Flammersbach. Im Flammersbacher Brandstifter-Prozess schildert der Angeklagte, wie er durch persönliche Probleme immer weiter in Sucht und Wahn abdriftete.

Im Fall des 39-jährigen Manns aus Flammersbach, der sich wegen schwerer Brandstiftung und Sachbeschädigung vor der großen Strafkammer des Landgerichts Siegen verantworten muss, sind die Plädoyers gehalten worden: Anklage und Verteidigung sind sich einig, dass der Mann zu den Tatzeitpunkten nicht schuldfähig war.

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Der Sachverständige bestätigt die Schuldunfähigkeit des Angeklagten, diagnostiziert paranoide Schizophrenie, eine seelische Erkrankung. „Während der Tat befand sich der Beschuldigte in einem psychotischen Wahn“, sagt der Psychiater im Gericht. Er sei nicht in der Lage gewesen, sein Handeln einzuschätzen.

„Ich wollte mich betäuben, um die anhaltenden Sorgen vergessen zu können“

Der Beschuldigte habe sehr unter Trennung von seiner Ex-Frau 2020 gelitten. Das sei eine schwierige Zeit für ihn gewesen, geprägt von vielen privaten und beruflichen Problemen. Er verlor seine Arbeit, befinde sich daher in finanzieller Not, hat nach wie vor keinen Kontakt zu seinen Kindern. Negative Emotionen nahmen demnach Überhand, der Angeklagte wurde depressiv, so der Gutachter. Der 39-Jährige habe begonnen, Alkohol und verschiedene Drogen zu konsumieren, habe seine Lebensumstände ohne nicht mehr ausgehalten. „Ich wollte mich betäuben, um die anhaltenden Sorgen vergessen zu können“, sagt der Angeklagte. Sein angeschlagener Gesundheitszustand in Kombination mit großen Mengen Rauschmitteln habe eine schwere Psychose bei ihm entstehen lassen, in die er sich immer weiter hineingesteigert habe. „Er reagierte psychotisch auf den Mischkonsum“, stellt der Gutachter fest.

So habe der Mann unter Wahnvorstellungen mit religiösen Fanatismus und Verfolgungswahn gelitten. Ein halbes Jahr vor der Tat begann er, Stimmen in seinem Kopf zu hören, die ihm einredeten, dass alle Menschen böse seinen. Er habe lange Gespräch mit sich selbst geführt, sagt er selbst: „Ich war nur noch Zuhörer und konnte mich auf keine normale Unterhaltung mehr konzentrieren. In meinem Kopf passierten so viele Dinge gleichzeitig, ich kam selber kaum noch hinterher.“

Alle Sicherungen brannten durch, er zündete Haus und Auto des Nachbarn an

Bevor er den Brand legte, habe er sich von seinen Nachbarn beobachtet und ausspioniert gefühlt. Die Antenne des Wohnwagen vor dem Haus habe direkt auf sein Grundstück gezeigt, „ich war er festen Überzeugung, dass sie mich damit beschatten würden“, berichtet der Angeklagte. Er habe vom Nachbargrundstück Mädchenschreie und Kettensägen gehört, sich daraufhin eingeredet, dass dort Kinder gefangen wären und vermutet, dass die Nachbarn Kinder ermordet hätten. In diesen Wahn habe er sich weiter hineingesteigert. Als das Wohnmobil weg war – und er wusste, dass die Nachbarn im Urlaub waren – habe er sich eingeredet, dass sie wegen ihrer Verbrechen geflohen seinen.

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Die Stimmen in seinem Kopf hätten ihm gesagt, dass der Nachbar seine Tochter misshandelt habe und ihn mit den Worten: „Lass das Schwein brennen“ zu der Tat gedrängt. Daraufhin seien alle Sicherungen bei ihm durchgebrannt, er sei mitten in der Nacht zum Grundstück seiner Nachbarn gegangen. „Ich war so aufgebracht und wollte ihn zu Rede stellen“, erzählt der Angeklagte, der erneut schildert, zuvor nach übermäßigem Drogenkonsum tagelang wach gewesen zu sein: „Ich war kaum noch zurechnungsfähig. Ich habe mir einfach ganz viel Blödsinn ausgedacht und mich dann immer weiter in diese Gedanken reingesteigert.“ Im Vorfeld habe es keinen Streit mit den Nachbarn gegeben.

Laut Gutachter hätte bei der gefährlichen Tat weitaus Schlimmeres passieren können, wären die Bewohner zu Hause gewesen. Der Sachverständige sieht hohes Rückfallpotenzial bei dem 39-Jährigen. Er schlägt verschiedene Auflagen vor, damit er lerne, mit seinen Lebensumständen ohne Suchtmittel umzugehen: Reha, regelmäßige Urinprobe, Therapie, einen Gesundheitsbetreuer. Der Angeklagte stimmt allem freiwillig zu. Von der bisherigen medizinischen Behandlung habe er sehr profitiert, die Wahnvorstellungen seien verschwunden, die Stimmen in seinem Kopf hätten aufgehört, mit ihm zu reden.

Benzingetränkten Lappen durch den Briefschlitz der Nachbarn gestopft

Der Staatsanwalt sieht die Vorwürfe als erwiesen an. Der Angeklagte habe im Juni 2022 im Drogenwahn Auto und Haus seiner Nachbarn angezündet, die Brandstiftung mit Hilfe von Benzin sei nachgewiesen – der Beschuldigte stopfte einen mit Benzin getränkten Lappen durch den Briefschlitz des Hauses. Es entstand Sachschaden von insgesamt rund 300.000 Euro, für die Bewohner habe die Tat bis heute erhebliche negative Auswirkungen. Er beantragt die Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung auf Bewährung, für den Vollzug soll ein Bewährungshelfer zur Seite gesellt werden.

Die Verteidigung schließt sich dem an. Der Angeklagte habe mehrfach deutlich gemacht, dass ihm sein Verhalten sehr leid tut und er seine Lebensweise überdenken wolle, habe gesundheitlichen Maßnahmen zugestimmt.

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Der Angeklagte sagte, dass er sich nie wieder in solch einer Psychose wiederfinden möchte. Er entschuldigte, der Vorfall sei ihm sehr unangenehm: „Ich bin schockiert von meinem Benehmen. Nun möchte ich alles dafür geben, dass so etwas nie wieder passiert.“