Burbach. Kreis Siegen-Wittgenstein sind rechtlich Hände gebunden: Umstrittener Prostitutionsbetrieb in ehemaliger Siegerlandkaserne muss genehmigt werden

Die Baubehörde des Kreises Siegen-Wittgenstein hat die Genehmigung für ein sogenanntes „Laufhaus“ am Siegerlandflughafen erteilt. Wie berichtet war nicht nur die Gemeindeverwaltung alles andere als begeistert von dem Vorhaben auf dem Gelände der ehemaligen Siegerlandkaserne: Auch ein Zusammenschluss von Kirchengemeinden und Gemeinschaften im Raum Burbach hatte erhebliche Bedenken angemeldet, weil der Prostitutionsbetrieb in unmittelbarer Nähe zu einer Flüchtlingsunterkunft entstehen soll. Der Kreis weist darauf hin, dass der Behörde rechtlich die Hände gebunden seien.

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Ein Investor, dem mehrere Gebäude auf dem Areal gehören, möchte eines davon als Laufhaus einrichten: Dabei mieten Prostituierte Zimmer, wo sie sexuelle Dienstleistungen anbieten und dabei als Selbstständige auftreten. Der Eigentümer ist damit kein Bordell-Betreiber, sondern lediglich Vermieter.

Was die Gegner des Laufhauses in Burbach dagegen haben

Die Gemeinde Burbach bringt immer noch viele Flüchtlinge – mindestens auf Zeit – auf dem Gelände unter, das lange als „Erstaufnahmeeinrichtung“ (EAE) des Landes NRW diente. Darunter sind viele Frauen und Kinder, ein Prostitutionsbetrieb in direkter Nachbarschaft lehnt die Gemeinde unter Verweis auf deren besondere Schutzbedürftigkeit (Kriegs- und Fluchterfahrungen, Traumatisierungen) ab.

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Auch mehrere Kirchengemeinden und Gemeinschaften aus dem Raum Burbach hatten sich vehement gegen ein Laufhaus an dieser Stelle ausgesprochen: Sie fürchten insbesondere, dass sich im Umfeld des Laufhauses eine entsprechende, teils auch kriminelle Szene ansiedelt, dass es mehr Straftaten im Zusammenhang mit Drogen und Gewalt geben wird. Außerdem bezweifeln sie, dass die Frauen wirklich selbstständig sind: Vielmehr bestehe das Risiko, dass das Laufhaus nur ein Vorwand sei, um die rechtlichen Bestimmungen an dieser Stelle zu umgehen, dass die Sexarbeiterinnen dennoch wirtschaftlich abhängig sind und sexuell ausgebeutet werden.

Warum dem Kreis Siegen-Wittgenstein rechtlich die Hände gebunden sind

Die Bauaufsichtsbehörde habe die Bedenken, Sorgen, intensiven Diskussionen in der Burbacher Bevölkerung „sehr bewusst“ wahrgenommen, betont die Kreisverwaltung auf Anfrage: „Die geäußerten Befürchtungen nehmen wir ernst.“ Die geltende Rechtslage, darauf hatte der Kreis bereits im Juli hingewiesen, lasse allerdings kaum Ermessensspielraum für eine Entscheidung über den Bauantrag. Gleiches gelte für die „ständige obergerichtliche Rechtsprechung“: Bei Bauvorhaben dürften etwa laut Bundesverwaltungsgericht nur städtebauliche Belange in die Abwägung einbezogen werden. Und das gilt auch für Bordelle und „bordellähnliche Betriebe“ wie ein Laufhaus.

