Burbach. In der ehemaligen Siegerlandkaserne Burbach ist ein „Laufhaus“ geplant. Dagegen regt sich Widerstand: Dort leben Geflüchtete, auch viele Kinder.

In der Gemeinde Burbach regt sich Widerstand gegen ein geplantes Laufhaus auf dem Gelände der früheren Siegerlandkaserne, das nach wie vor als Flüchtlingsunterkunft genutzt wird. Rechtlich hat die Gemeindeverwaltung aber derzeit keine Handhabe, das Vorhaben zu verhindern. Letztlich entscheidet der Kreis.

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Ein Laufhaus ist ein Bordell, in dem Prostituierte selbstständig Zimmer anmieten und ihrer Arbeit nachgehen. Der Betreiber, nach Informationen dieser Zeitung von außerhalb Burbachs, dem wohl auch mehrere Gebäude auf dem Areal gehören, hat den entsprechenden Bauantrag bei der dafür zuständigen Kreisverwaltung Siegen-Wittgenstein gestellt, im Bau-Ausschuss der Gemeinde Burbach wurde nichtöffentlich darüber berichtet.

Ein Laufhaus ist keine Vergnügungsstätte – die Gemeinde Burbach ist erstmal machtlos

Ursprünglich habe man gehofft, dass das Vorhaben über den Bebauungsplan verhindert werden könne, so Bürgermeister Christoph Ewers auf Anfrage; wie sich aber herausstellte, ist das nicht möglich. Zwar können damit Vergnügungsstätten im Gültigkeitsbereich des Bebauungsplanes ausgeschlossen werden – ein Laufhaus zählt allerdings im Sinne des Planungsrechts nicht als Vergnügungsstätte – anders als beispielsweise ein Swingerclub. Der Eigentümer ist also nicht Betreiber, sondern tritt nur als Vermieter entsprechender Räume auf.

Die ehemalige Siegerlandkaserne wurde einige Jahre Erstaufnahmeeinrichtung des Landes NRW genutzt.
Die ehemalige Siegerlandkaserne wurde einige Jahre Erstaufnahmeeinrichtung des Landes NRW genutzt. © Hendrik Schulz

„Wir haben den Kreis gebeten, den Kreis zu prüfen, ob die Genehmigung versagt werden kann“, sagt Christoph Ewers. Denn nicht nur die Gemeindeverwaltung hat erhebliche Sorgen angesichts des Laufhaus-Vorhabens: „Wir bringen nach wie vor viele Flüchtlinge auf dem Gelände unter“, so der Bürgermeister – zumindest auf Zeit. Die ehemalige Siegerlandkaserne ist zwar nicht mehr Erstaufnahmeeinrichtung des Landes (EAE), aber nach wie vor werden den Kommunen Geflüchtete mit Wohnsitzauflage zugewiesen; bis Wohnraum gefunden ist, leben viele von ihnen eine Weile in der ehemaligen Kaserne.

Burbacher Kirchengemeinden in großer Sorgen wegen geplantem Laufhaus-Bordell

Unter den Geflüchteten sind viele Frauen und Kinder, berichtet Christoph Ewers – in diesem Umfeld sei ein Laufhaus sicher keine gute Idee. Die Flüchtlinge sprechen oft nicht gut Deutsch, verstehen auch womöglich diese Art der Nachbarschaft nicht, von der zumindest auch nicht ausgeschlossen werden könne, dass sich in der Folge eine Szene dort ansiedelt, die man noch weniger dort haben wolle. Das fragliche Gebäude ist zwar ein eigenständiger Komplex, befindet sich nach Angaben des Bürgermeisters aber auf dem Gelände der ehemaligen Erstaufnahmeeinrichtung.

