Siegen. Jan Haß gibt zu, das Auto falsch geparkt zu haben. Aber 320 Euro für das Abschleppen hält der Siegener für „Abzocke“. Die Kreisbahn widerspricht.

320 Euro, um ein falsch geparktes Auto ein paar hundert Meter abzuschleppen? Unverhältnismäßig findet das der Siegener Jan Haß. Vergangenen Herbst gab es Ärger um eine Vielzahl abgeschleppter Autos, die widerrechtlich auf dem Gelände der Kreisbahn Siegen-Wittgenstein (KWS) auf der Eintracht geparkt waren – Sonntag, 17. Juli, waren Jan Haß und seine Familie betroffen, sie hatten die „Yakari“-Pferdeshow in der Siegerlandhalle besucht.

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„Ich habe Verständnis dafür, dass Falschparker ein dauerhaftes Ärgernis für Sie und Ihre Mitarbeiter sind“, schreibt Jan Haß an Kreisbahn-Geschäftsführer Christian Betchen. Ebenso, dass Gegenmaßnahmen ergriffen werden müssen – er entschuldige sich ausdrücklich für sein Fehlverhalten, das unzweifelhaft vorliege. Aber für die Art und Weise, derart hart zu sanktionieren, fehle ihm das Verständnis.

Abschleppdienst-Gelände in Siegen nur wenige hundert Meter entfernt

Seine Tochter hatte zu ihrem 4. Geburtstag eine Eintrittskarte für die Pferdeshow am Sonntag geschenkt bekommen. Aufgrund der Baustelle und der Parksituation an der Siegerlandhalle – dort befindet sich das Corona-Testzentrum, zudem an diesem Tag mehrere Transportfahrzeuge der Veranstalter – stellte die Familie Haß ihren Wagen an den Rand des Kreisbahn-Parkplatzes unter der HTS. „Wir sind davon ausgegangen, an einem Sonntagnachmittag hier niemanden zu stören“, so der Siegener. „Nach der Veranstaltung war das Fahrzeug dann leider weg.“

Laut eines Zeugen seien während der Veranstaltung knapp zehn Fahrzeuge vom Kreisbahn-Gelände abgeschleppt und, wie sich später herausstellte, zum Grundstück des Abschleppdiensts transportiert, das sich etwa 600 Meter entfernt befindet. Auslösesumme: 320 Euro. „Für eine Minute Anfahrt plus Abschleppen plus eine Minute Anfahrt“, rechnet Jan Haß vor. Er empfindet das als Abzocke, die kaum zu rechtfertigen sei. Der Abschleppauftrag beruht auf einem sogenannten „Universalvertrag“ zwischen Kreisbahn und dem Abschleppunternehmen, das Gelände wird rund um die Uhr überwacht, so die KSW: Deren Beschäftigte arbeiten auch sonntags.

Siegener würde sich bessere Beschilderung am Kreisbahn-Gelände wünschen

Jan Haß kann das nachvollziehen. Es stehen ja vor Ort auch Schilder, die auf das Parkverbot hinweisen, betont er. Einerseits würden aber offensichtlich sehr viele Menschen davon ausgehen, dass Parkplätze in einem Gewerbegebiet zumindest sonntags nicht vollumfänglich benötigt werden. Dass das bei der Kreisbahn anders sei – dort wird auch sonntags gearbeitet –, sei wohl vielen nicht bewusst – entsprechend könnten die Beschilderung angepasst oder andere Maßnahmen wie Ketten, Tore, Schranken ergriffen werden, findet Jan Haß. „Supermärkte bewirtschaften ihre Parkplätze ebenfalls mit privaten Dienstleistern, das massenweise Abschleppen von Fahrzeugen wird dort jedoch selten praktiziert.“ Die Außenwirkung für Besucher von Kulturveranstaltungen könne ja wohl nicht im Sinne von Stadt und Kreis sein.

Und: Eine derart hohe Summe sei gerade in diesen Zeiten eine unverhältnismäßige Belastung für die Bevölkerung, insbesondere bei einem Unternehmen in öffentlicher Hand. „Hier wurden wir und andere Familien mit 320 Euro belastet, die nun zum Leben fehlen, weil die Lebenshaltungskosten explodieren. 320 Euro sind viel Geld!“, so Haß.

Siegener Kreisbahn: Verkehrszeichen sollte man besser immer beachten

Er könne den Ärger sehr gut nachvollziehen, so KSW-Geschäftsführer Christian Betchen. Er verweist auf die Eigenverantwortung jedes Veranstaltungsbesuchers, rechtzeitig An- und Abreise nebst ordnungsgemäßem Parken zu planen. „Die Parkraumüberwachung sanktioniert keine Bürger, sondern gewährleistet die Sicherheit auf einem gewidmeten Eisenbahnverkehrsgelände“ – und die Fürsorgepflicht für die eigenen Beschäftigten, ihre Parkplätze uneingeschränkt nutzen zu können. Das Abschleppunternehmen sei unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten und auch wegen der räumlichen Nähe ausgewählt worden – die Konditionen seien daher als ortsüblich anzusehen.

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Das Gelände sei bewusst nicht eingezäunt, damit es möglichst komplett für Betriebszwecke genutzt werden könne, erläutert Betchen. Es sei auch nicht nötig, ein durch Hochborde vom öffentlichen Raum abgetrenntes und entsprechend beschildertes Privatgrundstück einzufrieden. „Allerdings gehe ich davon aus, dass in unserer Gesellschaft nach wie vor der Konsens besteht, dass Verkehrszeichen zu beachten sind, auch wenn es keine weiteren baulichen Maßnahmen gibt.“ Grundsätzlich sei es nicht zu empfehlen, Verkehrszeichen nur dann zu beachten, wenn sich deren Sinn auf Anhieb erschließe. „Einfach anzunehmen, ein Verkehrszeichen gilt ‘gerade jetzt’ nicht, ist riskant“, so der Geschäftsführer. Er bitte um Verständnis, dass die Kreisbahn auch künftig Sorge tragen müsse, dass auf ihrem Betriebsgelände keine unberechtigten Fahrzeuge parken.