Eichen. Wofür gibt die Stadt Geld aus? Und was bekommen die Menschen dafür? Wir schauen hinter die Kulissen. Heute in der Kita Regenbogen in Kreuztal.

Anette Meier weiß, dass sie gleich improvisieren muss. Bei der Igelbande „muss ich auffüllen“, sieht sie beim Blick auf die aktuellen Krankmeldungen. Abgezogen wird die Kraft aus dem Spatzennest. Mittags, überlegt sie, könnte eine Kollegin aushelfen, wenn „ihre“ Kinder Mittagsschlaf machen. Und dort… Nein, „in der Eingewöhnungsphase kann ich niemanden aus der Gruppe herausholen“.

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Ein ganz früher Morgen im Regenbogen in Eichen, mit fünf Gruppen und 93 Kindern Kreuztals größte städtische Kita. Um sieben Uhr sind die ersten drei Erzieherinnen schon gekommen, ab 7.30 Uhr sind alle Gruppen geöffnet. Nach und nach bringen Mütter (meistens, und wenige Väter) ihre Kinder vorbei, wann’s am besten passt. „Wir wollen familienunterstützend arbeiten“, sagt Anette Meier und zählt nach, wie viele Kinder heute fehlen werden. „Die Erkältungswelle merkt man gewaltig.“ Denn um kurz nach acht Uhr muss der Caterer Bescheid wissen, wie viel Mittagessen er liefern soll.

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Reinkommen

Der Tag beginnt. In der einen Gruppe ist heute vielleicht Obsttag, vielleicht wird auch gekocht. Eine andere Gruppe geht in den Bewegungsraum. Die einen basteln, die anderen machen Experimente. „Man nimmt sich halt was vor für den Tag“ sagt Anette Meier. Brandschutz, Verkehrserziehung, Ernährung bringt das Team von sich aus immer wieder ins Programm.

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Manches gibt der Jahreslauf vor: den großen Laternenumzug zum Beispiel und die Frage, was man mit Kastanien so alles machen kann, Manches Thema kommt auf Initiative der Kinder in den Regenbogen – zum Beispiel, wenn jemand ein neues Geschwisterchen bekommen hat. „Unsere Aufgabe ist zu schauen, was ist gerade wichtig für die Kinder“, sagt Anette Meier. Das könne auch sehr ernste Themen wie die Trennung der Eltern oder eine schwere Erkrankung in der Familie sein. „Da muss man sehr sensibel vorgehen.“ Vor allem genau hinschauen. worüber ein Kind in der Kita sprechen will – und worüber nicht. Themen haben so ihre Konjunkturen. „Vor den Ferien war auch die Polizei ein großes Thema." Da gab es in einer Gruppe sogar ein Gefängnis. „Nach den Ferien war das vorbei.“

Geld

Im Etat für die Kinder-, Jugend- und Familienhilfe sind die elf städtischen Kitas ein großer Ausgabenposten.Darüber hinaus beteiligt sich die Stadt aber auch an den Betriebskosten für die neun Kitas von freien Träger wie AWO, Kirche oder ALFHinzu kommen die städtische Jugendarbeit, unter anderem mit den Jugendtreffs, die Spiel- und Bolzplätze und das Familienmanagement. Der Kreis Siegen-Wittgenstein erstattet der Stadt den Großteil der Kosten für ihre Kindergärten – auf der anderen Seite muss die Stadt dafür aber dem Kreis die Arbeit des Jugendamtes bezahlen, die Kreisumlage.

Vormittag

In der Igelbande mümmeln noch ein paar Kinder an ihren Äpfeln, andere spielen mit der Eisenbahn, legen Puzzlestücke zusammen oder basteln Armbänder. Zwischen 9 und 10 Uhr wird gefrühstückt, die älteren Kinder bestimmen das selbst. Im Eingangsflur ist immer noch Bewegung. Eine Mutter orientiert sich mit der kleinen Tochter am Speiseplan: Montag gibt es Hähnchenschnitzel, Freitag Jumbo Fischsticks. Eine andere schaut auf den Veranstaltungsplan: Yoga, Logopädie, Ergotherapie, der monatliche Naturerlebnisvormittag mit den Vorschulkindern und die Babymassage – denn der Regenbogen ist auch Familienzentrum, auch für Eltern und Familien aus dem Stadtteil, die (noch) keine Kinder in dieser Kita haben.