Auch zahlreiche Burbacher Kirchengemeinden äußern große Sorge angesichts dieser Entwicklung (siehe unten). Soweit ihnen das bekannt sei, wurde das fragliche Kasernengebäude an den neuen Eigentümer unter der Bedingung verkauft, dass dort vom Nachnutzer keine Vergnügungsstätte wie ein Swingerclub oder ein Casino eingerichtet und betrieben werden darf – diese Vorgabe scheine der neue Besitzer damit umgehen zu wollen, dass ein Laufhaus eben im rechtlichen Sinne keine Vergnügungsstätte ist. Die Gemeinden fürchten, dass die Sexarbeitenden faktisch nur scheinselbstständig dort tätig sein werden, „die diese nicht vor wirtschaftlicher Abhängigkeit von Dritten und sexueller Ausbeutung schützt“, heißt es in dem vom Burbacher Pfarrer Jochen Wahl unterzeichneten Schreiben. „Dies ist unseres Ermessens im Sinne des Menschenrechts völlig inakzeptabel und kann nicht im Sinne der Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Burbach sein.“ Durch ein Laufhaus sollten solche Abhängigkeiten keinesfalls unterstützt werden.

Gemeinden: Im Sinne der Kinder wäre Laufhaus in Burbach verantwortungslos

Auch um die Geflüchteten sorgen sich die Kirchengemeinden: „Besonders der Schutz der oft durch Fluchterfahrungen oder Kriegsereignisse traumatisierten Kinder ist den Bürgerinnen und Bürgern sowie der Gemeindeverwaltung Burbach ein großes Anliegen und eine Verpflichtung“, heißt es weiter – ein Laufhaus und „das hierdurch geförderte soziale Umfeld (Stichworte: Drogen, Gewalt, Ghettoisierung, Clan-Bildung…) könne zu Retraumatisierung oder anderen psychischen Schädigungen führen. „Das jedoch wäre hochgradig verantwortungslos gegenüber Kindern, deren Schutz der Gemeinde Burbach ein besonderes Anliegen ist.“

Die Gemeinden warnen in ihrer Stellungnahme „eindringlich vor der Einrichtung eines Laufhauses an dieser Stelle“ und bitten die Bevölkerung Burbachs, „ihre Stimme ebenfalls gegen dieses Vorhaben zu erheben, um den Plan des Eigentümers möglichst zu verhindern“. Zu den Unterzeichnern gehören die Ev.-Ref. Kirchengemeinde Burbach, Ev. Kirchengemeinde Niederdresselndorf, FeG Lützeln, EFG Hickengrund, Ev. Gemeinschaft/CVJM Holzhausen, Ev. Gemeinschaft Niederdresselndorf, Evangelisch-methodistische Kirche im Hickengrund (Oberdresselndorf) und weiterer CVJMe und Gemeinschaften im Burbacher Raum.

Kreis Siegen-Wittgenstein kann Burbach kaum Hoffnung machen

Die Kreisverwaltung könne die Sorgen und Bedenken nachvollziehen, als Bauaufsichtsbehörde sei sie aber ausschließlich an geltende Gesetze, Verordnungen und Gerichtsentscheide gebunden, so Kreis-Pressesprecher Torsten Manges auf Anfrage. Insbesondere für Sorgen und Befürchtungen rund um die Fragen der wirtschaftlichen Abhängigkeit und sexueller Ausbeutung der Prostituierten sowie möglicher negativer Auswirkungen auf Flüchtlingsfamilien in den Nachbargebäuden habe man großes Verständnis – der Kreis könne und dürfe aber bei ihrer Entscheidung über die Zulässigkeit ausschließlich Bauplanungs- und -ordnungsrecht berücksichtigen. Die Gebäude liegen im Gebiet eines rechtskräftigen Bebauungsplans und es handelt sich gemäß höchstrichterlicher Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei Prostitutionsbetrieben ausdrücklich nicht um Vergnügungsstätten, sondern um Gewerbebetriebe.

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Es gibt hohe Anforderungen, die Genehmigung dennoch zu verweigern: Beispielsweise, wenn das Gebiet ansonsten überwiegend zum dauerhaften Wohnen genutzt würde – was hier nicht der Fall sei. Die Prüfung der Bauaufsichtsbehörde werde sehr zeitnah abgeschlossen – und unter rein baurechtlichen Gesichtspunkten getroffen. „Die zu Recht diskutierten ethischen und moralischen Fragen dürfen bei der städtebaulichen Abwägung keine Rolle spielen.“