Wittgenstein. Energiekrise, Ukraine-Krieg, Rahmedetal-Brücke: Heimische Unternehmen blicken auf 2022 zurück und nach vorn auf 2023. Jedoch nicht ohne Sorge.

Ukraine-Krieg, Energiekosten und die gesperrte A 45 – das Jahr 2022 hat den Menschen einiges abverlangt. Dennoch gab es auch Positives zu vermelden. Wir wollten von Wittgensteiner Unternehmen wissen: Wie blicken Sie auf 2022 zurück? Und wie schauen Sie auf das kommende Jahr?

AST: Engpass A 45

Die AST-Gruppe schaut auf ein anstrengendes, aber durchaus erfolgreiches Jahr zurück. „Nie dagewesene Kostensteigerungen durch den Ukraine-Krieg führten alleine bei unseren Werken in Deutschland zu Mehrkosten bei Energie und Frachten von knapp 10 Millionen Euro“, teilt Geschäftsführer Dirk Strohmann mit. „Nachdem die ersten beiden Preiserhöhungen bei den Kunden noch gut durchgingen, war die nunmehr dritte Preiserhöhung im Herbst – verursacht von explodierenden Strompreisen – nur mit sehr viel Überzeugung den Kunden zu vermitteln.“ Und damit nicht genug: Die gesperrte A 45 bei Lüdenscheid führt zudem dazu, dass das Erndtebrücker Unternehmen immer wieder nicht genug Lkws zum Laden in die „noch zusätzlich schlecht angebundene Region“ herbeischaffen kann. „Dies kostete uns überschlägig in diesem Jahr einen mittleren sechsstelligen Betrag!“

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Ins kommende Jahr gehe das Unternehmen daher mit gemischten Gefühlen. Strohmann: „Die Strom- und Gaspreisbremse für Industrieunternehmen wurde mal wieder in ein sehr kompliziertes Gesetzeswerk eingebettet, wo heute selbst Experten noch nicht sagen können, ob und inwieweit man darunter fällt – Unsicherheit pur statt Fakten, damit man planen kann.“

Dirk Strohmann, Geschäftsführer AST, Erndtebrück: „Nie dagewesene Kostensteigerungen durch den Ukraine-Krieg führten alleine bei unseren Werken in Deutschland zu Mehrkosten bei Energie und Frachten von knapp 10 Millionen Euro.“
Dirk Strohmann, Geschäftsführer AST, Erndtebrück: „Nie dagewesene Kostensteigerungen durch den Ukraine-Krieg führten alleine bei unseren Werken in Deutschland zu Mehrkosten bei Energie und Frachten von knapp 10 Millionen Euro.“ © Eberhard Demtröder

Dies betreffe auch einen erheblichen Anteil der Kunden aus der chemischen Industrie. „Hier haben wir bereits deutliche Produktionskürzungen wegen der hohen Energiepreisen feststellen können. Teilweise sind schon Produktionen bei den großen Konzernen ins Ausland nach Asien und USA verlagert worden, andere haben deutliche Einbußen, da sie auf dem Weltmarkt mit diesen Energiepreisen nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Daher gehen wir innerhalb der AST-Gruppe erstmals seit mehr als 30 Jahren von einem deutlichen Umsatzrückgang in 2023 aus – und das bei den uns vorliegenden Herausforderungen.“

Regupol BSW: Steigende Energiekosten

Die Regupol BSW GmbH blickt verhalten optimistisch auf das Jahr 2023. „Die steigenden Energiekosten machen uns natürlich auch Sorgen, sind aber leider unserem Einflussbereich entzogen. Das bedeutet: Wir können, entsprechend unserer wirtschaftlichen Sorgfaltspflicht, Vorsorge treffen, wo das möglich ist und Risiken versuchen abzumildern“, so Elke Sondermann-Becker, Marketing Director bei Regupol BSW. „Und das haben wir bei unserem Energie-Einkauf für 2023 getan.“ Mehr als 60 Prozent der benötigten Energie stamme bereits aus regenerativen Energiequellen. „Als nachhaltig handelndes Unternehmen haben wir unseren CO-Verbrauch ständig im Blick. Da es sich bei einer Vielzahl unserer Produkte um Recyclingprodukte handelt, haben diese eine ausgezeichnete Ökobilanz.“ Und genau das wurde erst vor Kurzem für 65 Produkte mit einer Cradle to Cradle Certified (R) in Bronze unter Beweis gestellt. „Wir wünschen uns für 2023, dass immer mehr Bauherren, Architekten und Spediteure auf nachhaltige Produkte, wie die von Regupol setzen werden. Uns bleibt keine Zeit mehr, wenn wir diesen Planeten und seine Ressourcen schützen und schonen wollen.“

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Wenn sich das Unternehmen für 2023 noch etwas wünschen könnte, „dann wäre es, dass der Krieg in der Ukraine endlich zuende gehen möge“, so Sondermann-Becker. Dennoch: Beim Blick auf das Jahr 2022 gab es auch einen Höhepunkt für Regupol: „Die Leichtathletik-Europameisterschaften in München. Die Laufbahn, auf der zum Beispiel Gina Lückenkemper Europameisterin wurde, stammt aus Bad Berleburg. Darauf sind wir sehr stolz. Damit sind in zwei von zwei Olympiastadien in Deutschland Regupol-Laufbahnen verbaut worden.“