Bei dem fraglichen Gebäude handelt es sich zwar um einen eigenen Komplex – der aber direkt neben anderen Immobilien liegt.
Bei dem fraglichen Gebäude handelt es sich zwar um einen eigenen Komplex – der aber direkt neben anderen Immobilien liegt. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Sittliche oder moralische Belange seien daher nicht relevant dafür, ob ein Bauvorhaben zulässig ist oder nicht. Ebensowenig das Risiko von „milieubedingten Begleiterscheinungen“ wie etwa einem Anstieg der Kriminalität. Mit solchen Gefahren müsse immer gerechnet werden, es sei Aufgabe der Ordnungsbehörden, diesem dann im konkreten Fall zu begegnen, so die Auffassung der Gerichte.

Warum dem Kreis Siegen-Wittgenstein rechtlich die Hände gebunden sind

Maßgeblich für die Entscheidung sei daher die Frage, ob das Laufhaus mit dem geltenden Bebauungsplan (hier: „Mischgebiet“) vereinbar ist. Was der Fall sei. Denn Bordelle und bordellähnliche Betriebe sind rechtlich keine Vergnügungsstätten, sondern „in der sozialen und ökonomischen Realität vorkommende Nutzungen“, wie es das Bundesverwaltungsgericht formuliert. Planungsrechtlich seien sie „Gewerbebetrieben aller Art“ zuzuordnen.

Ob zulässig oder nicht sei abhängig von der Betriebsstruktur und von möglichen Störungen auf das Gebiet. Gebäude, die nur vorübergehend genutzt werden – wie die Flüchtlingsunterkunft – seien kein Hinderungsgrund. Nach Prüfung von unter anderem Brandschutz, Betriebsstruktur und Sicherheitskonzept gebe es keine Gesichtspunkte, die das Vorhaben verhindern könnten, so der Kreis. Der Investor als Antragsteller habe Anspruch auf die Genehmigung – so wie jeder andere, dessen Bauvorhaben nicht im Widerspruch zu städtebaulichen Gründen stehen.

Was die Gemeinde Burbach und die Kirchengemeinden zur Laufhaus-Entscheidung sagen

Die Gemeindeverwaltung bedauert die Entscheidung, ein Laufhaus im Gewerbepark Siegerland, der ehemaligen Siegerlandkaserne, einzurichten. Die Entscheidung habe man allerdings vor dem Hintergrund der rechtlichen Bewertung des Kreises auch erwartet, heißt es in einer Stellungnahme. Ob die von der Gemeinde, von Kirchengemeinden und anderen Gruppierungen geäußerten Bedenken rechtlich ausreichend Berücksichtigung gefunden haben, könne derzeit noch nicht bewertet werden, da keine offizielle Stellungnahme des Kreises vorliege – ebensowenig wie die Genehmigung selbst. Man habe am Montag lediglich eine kurze Mail erhalten. Die Gemeinde behält sich auch eine juristische Überprüfung vor.

Zudem wäre es wünschenswert gewesen, dass der Kreis das Thema vor der Genehmigung „in seiner Bedeutung angemessen“ kommuniziert hätte, heißt es weiter: Die Bedenken der Bevölkerung, gerade der Kirchengemeinden, seien deckungsgleich mit denen der Kommune. „Wir sind deshalb offen für weitere gemeinsame Appelle an den Betreiber des Laufhauses sowie den Eigentümer der ehemaligen Siegerland-Kaserne, das Vorhaben noch einmal zu überdenken“, sagt Bürgermeister Christoph Ewers. Darüber hinaus soll die Problematik der Ausbeutung durch Prostitution in einer gemeinsamen Veranstaltung thematisiert werden.

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Pfarrer Jochen Wahl betont für die Kirchengemeinden und Gemeinschaften, dass es ihnen nicht darum gehe, Prostituierte zu verdammen. Natürlich gebe es auch im Südsiegerland etwa sogenannte „Terminwohnungen“. Man lege Wert auf den Schutz der Geflüchteten vor dem Hintergrund ihrer oft traumatischen Erfahrungen im Heimatland und auf der Flucht. Man werde nun, gemeinsam mit der Gemeinde Burbach, überlegen wie man weiter agiere.