Anette Meier hat 1985 mit dem Anerkennungsjahr im Regenbogen angefangen. Da war der Kindergarten, der 1959 für drei Gruppen gebaut wurde und noch zwei Mietwohnungen im Haus hatte, schon auf vier Gruppen gewachsen. Damals, so erinnert sich die Kita-Leiterin, war der Fernseher, auf dem Videos aus der „Sendung mit der Maus“ abgespielt wurden, noch etwas Besonderes.

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Heute macht man Medienerziehung. „Wir haben uns jetzt für alle Gruppen Tablets angeschafft.“ Für die Apps zur Pflanzenbestimmung, zum Beispiel. Aus der Kita-Mappe von damals, die die Kinder zur Erinnerung an ihre Kindergartenzeit mitnehmen, wird gerade ein digitales „Portfolio“. Vieles bleibt aber auch. „Der Herbst, der Herbst ist da...“, haben sie schon damals gesungen.

Nachmittag

Es geht auf den Mittag zu. Um halb zwölf essen die Ersten, um eins die letzten. Danach ist Mittagsschlaf oder zumindest Ruhezeit. „Kindergarten ist Arbeit für die Kinder“, weiß Anette Meier, „das ist richtig anstrengend.“ Die Vorschulkinder, die nicht mehr schlafen, hören vielleicht ein Hörspiel. Ab 14.30 Uhr gehen die Kinder, für die 35 Stunden in der Woche gebucht sind – gut die Hälfte. Für die 45-Stunden-Kinder ist spätestens um 17 Uhr Feierabend, oder auch schon um 16.30 Uhr, wenn sie schon um 7 Uhr morgens gekommen sind.

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Für Anette Meier könnte es jetzt Zeit sein, sich um ganz Handfestes zu kümmern: Spielzeug bestellen, Farbe, Papier. „Das muss auch organisiert werden.“ Oder mit dem Rathaus Kontakt aufnehmen, über nötige Reparaturen sprechen. Die Urlaube müssen organisiert werden. Von den 27 Schließtagen in jedem Jahr sind drei Wochen im Sommer, in denen aber auch ein Notdienst da ist: „Man kann die Kinder dann ja nicht einfach in einen anderen Kindergarten schicken.“ Alle 14 Tage haben alle Mitarbeiterinnen anderthalb Stunden ohne Kinder, „damit sie sich austauschen und beraten können". Für die Entwicklungsgespräche mit den Eltern müssen wichtige Beobachtungen dokumentiert werden: Wie entwickelt sich das Sprechen, wie findet sich das Kind in der Gemeinschaft zurecht?

Rausgehen

Auf dem Bildschirm auf dem Flur laufen Bilder, jede Woche aus einer anderen Gruppe. „Das ist ein schöner Einblick für die Eltern“, sagt Anette Meier. Im Spatzennest, zum Beispiel, wurde vorige Woche Apfelkuchen gebacken.

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An der Wand sind Fotos, Gesichter des Teams: 21 pädagogische Kräfte, eine Hauswirtschaftskraft, zwei Alltagshelfer für die vielen Handgriffe, die die Pandemie zusätzlich erforderlich macht. „Das hilft uns sehr.“ Ja, sagt Anette Meier, die auch Personalrätin bei der Stadt ist, es ist schwer, Nachwuchs für den Beruf zu finden. „Wir hätten noch eine Anerkennungspraktikantin aufnehmen können, es hat sich aber niemand beworben.“ Wer ohne Abi einsteigt, muss zwei Jahre als Kinderpflegerin oder Sozialassistentin mitbringen, zwei Jahre Berufskolleg und anschließend ein Anerkennungsjahr absolvieren. Die Bezahlung nach faktisch fünf Jahren Ausbildungszeit dazu in keinem Verhältnis, für Alleinlebende werde das Auskommen mit diesem Einkommen knapp.

Kein Mann im Team? Kein Wunder: „Männer bewerben sich in der Regel auf Leitungsstellen“, sagt Anette Meier, schon zur Sicherung des Familieneinkommens. Die Stelle im Regenbogen macht Anette Meier nämlich noch eine ganze Weile nicht frei. Weil ihr der Beruf Freude macht: Ich würde immer wieder hie anfangen.“

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