Gina Lückenkemper war bei den Leichtathletik-Europameisterschaften im Münchner Olympiastadion erfolgreich – auf einer Laufbahn von Regupol BSW aus Bad Berleburg.
Gina Lückenkemper war bei den Leichtathletik-Europameisterschaften im Münchner Olympiastadion erfolgreich – auf einer Laufbahn von Regupol BSW aus Bad Berleburg. © Jürgen Fromme

EJOT: Spürbare Kriegsfolgen

Auf dem Weg zur Klimaneutralität setzt das Familienunternehmen EJOT mit der Einführung der Mitarbeiter-Kapitalbeteiligung „wejot“ auch auf das Engagement seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Auf dem Weg zur Klimaneutralität setzt das Familienunternehmen EJOT mit der Einführung der Mitarbeiter-Kapitalbeteiligung „wejot“ auch auf das Engagement seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. © EJOT

Auch EJOT hatte 2022 einen Grund zum Feiern: Das Unternehmen hat das 100-jährige Jubiläum gefeiert, weltweit an allen Standorten. Ein wichtiges Thema war zudem die Nachhaltigkeit. „Die EJOT-Gruppe hat sich als ehrgeizige Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2035 klimaneutral zu sein. Das erfordert erhebliche Anstrengungen innerhalb der Gruppe, aber insbesondere auch im Zusammenwirken mit Kunden und Lieferanten“, sagt Pressesprecher Andreas Wolf. Mit „WEJOT“ hat das Unternehmen ein Projekt ins Leben gerufen, bei dem sich Mitarbeiter finanziell beteiligen und am Erfolg der Maßnahmen partizipieren. Mit dem Start von „WEJOT“ wurde auch ein Ideenwettbewerb gestartet. „Hier haben wir bereits nach kurzer Zeit Hunderte Rückmeldungen und gute Ideen erhalten, mit denen wir uns Schritt für Schritt verbessern können.“ Generell habe sich gezeigt, „dass die EJOT-Gruppe mit ihrer Produktvielfalt und ihren Innovationen als Technologieführer gut aufgestellt ist.“

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Der Ukraine-Krieg war dennoch spürbar. Wolf: „Wir haben mit dem Schlimmsten gerechnet und viele Projekte und Investitionen zunächst zurückgestellt oder neu priorisiert und uns auf ein ähnliches Szenario wie im Jahr 2020 zum Start der Corona-Pandemie ausgerichtet. Es kam zwar nicht zu diesem Einbruch, aber die Folgen sind dennoch stark spürbar.“ So haben sich die Versorgungsengpässe durch den Krieg weiter verstärkt. „Die Materialpreis-Verteuerung wurde durch die Gasverknappung und Energiekrise weiter verstärkt. Mit dem Thema Energiekrise und Verwerfungen in den Lieferketten haben wir auch feststellen müssen, dass die Abhängigkeiten in den Lieferketten und in der Welt immer komplexer geworden sind. Wir merken, was passiert, wenn nicht mehr reibungslos ein Rad in das andere Rad greift.“

Die EJOT-Gruppe blickt mit Zuversicht auf 2023. „Wir bleiben aber aufgrund der unsicheren weltwirtschaftlichen Seite vorsichtig, damit wir jederzeit reaktionsfähig bleiben. Gleichwohl ist die EJOT-Gruppe gut aufgestellt. Mit unseren Produkten helfen wir bei der Bekämpfung der Energiekrise, sei es bei der Gebäudedämmung, im Solarbereich oder der Elektromobilität“, so An­dreas Wolf. „Um auch künftig technologisch an vorderster Frontlinie zu stehen, wird die EJOT-Gruppe den Blick stärker auf die Märkte in Nordamerika und Asien richten.“

Agrodur: Externe Einflüsse können sich täglich ändern

Und auch auf das Geschäftsjahr der Firma Agrodur hatten die externen Einflüsse in 2022, „welche zum Großteil Auswirkungen des Ukraine Konfliktes sind“, Auswirkungen. „Im Besonderen die extremen Preissteigerungen in sämtlichen Bereichen, hier nur die wesentlichen genannt mit Energie, Rohmaterial, Zubehör, Transport und Verpackung brachten Herausforderungen mit sich“, teilt Geschäftsführer Meik Böhl mit. Doch durch den „Anlauf neuer Projekte sowie unseres breitgefächerten Kundenportfolios in Verbindung mit einer fairen Kundenkommunikation, vor allem aber dank unserer Mitarbeiter ist es uns gelungen, dieses für uns alle herausfordernde Jahr zufriedenstellend abgeschlossen zu haben“.

Auf das gerade begonnene Jahr 2023 blickt das Schwarzenauer Unternehmen dennoch positiv: „Unsere Planung für 2023 lassen uns mit den Erfahrungen aus 2022 optimistisch bleiben. Allerdings ist die Lage extrem unsicher und kann sich je nach Entwicklung der externen Einflüsse täglich ändern.“ Besorgniserregend für die Industrie bleiben laut Böhl die Energiepreise und zusätzlich, bezogen auf die heimische Industrie, ganz sicher die katastrophale Verkehrsanbindung.