Beienbach. Unter der Krise leidet die Direktvermarktung der Landwirte – die Leute schauen aufs Geld. Trotzdem ist auf Beienbachs Feldern viel los.

„Schön, dass man hier so viel ausprobiert“, bedankt sich Manfred Heinz. Die Wassermelone, an der sich SPD-Fraktionschef und weitere Mitglieder der SPD-Fraktion sich am Ende ihres sommerlichen Runde zu den Beienbacher Feldern erfrischen, ist von hier, Thomas Münch hat sie gerade auf dem Gemüsefeld geerntet. Auf 2500 Quadratmetern wachsen hier auch Gurken und alle möglichen Kohlsorten. „Wir haben das in diesem Jahr zum ersten Mal versucht.“ Allerdings mit der Zugabe von 110.000 Litern Wasser. „Da läuft die Wasseruhr.“ Der Chinakohl hats trotzdem nicht geschafft.

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Eigentlich, sagt Henner Braach, habe er einen „ganz normalen landwirtschaftlichen Betrieb“. Gemischt hat, mit 40 Kühen, 60 Stück Jungvieh, 40 Hektar Grünland, zehn Hektar Acker. Für Siegerländer Verhältnisse ein mittelgroßer Betrieb, beim Blick aufs ganze Land eher ein kleiner. Der Landwirt aus Beienbach hat den Überblick: Er ist Vorsitzender des landwirtschaftlichen Kreisverbandes und Vizepräsident des westfälisch-lippischen Landwirtschaftsverbandes.

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Beienbacher Spargel ist besonders würzig

Thomas Münch macht den Gemüseanbau auf Braachs Feldern im Nebenerwerb, insgesamt 4700 Quadratmeter hat er gepachtet. Im Frühsommer gab’s auch schon Erdbeeren. An einer anderen Stelle wächst der Spargel. 2400 Pflanzen hat er vor vier Jahren angebaut, in diesem Jahr war die erste Ernte, nebenan wächst bereits die nächste Pflanzen-Generation heran. Die dünnen Stangen – acht bis 15 Millimeter, mehr nicht – kommen an: „Wir haben schon Vorbestellungen für die ersten drei Wochen im nächsten Jahr.“

„Der Spargel von hier ist deutlich würziger als der vom Sandboden“, weiß Henner Braach. Das liegt am Ackerboden. Dass die großen Spargelfelder auf Sand liegen, hat vor allem einen Grund: Die Ernte ist einfacher. „Das Problem hier sind die Steine.“ Da ist viel Handarbeit gefragt, jede Pflanze muss von Hand freigelegt werden. Da schaffen die Erntehelfer allenfalls drei Kilo in der Stunde - auf den großen Plantagen sind es locker zehn. Das macht den Beienbacher Spargel nicht gerade billiger.

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Direktvermarktung wird vielen Menschen nun zu teuer

Dass die Leute Gemüse direkt am Hof kaufen, war gerade während der Pandemie angesagt – die Leute, die monatelang nirgends richtig einkaufen konnten, nutzten das gleich für einen Ausflug. Jetzt sei die Direktvermarktung „schon wieder deutlich rückläufig“. berichtet Henner Braach. „Weil mehr auf den Preis geschaut wird.“ Darunter leiden besonders die Erzeuger von Bio-Lebensmitteln. Deren Arbeit, räumt der Landwirte-Funktionär ein, sei oft „mit viel Idealismus verbunden“. Zur staatlichen Förderung von Bio-Anbau hat CDU-Mitglied Braach allerdings eine eigene Meinung: „Bio-Lebensmittel kaufen tendenziell eher Gutverdienende. Da muss man sich schon fragen, ob man diese öffentlichen Gelder an anderer Stelle vielleicht besser gebrauchen kann."

„Regio ist das neue Bio“, sagt Henner Braach dann auch noch: Früchte, die vor der eigenen Haustür wachsen, haben halt keine langen, umweltschädigende Transporte hinter sich. Bei Thomas Münch darf die Kundschaft übrigens nicht miternten – dafür ist der Anbau zu empfindlich. Am Erntetelefon werden Bestellungen entgegen genommen.

