Kreuztal. Kreuztaler Beratungsstelle berichtet: Bei sexueller Gewalt sind die Täter selten Fremde – aber oft die Väter der betroffenen Mädchen.

116 Ratsuchende, bis auf sechs Jungen ausschließlich Mädchen und junge Frauen bis 26 Jahre, hat die Beratungsstelle für Mädchen in Not im vorigen Jahr unterstützt. Wie schon 2020 liegt die Zahl um etwa 20 Prozent über dem langjährigen Durchschnitt – was aus Sucht der Beraterinnen mit den veränderten Lebensbedingungen seit Ausbruch der Corona-Pandemie zu tun haben könnte.

+++Mehr Nachrichten aus Siegen und dem Siegerland finden Sie hier!+++

Wer sucht Rat?

33 Ratsuchende wohnen im Siegener Stadtgebiet, 19 in Kreuztal, 11 in Hilchenbach. Die anderen kommen aus anderen Kommunen des Kreisgebietes, 13 aus Kommunen außerhalb Siegen-Wittgensteins. Vor allem Mütter knüpfen den ersten Kontakt zur Beratungsstelle (28 Fälle), dann andere Institutionen (25) und Schulen (24). In 24 Fällen haben die betroffenen Mädchen von sich aus Hilfe gesucht. Von den betroffenen Personen, die im vorigen Jahr unterstützt wurden, waren 34 zwischen 15 und 18 Jahren alt, weitere 30 zwischen 11 und 14. Dass jüngere Kinder weniger stark vertreten seien, „bedeutet nicht, dass jüngere Kinder seltener von sexualisierter Gewalt betroffen sind“, betont der Bericht. Kinder in jungem Alter könnten viel leichter von Tätern unter Druck gesetzt und so daran gehindert werden, sich gegenüber Dritten anvertrauen zu können. Oftmals suchten junge Frauen Hilfe in der Beratungsstelle, die in ihrer Kindheit sexualisierte Gewalt erlebt haben, damals jedoch keine Ansprechpartnerin fanden.

+++ Lesen Sie auch: Kreuztal: Beratungsstelle für Mädchen in Not beklagt Mangel +++

Was sind Anlässe für die Suche nach Beratung?

Sexualisierte Gewalt wurde 2021 in 66 Fällen genannt. In 35 Fällen erlebten oder erleben die Betroffenen psychische oder physische Gewalt. In 18 Fällen suchten Erziehungsberechtigte Unterstützung, um mit auffälligen Verhalten ihrer Kinder umgehen zu können.

Kontakt

Die Beratungsstelle für Mädchen in Not hat ihren Standort in der Moltkestraße 11 in Kreuztal. seit 2021 gibt es auch ein Außenbüro in den Räumen des VAKS in Siegen, Sandstraße 28. Die Beratungsarbeit leisten Duygu Gözler, die während ihrer Elternzeit von Katharina Heinrich vertreten wird, und Melissa Thor.

Angeboten wird kostenlose sozialpsychologische und sozialpädagogische Betreuung, männliche Ratsuchende werden nach dem Erstgespräch an andere Stellen weitervermittelt.

Die Beratungsstelle in Kreuztal ist montags bis mittwochs von 9 bis 17, donnerstags von 9 bis 18 und freitags von 9 bis 15 Uhr geöffnet. 02732/4133, info@maedchen-in-not.de. Termine in Siegen finden nach Vereinbarung statt.

Wer sind die Täter?

Als Täter wurden überwiegend Männer angegeben.. In 34 Fällen von sexualisierter Gewalt gehören die Tatverdächtigen zum sozialen Umfeld der Opfer, weitere 26 waren sogar Familienmitglieder, darunter zwölf Väter und fünf „Vaterersatzpersonen“. Zwei Mal benannten die Klientinnen ihre Lebensgefährten, je einmal die Mutter, einen Onkel und eine Halbschwester. In zehn Fällen kannten die Opfer ihre Peiniger nicht. Ähnlich sieht es bei psychischer und physischer Gewalt aus. Auch hier gehöre der Großteil der beschuldigten Personen zum familiären Nahfeld, „zumeist sogar im gleichen Haushalt, sodass von häuslicher Gewalt gesprochen werden kann“.

+++ Lesen Sie auch: Beratungsstelle Kreuztal: Durch Corona mehr sexuelle Gewalt +++

Wie hilft die Beratungsstelle?

Im vorigen Jahr wurden 187 persönliche Beratungsgespräche geführt. Hinzu kamen 68 telefonische Gespräche und 1620 schriftliche Kontakte, letztere fast ausschließlich über Whatsapp, wenige über Instagram und SMS. „Gerade die jüngeren Klientinnen der Beratungsstelle sind durch pandemiebedingte Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverbote auf schriftlichen Kontakt ausgewichen“, heißt es in dem Jahresbericht. Hinzu kommen 818 Kontakte mit 60 Bezugspersonen aus dem privaten Umfeld der Klientinnen, darunter 41 Mütter und „Mutterersatzpersonen“, und 305 Kontakte mit Bezugspersonen von Institutionen, überwiegend Jugendhilfeeinrichtungen. Hinzugezogen wurden schließlich auch Mädchen- und Frauenhäuser, medizinische und psychiatrische Fachkräfte, Jugendamt, andere Fachberatungsstellen und der Opferschutz der Polizei.

+++ Lesen Sie auch: Kreuztal: „Mädchen in Not“ hat einen neuen Träger +++

Welche Bedeutung hat Aufklärung und Prävention?

Der Bericht von „Mädchen in Not“ ist deutlich: „Durch Kontaktbeschränkungen und die Enge in den eigenen vier Wänden bekam die Gefahr der sexualisierten Gewalt innerhalb der Familie oder Partnerschaft einen neuen Stellenwert in den Medien und der Öffentlichkeit. Kinder und Jugendliche seien über Monate ohne Kontakt zu Lehrern und Vertrauten außerhalb der eigenen Familie gewesen. „Ihnen war es nur unter erschwerten Bedingungen möglich sich jemandem anzuvertrauen und so Hilfe zu erhalten.“ Von 53 geplanten Präventionsveranstaltungen an Schulen und Kindergärten konnten 28 stattfinden. An der Kindelsbergschule in Ferndorf und der Jung-Stilling-Grundschule in Kredenbach bietet die Beratungsstelle Kinder- und Mädchenberatung an. Neun Sprechstunden mit 51 Gesprächen fanden statt, an denen 13 Mädchen und 17 Jungen teilnahmen. Vor allem ging es um Auseinandersetzungen zwischen Schülerinnen und Schülern, in zwei Fällen um häusliche Gewalt.

Wer bezahlt die Beratung?

Die Beratungsstelle für Mädchen in Not , die vom Verein für soziale Arbeit und Kultur Südwestfalen (VAKS) getragen wird, finanziert sich mit Zuschüssen des Kreises Siegen-Wittgenstein und der Stadt Siegen. Dass sich der Kreis Olpe nicht beteilige, sei „besonders belastend“, heißt es im Jahresbericht, da seit Jahren regelmäßig Fälle von dort an die Beratungsstelle herangetragen würden, im letzten Jahr waren es fünf.

+++Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook!+++