Siegen. Der DeLorean aus „Zurück in die Zukunft“ hat es nur in der Playmobil-Version in die City-Galerie geschafft. Dort beginnen ganz weite Zeitreisen.
Nein, der DeLorean DMC-12, den Dr. Emmett L. Brown zur Zeitmaschine umgebaut hat, steht nicht in der City-Galerie. Als Appetitmacher auf diese Zeitreise muss eine Miniatur herhalten, immerhin etwas größer als der Matchbox-Maßstab. Playmobil eben. Aber was ist schon „Zurück in die Zukunft“ gegen die Zeitreise, die man hier unternehmen kann?
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Die Holsterburg bei Warburg. Ein Kind spielt auf dem offenen Verbindungsgang zum Bergfried. Plötzlich geben die Wachleute Alarm. Ein Katapult ist auf die Burg ausgerichtet, Gefahr droht Bewohnern und Soldaten…. Zu gefährlich. Dann lieber raus aus dem Mittelalter, von 1299 weiter zurück nach 11 vor Christus zu den Römern bei Haltern. Zwei Soldaten spielen zum Zeitvertreib vor ihrem Zelt. Dann kommt der Feldherr Drusus, und eine unwirkliche Frauengestalt verstört die Legionäre. Eine germanische Weissagerin? Wer weiß – weiter geht es mit der Zeitmaschine in die Steinzeit. Das Großsteingrab „Große Sloopsteene“ in Lotte-Wersen im Osnabrücker Land wird 3500 vor Christus errichtet. Der letzte tonnenschwere Findling wird verbaut, mit Seilen, Rollen und Hebeln und unter Einsatz vieler Helfer. Vögel segeln durch die Luft, direkt neben dem Betrachter steht ein kleiner Junge, der Beigaben in ein Grab legt.
Das waren, mit Hilfe der VR-Brille, locker 5.000 Jahre. Was sind dagegen die Abenteuer von Marty McFly? Einmal ging es von 1985 nach 1955, danach 2016, schließlich nach 1885. Heute wissen wir – im Gegensatz zu Michael J. Fox und seinem Helden im Film von 1985 – wie 2015 wirklich war. Bei der Archäologischen Zeitreise, die bis Samstag in der Siegener City-Galerie stattfindet, trumpfen die Wissenschaftler richtig auf: Von wegen Phantasie – hier stimmt alles, „Wir bringen hochkarätiges Wissen ein“, sagt Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger. Die Kulturdezernentin des Landschaftsverbandes ist selbst Archäologin, sie berichtet über moderne Techniken der Recherche bis hin zur DNA-Analyse: „Wir wissen heute, wie die Menschen damals aussahen.“
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Nicht nur Scherben gucken
Jede der drei Zeitreisen dauert nur drei Minuten und ist ein Vorgeschmack auf das, was es sonst noch gibt: Filme über die Grabungen der Archäologen im Netz. Oder, ganz in der Nähe, im Wilnsdorfer Museum die virtuelle Reise in die Maschinenhalle der Grube Landeskrone. Um auch andere für Archäologie zu begeistern, wollen die Wissenschaftler Bilder in die Köpfe zaubern. „Damit die Menschen nicht nur Texte lesen und Scherben angucken müssen“, sagt die Landesrätin. Was nicht daran hindern soll, sich die Schauplätze selbst anzusehen: Die Relikte liegen an den originalen Fundstätten. Und in den Museen – womöglich macht die Zeitmaschine auch darauf neugierig.
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„Wenn man sich das aufsetzt, ist man mittendrin“, wirbt Dr. Aurelia Dickers für die VR-Brille. Sie ist Vorsitzende der Altertumskommission des Landschaftsverbandes, die sich (und damit ihren Gästen) das Zeitreise-Projekt zum Geburtstag geschenkt hat, zum 125. Geburtstag. „Das waren die ersten professionellen Archäologen, die in Westfalen gearbeitet haben“, weiß Prof. Dr. Michael Baales, Leiter der Außenstelle Olpe der LWL-Archäologie.
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Anfangs war es vor allem die Bodendenkmalpflege, um die sich die Mitglieder gekümmert haben, heute steht die Forschung im Vordergrund. In die wissenschaftliche Kommission – eine von sechs in Westfalen, die insgesamt um die 400 Forscher um sich versammeln – werden nicht nur Akademiker berufen, sondern auch kundige Laien: Einer von ihnen ist Rolf Golze vom Müsener Altenberg- und Stahlberg-Verein. Dank des Siegerland-Projekts der Olper LWL-Archäologen ist das Graben nach der Geschichte hier alles andere als unbekannt: Die prominenteste neue Dokumentation („Ein Siegerländer Tal“) entsteht gerade im Gerhardsseifen bei Niederschelden.
Die Kunsthistorikerin Dr. Anna Lammers hat das Zeitreisen-Projekt entwickelt, das nach Münster, Bielefeld und Bocholt in Siegen seine vierte Station hat und nächste Woche in Dortmund im Ziel einläuft. „Das ist ein Anfang“, sagt Dr. Aurelia Dickers. Wissensvermittlung auf neue Beine stellen, mit Fakten unterhalten – die archäologische Zeitmaschine zieht schon jetzt alle Register: Website, Instagram-Serie „Show&Tell“, You-Tube-Serie mit Dokumentarfilmen. Und wer selbst eine VR-Brille besitzt, soll die Zeitreisen demnächst sogar im App-Store kaufen können. Um das Ende der Holsterburg zu Hause zu erleben.
Ach, der DeLorean DMC-12? Von dem hat die Altertumskommission sich tatsächlich ein Original geliehen. Er hat nur nicht reingepasst in die City-Galerie. Zurück in die Steinzeit funktioniert aber auch so.
Weitere Infos: www.zeitmaschine.lwl.org, www.altertumskommission.lwl.org, www.lwl-archaeologie.de
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