige Komödie.
Theater in Siegen: Familienvermögen durch’s Zocken verloren
Bei einem Thema wird Günther traurig: Mandy. Zu ihrer Beerdigung im Stadtpark hat er sich in Schale geworfen: Schwarzer Anzug von Armani, schwarzes Hemd von Hermès und natürlich seine weißen Turnschuhe. Mandy ist vor einem halben Jahr gestorben, der Dackel seiner letzten Frau. Viermal war er verheiratet, doch er hat sie alle überlebt. Vielleicht auch wegen seines gesunden Lebenswandels: „Ich rauche nicht, trinke nur guten Alkohol und gönne mir dann und wann eine Frau.“
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Da platzt sein Sohn Kai herein und gesteht ihm, durch Zockereien das gesamte Familienvermögen verloren zu haben. Damit ist auch Günthers Rente futsch. Kais Idee: Der Vater soll eine Pflegebedürftigkeit vorgaukeln, Stufe 4. Also nachlassende Sehkraft, Schwerhörigkeit, Inkontinenz. Fortan könnten beide vom Pflegegeld leben. Das ist zumindest Kais Plan. Doch sie haben nicht mit der pfiffigen Frau Weber von der Krankenkasse gerechnet. Die durchschaut alles, zumal sie Günther vom Spinning-Kurs im Fitnessstudio kennt, und übernimmt die Pflege selbst, was dem Vater sehr, dem Sohn überhaupt nicht gefällt. Der Clou: Nun spielen Frau Weber und Günther das Täuschungsspiel weiter, um Kai eine Lektion fürs Leben zu erteilen. Und die gelingt auf ganzer Linie.
Siegen: Vier Vollblutkomödianten wissen, wie sie das Publikum begeistern
Eine Komödie mit vier Darstellern. Das bedeutet: Jeder spielt eine Hauptrolle. Jan Bottenberg als Kai, der sich in seiner Unbedarftheit vom Liebhaber seiner Gattin, einem Architekten, dermaßen über den Tisch hat ziehen lassen, dass er am Ende ohne Geld, aber auch ohne Frau dasteht: „Die wohnt jetzt in Kitzbühel. Schön, dass der Architekt sich so selbstlos um meine Frau Karoline kümmert.“ Markus Franz als Max, dem Mitbewohner und Trainingskumpel von Günther, ist die Verlässlichkeit in Person und der einzige, der wirklich zu ihm hält.
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Beate Becker, die Sylvia Weber als taffe Mitarbeiterin der Krankenkasse verkörpert, nimmt man ab, dass sie merkt, von Kai und Günther sie aufs Glatteis geführt worden zu sein, und zeigt die Richtigkeit der Lebensweisheit: „Wer zuletzt lacht…“ Und Wolfgang Burk, ein Urgestein der Kleinen Bühne Seelbach legt mal wieder eine Rolle hin, die ihm auf den Leib geschneidert scheint: Fit wie ein Turnschuh, ein treuer Freund, ein Vater, der seinen Sohn auch dann nicht hängen lässt, wenn der sein Familienerbe in den Sand setzt, ein Charmeur, der bei einer attraktiven vermeintlichen Altenpflegerin Feuer fängt.
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Vier Vollblutkomödianten also, deren Spiel das Publikum zu Lachanfällen bringt, die kleine Texthänger mit ihrem Improvisationstalent so professionell umschiffen, als würden sie jeden Abend auf der Bühne stehen. Und man sieht, dass dieses Spiel auch ihnen selbst Spaß macht. Eine saftige Komödie, vom Regisseur Reiner Bender garniert mit lokalen Verortungen von Niederlaasphe bis Volnsberg und dem Lokalkampf zwischen Sportfreunde Siegen und dem 1. FC Kaan-Marienborn. Dass am Ende des Stückes des Erfolgsautors René Heinersdorff noch etwas Gesellschaftskritik ins Spiel kommt, was die Rolle von Versicherungen und die Vernachlässigungen von Krankenhäusern angeht: Schwamm drüber. Schön, dass die Kleine Bühne Seelbach wieder einmal ein Stück auf die Bühne gebracht hat, bei dem jedes Detail stimmt: Die schauspielerische Leistung, ein großartiges Bühnenbild, perfekter Ton und Beleuchtung.
Weitere Aufführungen: Do., 23.2., Fr., 24.2., Sa.,25.2. jeweils 20 Uhr, So., 26.2., 17 Uhr. Für alle Vorstellungen gibt es noch Karten.