Siegen. Er dachte, nebenan würden Kinder gefangen gehalten: So erklärt ein 39-Jähriger vor Gericht, warum er Haus und Auto des Nachbarn angezündet hat.
Nach vielen schlaflosen Nächten unter Dauerrausch soll ein 39-jähriger Mann aus Flammersbach das Auto, eine Nebentür des Hauses sowie eine Couch seiner Nachbarn angezündet haben. Nun muss sich der Beschuldigte vor der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts Siegen wegen schwerer Brandstiftung verantworten. Der vermeintliche Täter schilderte am Mittwoch der Richterin Elfriede Dreisbach und den verantwortlichen Sachverständigen den angeblichen Tathergang aus dem Juni 2022 im Detail.
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Das Verhältnis zu seinen Nachbarn sei etwas komplizierter, erklärt der Beschuldigte. „Als ich frisch eingezogen bin, hatte ich die Musik etwas zu laut, wodurch ich mit ihnen ein bisschen aneinander geraten bin. Zu den anderen Nachbarn habe ich auf jeden Fall besseren Kontakt.“ Ein Grund für die Brandstiftung sei dies jedoch nicht – wohl eher die starken Wahnvorstellungen. „Ich nahm täglich Amphetamine und Cannabis zu mir. Ich war durchweg in Aktion und habe somit auch gar nicht geschlafen“, so der 39-Jährige. Ganze acht Tage will der Beschuldigte wach gewesen sein. „Eigentlich wollte ich mich durch den Cannabis-Konsum beruhigen, die Mischung aus beiden Drogen führte jedoch zur Psychose.“ Der Beschuldigte habe angefangen, Stimmen zu hören und Selbstgespräche zu führen. „Die Stimmen fühlten sich real an. Sie gaben mir Kommandos, die ich auch selbst noch mal kommentierte.“
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Wahnvorstellungen bei Spaziergängen
Er habe in seiner Wohnung Steckdosen und Lautsprecher abmontiert, berichtet der Beschuldigte. Seiner Freundin habe er dies als Renovierungsaktion verkauft. „In Wahrheit wollte ich die Elektrogeräte aus dem Haus schaffen, weil ich dachte, dass die Stimmen daher kommen. Noch schlimmer wurden die Wahnvorstellungen dann aber bei Spaziergängen.“ Der 39-Jährige habe im Wald Goldadern und Menschenknochen entdeckt: „Wahrscheinlich waren es Tierknochen. Vielleicht von einem Wildschwein oder so.“ Zu Hause habe er dann im Garten seiner Nachbarn einen Zirkuspavillon gesehen, der eigentlich für die Hunde der Familie gedacht sei. „Ich steigerte mich jedoch darein und dachte, dass sie dort Kinder gefangen hielten.“ Die Schuldenbriefe habe er in dem Vollrausch nicht mehr geöffnet. Somit entging ihm auch die Information, dass sein Handyvertrag und das Internet gekündigt worden sind – für ihn sei der Grund aber ein anderer gewesen: „In der Straße stand ein Wohnmobil mit einem Satellit auf dem Dach, der direkt auf mein Haus gerichtet war. Ich dachte, sie würden mich abhören.“
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Zwei Tage vor der mutmaßlichen Tat habe der 39-Jährige zusätzlich noch LSD und Ecstasy konsumiert – die Stimmen seien noch schlimmer geworden: „Nachts hörte ich dann leidiges Kindergeschreie und Kettensägen. Es war wie ein schlechter Horrorfilm.“ Als das Wohnmobil dann den Schauplatz verließ, habe die Angst ihren Höhepunkt erreicht. „Ich bekam den absoluten Rappel. Ich klingelte bei den Nachbarn um drei Uhr nachts. Natürlich machte niemand auf, da die Familie im Urlaub war.“ Dann habe er aus seinem Haus einen Benzinkanister geholt und das Eigentum in Brand gesetzt.
Vor der Polizei im Wald versteckt
Kurze Zeit später soll die Polizei und die Feuerwehr den Tatort dann erreicht haben. „Ich schrie noch zu Polizei, dass Kinder in dem Pavillon versteckt sind, und floh danach über Gartenzäune in den Wald. Die Polizeibeamtinnen haben den Mann dann unter Ästen versteckt im Wald gefunden: „Der Flüchtige hatte eine Warnweste an, somit konnten wir ihn leicht mit einer Taschenlampe finden.“ Seinen richtigen Namen habe er der Polizei nicht genannt. „Er stellte sich als Jesus Christus vor und faselte zusammenhanglose Dinge. Man hatte das Gefühl, dass er woanders war.“
Der Beschuldigte bereut die angebliche Tat: „Ich entschuldige mich ganz herzlich in aller Form. Leider kann ich die Tat nicht mehr rückgängig machen.“ Die Verhandlung wird fortgesetzt.
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