Hilchenbach. Die neuen Gäste brauchen keinen Minigolfplatz: Eröffnet wird in Hilchenbach ein Hotel, in dem die Gäste gepflegt werden.
Das ehemalige Richard-Martin-Haus strahlt in neuem Weiß, mit in Anthrazit gerahmten Türen und Fenstern. Das ehemalige Heim der evangelischen Arbeitnehmerbewegung verwandelt sich in das Pflegehotel Addeberg. Überall ist noch Baustelle: Die Reste des Minigolf-Platzes, an dem sich einst rüstige Rentner vergnügten, werden noch abgeräumt - den Seerosenteich, den Guido Fuhrmann sich zuerst ausgedacht hat, kann mit Rücksicht auf das bis hierhin reichende Wasserschutzgebiet der Breitenbachtalsperre nicht angelehnt werden. Aber einen Rosenlaubengang wird es geben. Und eine Obstbaumwiese. „Die Leute, die hierhin kommen, wollen vor allem Ruhe haben. Sie möchten nicht bespaßt werden.“ Eben keine unternehmungslustigen Senioren. Sondern Gäste, die Pflege brauchen, von Pflegegrad 3 aufwärts.
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Was ist ein Pflegehotel?
Viele aus der Gruppe, die der Einladung der Hilchenbacher Grünen gefolgt sind, sind vom Fach. Sie verstehen, wenn Guido Fuhrmann sagt, dass er die „Kurzzeitpflege ambulantisiert“. Fuhrmann, der früher selbst im Haus Abendfrieden stationäre Pflege angeboten hat, kennt den großen Bedarf an Kurzzeitpflege – und weiß, wie schwierig für Pflegeheime das Angebot solcher Plätze ist. Seine Alternative: ein Wohnangebot, in diesem Fall eben nicht auf Dauer, sondern für kurze Aufenthalte in einem Hotel, das mit Pflegedienst und Tagespflege verbunden wird.
Guido Fuhrmann spricht über die verschiedenen beteiligten Behörden, über Kranken- und Pflegekassen, Tages-, Kurzzeit- und Verhinderungspflege, das WTG-Gesetz (steht für: „Wohn- und Teilhabegesetz“), Abstimmungsbescheinigung und Versorgungsvertrag – es ist halt alles furchtbar kompliziert. Und wiederum ganz einfach: Das Hotel Addeberg ist der Platz, wo Pflegebedürftige auf Zeit wohnen – während ihre sie sonst pflegenden Angehörigen Ferien machen, oder weil sie, gerade aus dem Krankenhaus entlassen, noch nicht wieder allein zu Hause zurechtkommen.
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Wie sieht das Haus aus?
Der ehemalige große Festsaal im Erdgeschoss wird gerade eingerichtet. Hier werden die Hotelgäste empfangen, Mahlzeiten einnehmen könne, fernsehen. Und hier können auch auswärtige Gäste zu Kaffee und Kuchen einkehren, drinnen oder draußen auf dem Altan, der Terrasse auf dem Vorsprung des Untergeschosses, mit Ausgang in den Garten.
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Im Treppenhaus sind die Fensterbilder geblieben: Glasmalereien, die die verschiedenen Handwerkszünfte zeigen – hier bleibt das alte EAB-Heim sichtbar. Nun aber durch eine weitere Verglasung abgedeckt. Die Stufen, die auf der Etage verschiedene Ebenen verbinden, werden mit Treppenliften ausgestattet, zwischen den Stockwerken fährt ein neu eingebauter Aufzug. 26 Zimmer sind in den beiden Obergeschossen entstanden, Einzelzimmer, in denen aber auch Platz für ein zweites Bett für die Ferienbegleitung ist: „Sie können shoppen, Ihr Mann wird betreut“, schlägt Guido Fuhrmann vor, „und Sie können ein gutes Gefühl dabei haben.“
Was kostet das?
Die Räume sind durchweg neu zugeschnitten, die Bäder scheinen nicht nur fast größer als die Schlafzimmer zu sein. Sie sind es auch – wichtig für die Pflege. Je nach Größe können „normale“ Zimmer für um die 50 Euro Eigenanteil pro Tag Vollpension, teurere Suiten und kleinere Eckzimmer gebucht werden. „Wenn Urlaubssaison ist, wird’s teurer.“ Wie in einem richtigen Hotel eben. Alle Installationen sind neu, einschließlich WLAN und Flachbildschirmen. „Ich habe das Haus auf links gedreht“, berichtet Guido Fuhrmann. Und seit dem Umbaubeginn im Oktober 2020 rund drei Millionen Euro investiert.
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Im Untergeschoss ist Platz für die Tagespflege, die große Küche und Personalräume. Ein Podest, das als Treppe begangen, aber umgedreht auch als Rollstuhl-Plattformlift benutzt werden kann, zeigt den Erfindungsreichtum, mit dem Guido Fuhrmann das alte EAB-Heim barrierefrei macht. „Ich bin durch Zufall hier hochgekommen“, erzählt der gebürtige Hilchenbacher, „und habe mich sofort in das Haus verliebt.“ 2009 hat er es der Evangelischen Arbeitnehmerbewegung abgekauft, der Hugo Holdinghausen ihr 1927 eröffnetes Erholungsheim gestiftet hat. Sein Grabstein steht neben dem Haus, das nun Addeberg heißt: ein Kunstname, zusammengezogen aus dem Addebach und dem Breitenberg.
Wann geht es los?
In der Besuchergruppe wird nach Werbung für das neue Hotel gefragt. „Brauche ich nicht“, antwortet Guido Fuhrmann, „ich rufe einmal in den Krankenhäusern an.“ Eigentlich sollen die Gäste des Hotels Addeberg aus ganz Deutschland kommen. Aber vermutlich werden die Zimmer schon mit Gästen aus der Region belegt sein. „Wir bekommen jetzt schon Anfragen.“ In der Runde wird über den Alltag der Krankenhäuser berichtet, die im Umkreis von bis zu 100 Kilometern auf der Suche nach Kurzzeitpflegeplätzen für Patienten sind, die sie entlassen müssen, aber nicht sich selbst überlassen können. „Und die werden in den Folgejahren wiederkommen.“
„Ab 1. September wäre schön“, sagt Guido Fuhrmann. Das Team, um die 35 Mitarbeitende, hält sich für den Start bereit. Alle übrigens nach Tarif bezahlt. Und weihnachten dienstfrei. Dann ist dieses Hotel nämlich zu. So viel Luxus soll sein, zumindest an ein paar Tagen im Jahr auch fürs Personal.
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