Siegen. Niemand weiß heute, ob Karstadt in Siegen gerettet wird. Es gibt Gründe dafür – und Argumente, die gegen allzu großen Optimismus sprechen.

Und wieder wird an der Kölner Straße gezittert: Galeria, der Zusammenschluss von Kaufhof und Karstadt, hat sich unter den Schutzschirm begeben; erneut wird ein Insolvenzverwalter Weichen stellen – wie zuletzt erst 2020, als bundesweit über 40 Kaufhäuser geschlossen wurden. Diesmal ist die Rede von einem Drittel der deutschlandweit noch 131 Kaufhäuser. Noch steht der alte und populäre Name an der Fasse in der Kölner Straße. Geworben wird aber mit dem bei der Fusion von Kaufhof und Karstadt geschaffenen neuen Namen „Galeria“.

++Mehr Nachrichten aus Siegen und dem Siegerland finden Sie hier!+++

Ob der Standort Siegen auch dieses Krise übersteht, weiß derzeit niemand. Noch rund 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehören zur Belegschaft des Standorts, der zuletzt auf drei Verkaufsetagen verkleinert worden ist. Aus dem ehemaligen vierten Stock des Kaufhauses ist das Hörsaalzentrum des Uni-Campus Unteres Schloss geworden, das 2020 eröffnet worden ist. Das dürfte die Kosten für die Miete, die Galeria an die „Gesellschaft zur Förderung der Siegener Altstadt (SGFA)“ als Hauseigentümerin zu überweisen hat, reduziert haben. In der SGFA haben sich die Bauunternehmen Runkel, Quast, Hundhausen sowie der Siegerlandfonds der Sparkasse Siegen zusammengeschlossen. Vor Baubeginn des Hörsaalzentrums wurde mit Karstadt ein neuer, langfristiger Mietvertrag abgeschlossen.

+++ Lesen Sie auch: Karstadt-Gebäude wird Hörsaalzentrum der Universität Siegen +++

Mues zuversichtlich, Verdi nicht

„Ich leide mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern“, sagt Bürgermeister Steffen Mues. Sie seien teilweise schon seit Jahrzehnten das Gesicht des Kaufhauses für seine Kundschaft: „Für sie ist das eine ganz fürchterliche Belastung.“ Insgesamt sei der Einzelhandel in einer schwierigen Lage, wobei Siegen noch „relativ gut“ in Vergleich zu anderen Großstadt-Innenstädten dastehe. Siegen sei es gelungen, Aufenthaltsqualität zu schaffen und damit Leerstände abzuwenden. Karstadt selbst habe sich in Siegen neu orientiert und werde durch das Hörsaalzentrum auch eine neue Zielgruppe erschließen können. Noch, so Steffen Mues, seien die Studierenden in der Innenstadt nach zwei Jahren Corona „gar nicht richtig angekommen“, erst in diesem Semester beginne der Regelbetrieb in den neuen Hörsälen. „Ich glaube fest daran, dass Karstadt die Neuausrichtung nicht abbricht, bevor sie überhaupt richtig begonnen hat.“ Im übrigen halte das Kaufhaus – zum Beispiel im Bereich Haushaltswaren und Heimtextilien – ein Sortiment vor, dass es in anderen Geschäften in der Oberstadt längst nicht mehr gebe.

+++ Lesen Sie auch: Siegen: Konsumlaune im Keller, in Läden gehen Lichter aus +++

Verdi Siegen sorgt sich um rund 60 Arbeitsplätze

„Der Drops, irgendwo noch einzusparen, ist ausgelutscht“, glaubt Jürgen Weiskirch, Geschäftsführer der Gewerkschaft Verdi in Siegen. Ob Galeria in Siegen mit dem Sonderstatus am Unteren Schloss und den – nach unbestätigten Informationen – jährlichen immer noch schwarzen Zahlen konzernintern in der Krise nun punkten kann? „Ich sehe das nicht so optimistisch“, sagt Jürgen Weiskirch. Die Sorge um die Arbeitsplätze trifft die Belegschaft mitten in den großen Krisen. Durch Corona, Inflation und explodierende Energiepreise ist der Einzelhandel insgesamt in eine schwierige Situation gerate, die Jürgen Weiskirch auch in der nächsten Sitzung des IHK-Einzelhandelsausschusses ansprechen will: Denkbar sei eine Verständigung auf verkürzte Öffnungszeiten, wenn einmal untersucht worden sei, ob Kosten und Umsatz in den späteren Abendstunden überhaupt noch in einem wirtschaftlichen Verhältnis stehen. „Das Personal könnte dann besser und familienfreundlicher tagsüber eingesetzt werden."

Karstadt in Siegen habe eine bereits langjährig ans Unternehmen gebundene Belegschaft, sagt der Verdi-Geschäftsführer. Für sie andere Arbeitsplätze zu finden, „wird auf dem Arbeitsmarkt nicht einfach". Jürgen Weiskirch glaubt nicht daran, dass noch einmal staatliche Mittel in die Sanierung von Galeria fließen, „wenn nicht wirklich ein guter Plan dahinter steht.“

+++ Lesen Sie auch: Als Kaufhäuser noch in Siegen eine Attraktionen waren +++

Als „Neckermann“ 1971 eröffnet

Das Warenhaus an der Kölner Straße wurde 1971 als Neckermann-Kaufhaus eröffnet. Den Manen Karstadt trug es ab 1977. Hertie und Quelle kamen im Laufe der folgenden Jahre zu dem Konzern hinzu. 2009 stellte die Muttergesellschaft Arcandor erstmals einen Insolvenzantrag, 2010 wurde der Finanzinvestor Nicolas Berggruen neuer Eigentümer, 2014 die Sigma Holding von René Benko. 2019 erfolgte die Fusion mit der Kaufhof AG – der Siegener Kaufhof, zuletzt bis 1999 Kerber, ist heute das Krönchen-Center – zu Galeria. Mindestens fünf Mal in den bisher 15 Jahren seiner Amtszeit, so Bürgermeister Steffen Mues, habe der Standort oder das ganze Unternehmen auf der Kippe gestanden. Und verbindet mit diesen Erfahrungen eine Hoffnung: „Ich glaube, dass der Standort Siegen eine Zukunft hat.“

+++Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook!+++