Wilnsdorf. Eine gemeinsame Tourist-Info für das südliche Siegerland in der Burbacher Vogtei? Wilnsdorf und Neunkirchen sind wenig begeistert.

Dennis Schneider will es wissen: „Können Sie mir sagen, was Sie persönlich reizen würde, hier Urlaub zu machen?“ Adressat der Frage, die das CDU-Ratsmitglied stellt, ist Christian Rast von der Kölner ift Freizeit- und Tourismusberatung. Er hat gerade sein Gutachten zu einer interkommunalen Zusammenarbeit von Burbach, Neunkirchen und Wilnsdorf in Sachen Tourismus vorgestellt – und antwortet ehrlich: „Momentan noch nicht.“ Aber, so fügt er hinzu, „eine Wanderung auf dem Rothaarsteig habe ich schon gemacht.“

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Es wird an diesem Abend kein Votum für die „Touristische Serviceeinheit“ geben: eine gemeinsame Tourist-Info der drei Gemeinden in der Burbacher Alten Vogtei, drei Personalstellen, das Ganze mit einem jährlichen Budget von 120.000 Euro pro Gemeinde, getragen von einem noch zu gründenden Zweckverband. Mit 32 Stimmen (gegen zwei von der LKR-Fraktion) beschließt der Rat eine Vertagung auf die Sitzung, in der auch über den Haushalt beschlossen wird, entweder im Dezember oder Anfang 2023. Ähnlich hat sich zuvor auch die Gemeinde Neunkirchen positioniert. Nur aus Burbach gibt es die positive Empfehlung des zuständigen Fachausschusses. Aber auch dort wird der Gewinn eines gemeinsamen Arbeitens der drei Südsiegerländer Kommunen nicht auf Anhieb gesehen. Neun Ausschussmitglieder stimmten dafür, sieben enthielten sich der Stimme.

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Das sagen die Fachleute

Christian Rast rät zum langsamen Aufbau: „Das geht nicht von heute auf morgen. Sie sind bisher relativ schwach aufgestellt.“ Mit den bisher acht Stunden ihrer Wochenarbeitszeit, die Wirtschaftsförderin Stefanie Wiegel für den Tourismus aufwenden darf, „kann man keine moderne Destination entwickeln.“ Wilnsdorf könne mit seiner Lage am Rothaarsteig punkten: „Der Wandermarkt ist der dynamischste Markt.“ Und zudem ein Markt, der bei der jungen Zielgruppe der unter 30-Jährigen am stärksten wachse. Die Gemeinde müsse dafür gar nicht in der Ferne werben. Noch nie sei das Interesse an Reisezielen im Nahbereich so groß gewesen wir jetzt. „Erholen können sich auch die Menschen, die hier leben.“ Tagestouristen seien es, die den größten Beitrag zur Wertschöpfung leisteten – nicht etwa Übernachtungsgäste.

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1043 Betten in 20 Betrieben mit mehr als zehn Betten weist die Statistik für die drei Kommunen aus. Die Hälfte der Bettenkapazität entfällt auf Burbach , wo das Boarding-House Gewerbepark Siegerland, das Karimu Tagungszentrum und die Familien-Ferienstätte Holzhausen in den letzten Jahren neu entstanden sind. Monteure und Geschäftsreisende sowie Gruppen in den Jugend- und Schulungsheimen machen den Großteil der Gäste aus, heißt es in dem Gutachten. Rund 46.000 Übernachtungen hatte Wilnsdorf 2019, Burbach fast 78.000. Für Neunkirchen macht die offizielle Statistik wegen der zu schmalen Basis keine Angaben. Mit 1,3 Vollzeitstellen für den Tourismus „ist Burbach am weitesten“, stellt Christian Rast fest.

Touristische Service-Einheiten

2014 haben Kreis und Kommunen eine Arbeitsteilung beschlossen, in deren Folge die Tourist-Information im Kreishaus geschlossen wurde. Erfunden wurden drei „Touristische Service-Einheiten“ (TSE): eine für Kreuztal, Hilchenbach, Freudenberg und Netphen, eine für Wittgenstein und eine für das Südsiegerland.

„Die Realisierung der TSE entwickelt sich nach derzeitiger Wahrnehmung und Kenntnis in unterschiedlicher Geschwindigkeit und Konkretisierung“, räumte die Kreisverwaltung 2017 auf Anfrage der CDU-Fraktion ein. Es bestehe aber „derzeit noch keine Veranlassung“, das Konzept aufzugeben.

Netphen hat sich zuletzt 2017 mit seinen TSE-Partnern getroffen. Da war es um eine gemeinsame Wanderkarte gegangen. Man ging mit der Feststellung auseinander, dass das Gebiet für eine Karte zu groß sei. Oder der erforderliche Maßstab zu klein.

Das denkt die Politik

„Wir liegen nicht an der Nord- oder Ostsee, wir haben keine Zugspitze und keinen Geysir.“ Matthias Lohmann (Grüne) äußert Zweifel am Erfolg einer Tourismus-Offensive für Wilnsdorf. „Ich glaube auch nicht, dass jemand, der nach Wilnsdorf fährt, sich vorher vorher bei der Touristikinformation in Burbach informiert.“ Und dann sei da noch die Konkurrenz zu den Online-Portalen.

Christian Rast erwidert: Die Touristiker werden viel digital arbeiten, brauchen aber einen gemeinsamen Ort. Geschäftsreisende und der Seminar- und Tagungsbetrieb seien „sehr lukrativ“, „das Brot- und Buttergeschäft ist der Tagestourismus.“ Überhaupt: „Sie verkaufen sich unter Wert.“ Und: „Burbach ist auch nicht das Garmisch Partenkirchen des Siegerlands.“ „Wir haben darauf gewartet“, freut sich Andreas Klein (LKR), „die Bündelung der südlichen Kommunen ist schon lange überfällig.“ Andreas Weigel (BfW/FDP) sieht vor allem Bedarf für Standortmarketing: „Wie locken wir die Fachkräfte der Zukunft ins Siegerland?“

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Tanja Knipp (CDU) berichtet darüber, was den SGV gerade in Wilgersdorf umtreibt: Ab 2025 laufen die auf zunächst sechs Jahre geplanten Arbeiten für den Neubau des Rudersdorfer Tunnels. Wacholderheide und Haubergspfad seien dann keine attraktiven Ziele mehr. „Der Mehrheit für 120.000 Euro Einsatz erschließt sich für uns in kleiner Weise“, sagt Tanja Knipp, „die Gastronomen hoffen, dass die Arbeiter dann die Zimmer füllen.“

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Gregor Hartmann (CDU) weist auf die schlechte Anbindung für Gäste ohne Auto hin. Christian Rast gibt ihm Recht: Der öffentliche Nahverkehr sei auf dem Land „zu teuer und zu unbequem“. Die Zukunft gehöre „intermodalen Lösungen": dem Leih-E-Bike an Bahnstation und Bushaltestelle. „Zwölf Kilometer sind heute mit dem E-Bike ein Klacks.“

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