Hilchenbach. Die Hilchenbacherin Alexandra Lattek musste erst nach Indien reisen, um die alte Heimat für ein spannendes Buch neu zu entdecken.
Um zwischen Heinsberg und Helberhausen um den Dreiherrenstein zu laufen und diese Dreieinhalb-Stunden-Wanderung als „Eskapade“ zu beschreiben, musste sie erst in Indien gewesen sein. Alexandra Lattek ist nicht auf dem direkten Weg zu dem Auftrag gekommen, die Eskapaden-Reihe des DuMont-Verlags um einen Band zum Naturpark Sauerland-Rothaargebirge zu ergänzen. Und sich dafür 52 Eskapaden, für jede Woche des Jahres eine, in Gestalt von kürzeren Abstechern, längeren Ausflügen und Wochenendtripps auszudenken. Und die Leute bitte dabei nicht nur im Kreis laufen zu lassen. Alexandra Lattek ermuntert zum Wassertreten, Erdbeerpflücken, Inlinern, Stand-Up-Paddling, Baumumarmen, Radfahren, Drahtseilbalancieren, Kajakfahren, Rodeln, Langlaufen und Schneeschuhwandern.
+++Mehr Nachrichten aus Siegen und dem Siegerland finden Sie hier!+++
Nicht, dass ihr das nicht in die Wiege gelegt worden wäre. Vater Gerhard und Mutter Ingrid sind auch heute noch ständig unterwegs, so wie zu Alexandras Kindertagen. „Ich fand das nicht besonders toll“, gibt sie zu. Das änderte sich erst nach dem Abitur in Stift Keppel, dem Studium in Siegen und einem Praktikum in München. „Da habe ich die Liebe zur Natur und zum Draußensein entdeckt.“ Ihr Geld verdient die inzwischen selbstständige PR-Frau vor allem mit Aufträgen von technischen Unternehmen. Als zweites Standbein baut sie sich als Reise- und Lifestylebloggerin auf. Weil sie schon oft in Indien war, bekommt sie den Auftrag, den Marco-Polo-Indieführer zu überarbeiten. Und so hat sie den Fuß drin bei Du Mont und den Eskapaden.
+++ Lesen Sie auch: Wandern rund um Siegen: Die besten Tipps für tolle Touren +++
So entstehen Eskapden
2021 und 2022 ist sie so oft und so lange in Hilchenbach wie bestimmt seit Jahren nicht mehr. Nachdem die 52 Touren durch den Naturpark verabredet waren, „bin ich losgezogen und alles abgelaufen“. Geschichten auf dem Weg entdecken und erzählen, fotografieren, die Strecke natürlich aufzeichnen, damit sich Nach-Wanderer die GPS-Daten in die gängigen Apps laden können – das ist schon ernst gemeint mit den Eskapaden. Die erste Tour lässt Alexandra Lattek im Frühjahr – nach dem langen Lockdown-Winter 2021 – quasi hinter dem Elternhaus in Heinsberg beginnen. Sie erzählt über die Sprachgrenze zwischen Siegerland und Sauerland, das Aquädukt für den Kränkelsbach, als die Bahnlinie von Altenhundem nach Birkelbach gebaut wurde und der längst stillgelegte Eisenbahntunnel („Ein Lost Place“), über den Dreiherrenstein-Podcast und die Rothaarhütte. Langweilig wird das nicht.
Das überrascht in Hilchenbach
Die „Eskapaden“ sollen durchaus auch Einheimische überraschen. Und trotzdem nicht auf die „Klassiker“ verzichten. „Ich war überrascht, wie viele Wege es inzwischen zu Giller und Ginsburg gibt.“ Von wegen Zollposten und dann geradeaus hoch. Da ist zum Beispiel der Jung-Stilling-Pfad von Grund über die Kronprinzeneiche zur Ginsburg und dann herunter zum Wassertretbecken ins Insbachtal. Oder der Weg vom Lützeler Wunschstuhl, unweit der Liftschänke,, um die Heide herum zum Backes und dann zurück über den Gillerturm. Drei Stunden für drei Kilometer? Klar, ein Picknick ist mit eingeplant. „Am schönsten an Sommerabenden.“ Eskapaden müssen nicht anstrengend sein.
+++ Lesen Sie auch: Rund um Siegen: Wir haben die 50 schönsten Wandertouren +++
So sehen kleine Urlaube aus
Für die Mini-Urlaube hat Alexandra Lattek Sommerwochenenden im Baumhaus am Sorpesee ausgesucht, ein Schlaf-Fass auf dem Campingplatz an der Bigge oder im Schäferwagen auf der Alpaka-Farm in Kierspe. Aber auch für den „Romantischen Hickengrund“ empfiehlt die Hilchenbacherin zwei Tage mit Übernachtung im Apfelbaumzimmer beim Fiester Hannes in Holzhausen. Es sind ja nicht nur 24 Kilometer durch den Hickengrund, sondern auch fünf Hörstationen mit Gedichten und Hörcollagen aus der Romantik. „Das war für mich ein Highlight“, sagt Alexandra Lattek – und auch eine Neuentdeckung: Der Siegerländer Süden liegt nicht im Hilchenbacher Radius, da geht man eher mal rüber ins benachbarte Sauerland.
Darauf muss man kommen
Unter den Ausflügen – für etwa zwölf Stunden – bekommt das Müsener Naturfreibad ein eigenes Kapitel. Man muss dafür nicht viel organisieren, der Weg dorthin erklärt sich von selbst. „Es gibt nur wenige Entscheidungen, die an einem Badetag in Müsen zu treffen sind; dazu gehört die Frage: Liegewiese oder Standkorb? Mit den Siebensachen unter die blau-weiß-gestreifte Markise ziehen, Buch auf dem hölzernen Klapptischschen ablegen, die Füße im Sand eingraben – so fühlt es sich fast an wie am Meer.“ Alexandra Lattek wird ein bisschen poetisch, wenn sie den Sommertag in Müsen schildert und den Pommes eine Ode schreibt: „Salzig, leicht fettig, außen knusprig, innen weich. Frittierte Sonnenstrahlen eben.“ Und eine Neuentdeckung. „Ich war früher nie in Müsen.“ Hilchenbacher Teenager haben ihr Revier im Hilchenbacher Freibad.
Von daher werden manche der 52 Eskapaden im Naturpark Sauerland-Rothaargebirge auch für Einheimische Überraschungen bergen. Spätestens, wenn es an den Hennesee und in die Medebacher Bucht, zu den Bruchhäuser Steinen oder nach Winterberg geht. Alexandra Lattek hat sich selbst nach getaner Arbeit eine Eskapaden-Auszeit gegönnt: Wandern mit den Eltern in der Normandie und an der Amalfi-Küste. Und als Geschenk zum 50. Geburtstag nach New York.
Alexandra Lattek, 52 kleine & große Eskapaden Rothaargebirge & Sauerland: Ab nach draußen! Du Mont Eskapaden, 16,95 Euro. Der Reiseblog von Alexandra Lattek: www.travelingtheworld72.de
+++Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook!+++