Sebastian Schmeck baut Hanf an.
Sebastian Schmeck baut Hanf an. © Steffen Schwab | Steffen Schwab

Ein Neueinsteiger in die Landwirtschaft

Ein paar hundert Meter weiter: Sebastian Schmeck weiß eigentlich noch nicht so recht, wie das wird mit der Ernte – es ist schließlich seine erste. Hanf hat er angebaut. Nutzhanf, wie er oft betonen muss. Gut wäre ein Gerät, das das obere Drittel der Pflanzen abschneidet. „Wir sind gerade dabei, eine Maschine umzubauen“, sagt Henner Braach. Viel Handarbeit bleibt danach trotzdem noch, um die Nüsse herauszuholen. Speiseöl und Pellets für Pferdefutter wird Sebastian Schmeck anbieten können. Um im nächsten Jahr den Anbau auf einem anderen Viertelhektar fortzusetzen. Die Tiefwurzler, sagt er, „werten den Boden auf für die nächste Frucht.“

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Sebastian Schmeck wird – ganz offiziell – ab Oktober hauptberuflicher Landwirt sein. Auf seinen zwei Hektar zu Hause in Unglinghausen will er sich auf Heil- und Arzneimittelpflanzen spezialisieren. „Die Pflanzen ziehe ich auf dem Deuzer AWO-Gelände vor.“ Sein Umstieg raus aus dem kaufmännischen Job in der Industrie ist so ganz gegen den Trend. Jedes Jahr, weiß Henner Braach, geht die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe um 1,5 Prozent zurück, hier im Siegerland allerdings weniger: „Die Menschen fühlen sich hier noch mehr als Landwirte und weniger Unternehmer“, sagt Braach und kennt auch den Grund: „An Tieren hängt man halt mehr als an einem Stück Land oder an Maschinen.“ Zumal hier niemand so viel Land hat, dass seine Pachteinnahmen höher würden als der Ertrag, wenn er sein Land selbst bewirtschaftet.

Verblühte Schönheit am Wegesrand

Dass es weniger Landwirtschaft, aber mehr Bedarf an Nahrungsmitteln in der ganzen Welt gibt, ist einer der vielen Widersprüche, über die der Landwirt und die Kommunalpolitiker diskutieren. Dass die EU verlangt, vier Prozent der Fläche stillzulegen, wenn weiter EU-Fördermittel fließen sollen, findet Henner Braach auch nicht gut: „Dadurch treibe ich die Preise noch weiter nach oben.“ Ebenso wenig überzeugt ihn die Sache mit der Agri-Photovoltaik, also den Sonnenkollektoren, die über Weiden und Äckern aufgeständert werden. „Natürlich kann man da ein paar Schäfchen drunter laufen lassen.“ Macht man aber nicht, weil die Pacht von den Investoren schon üppig genug sind. Die Schafe wären dann allenfalls Alibi, um eine landwirtschaftliche Nutzung darstellen zu können.

Nur zum Futtern kommen die Kühne in den Stall: Henner Braach stellt der SPD-Fraktion den landwirtschaftlichen Betrieb vor.
Nur zum Futtern kommen die Kühne in den Stall: Henner Braach stellt der SPD-Fraktion den landwirtschaftlichen Betrieb vor. © Steffen Schwab | Steffen Schwab

Die Gruppe geht an einer Blumenwiese vorbei, ein paar Sonnenblumen lächeln den Gästen entgegen. Ein paar Meter weiter wachsen vor allem Disteln. Das ist das, was von einer – eigentlich – fünfjährigen Blumenwiese im zweiten Jahr noch übrig ist. Dasselbe Bild wird die Menschen auch in ihren Ortschaften ereilen. Dass die neuen, für mehrere Jahre gesäten Blumenwiesen so schnell unansehnlich werden, ist zumindest für die Natur nicht schlimm: „Manche glauben, je schöner es aussieht, desto wertvoller ist es“, sagt Henner Braach. Das aber sei „völliger Quatsch“. Noch so eine Sache mit dem Scheinen und dem Sein.

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