Netphen. Die Erweiterung des Norma-Marktes soll Netphen-Mitte einen Impuls geben. Ansonsten: Einkaufen allein hat keine Zukunft.
Die Einwohner Netphens sind finanziell gut ausgestattet, im Durchschnitt jedenfalls: 102,1 ist die „Kaufkraftkennziffer“ – 100 steht für den deutschen Mittelwert. Aber nur 58 Prozent des Geldes werden auch in Netphen ausgegeben, vor gut zehn Jahren waren es immerhin noch 63 Prozent. Eine „gute einwohnerbezogene Ausstattung mit Nahrungs- und Genussmitteln“ bescheinigt das neue Einzelhandelskonzept der Stadt. Jenseits davon hapert es aber.
So sieht es in Netphen aus: 34 Läden gaben auf
Die Verkaufsfläche für den Einzelhandel ist gleich groß geblieben, die Zahl der Betriebe aber um 29 Prozent zurückgegangen. Unter den 34 Geschäften, die seit 2008 auf der Strecke geblieben sind, ist inhabergeführter Facheinzelhandel, der dem Wettbewerb nicht standhielt oder keine Nachfolge fand. Aber nicht nur: Handwerksbetriebe wie Bäckereien und Metzgereien gaben auf, Schlecker ging in die Insolvenz. Gefüllt wurden die Leerstände oft mit Büros und Gastronomie. 83 Läden und Märkte sind es derzeit, die auf über 22.000 Quadratmetern Waren anbieten – weit weniger Verkaufsfläche je Einwohner als im Bundesdurchschnitt. Wobei in Dreis-Tiefenbach nur geringfügig weniger Verkaufsfläche ist als im Kernort Netphen und der Umsatz sogar größer.
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Dem Einkaufszentrum Netphen bescheinigt das Gutachten „eine geringe Ausprägung von Plätzen mit Verweilqualitäten“. Aufgefallen ist ein „nur ein sehr begrenztes Angebot in der Sparte Elektroartikel und Unterhaltungselektronik“. In Dreis-Tiefenbach und Deuz stehen nur je zwei Geschäfte leer, in Netphen sieben. „Moderne und zeitgemäße Warenpräsentation“ wird nur einem Drittel der Geschäfte in Netphen zugeschrieben. Ein Bedeutungsverlust sei in Netphen entlang der Lahnstraße zu beobachten: Der Einzelhandel ziehe sich zurück, Dienstleistungen rückten nach, sogar eine „Mindernutzung“ als Spielhalle.
Das meinen die Kunden: Zu unwirtlich, zu wenig Auswahl
Für das Einzelhandelskonzept wurden Einwohner und Einzelhändler befragt: online, telefonisch und auf der Straße. Hauptgründe für den Weg ins Netphener Einkaufszentrum waren Einkäufe und Arztbesuche. „Besonders gut werden Ladenöffnungszeiten sowie freundliche Bedienung und Service bewertet“, heißt es in dem Konzept, „deutlichen Handlungsbedarf sehen die Befragten in puncto Angebotsvielfalt, Gestaltung der Geschäfte und Einkaufsatmosphäre.“ Die Top 3 der Lieblingsgeschäfte führt Rewe, vor der Oranien-Truhe und dem Rossmann-Drogeriemarkt an. In Online-Fragebogen wird „Genussvoll“ am dritthäufigsten genannt.
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Vermisst wird Vielfalt: Bekleidungsgeschäfte, Schuhgeschäfte, ein Floristikgeschäft. Auf der Negativliste steht das Fehlen von Gastronomie und Aufenthaltsqualität, zum Beispiel Grünflächen und Sitzbänke. Ebenfalls sehr häufig geäußert wird der Wunsch nach einem „großen“ Aldi- oder Lidl-Discountmarkt. Für Einkäufe außerhalb Netphens werden vor allem das Siegerlandzentrum in Weidenau und die Siegener Innenstadt angesteuert. Bücher und Schreibwaren, Bekleidung, Sport- und Freizeitartikel und Spielwaren sowie Geschenkartikel gehören zu den Warengruppen mit den größten Online-Anteilen.
So denken die Einzelhändler: Stadt Netphen unterstützt nicht genug
Allenfalls mit einem „Teils, teils“ sind 44 Prozent die Einzelhändler mit der Gesamtsituation in Netphen zufrieden, weitere 45 Prozent sind unzufrieden oder sehr unzufrieden. 28 Prozent geben der Unterstützung des Einzelhandels durch die Stadt die schlechtestmögliche Note. Noch schlechter als ihre Kunden bewerten die Einzelhändler Einkaufsatmosphäre und Angebotsvielfalt in der Stadtmitte. „Gewünscht werden attraktive Ruheplätze mit einladenden Verweilmöglichkeiten, eine gestalterische Verschönerung und verbesserte Sauberkeit des Zentrums wie auch eine Ausbreitung der Fußgängerzonen mit gepflegten Grünanlagen und erneuertem Bodenbelag.“ Auch bei den Händlern gibt es den Wunsch nach mehr Gastronomie, unter anderem einem Biergarten.
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Das empfehlen die Gutachter: „Lebendige Mischung“
„Vorrangiges Potenzial“ für Netphen-Mitte sieht das Einzelhandelskonzept in der Erweiterung des Norma-Discounters um 400 Quadratmeter auf die bisherige Postfläche, sodass dann rund 1000 Quadratmeter Verkaufsfläche entstehen. „Mit der Schließung des Aldi-Marktes hat das Hauptzentrum Netphen an Ausstrahlungskraft eingebüßt, sodass durch die Erweiterung des Lebensmitteldiscounters eine Impulswirkung zu erwarten ist.“ Außengastronomie und Verweilmöglichkeiten könnten die Vermarktung von Leerständen erleichtern.
Gegen Leerstände könnten. Standort- oder Start-Up-Wettbewerbe, Pop-Up- oder Zwischennutzungen helfen. „Angesichts einer tendenziell abnehmenden Bedeutung des Einzelhandels innerhalb der Zentren wird es zukünftig notwendig sein, die Netphener Nahversorgungszentren noch stärker als Quartiere mit einer lebendigen Mischung aus Einzelhandel, Dienstleistungen, Gastronomie, Kultur und Wohnen zu verstehen.“
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Deuz: Kälberhof-Anbindung an Ortsmitte, Dreis-Tiefenbach: Größerer Aldi
Für Deuz empfiehlt das Konzept eine bessere Anbindung des Kälberhof-Einkaufszentrums an die Ortsmitte, für Dreis-Tiefenbach die Prüfung einer Erweiterungs- und Modernisierungsmöglichkeit für den Aldi-Markt. Für die anderen Ortsteile ohne Einzelhandel wird zu einer „guten Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln“ geraten. „Gegebenenfalls kann hier über mobile Angebote eine Basisversorgung insbesondere für wenig mobile Bevölkerungsgruppen generiert werden.“
Das Einzelhandelskonzept wird am Montag, 16. Juni, 17 Uhr, im Ratssaal dem Stadtentwicklungsausschuss vorgestellt. Danach wird es offengelegt, überarbeitet und schließlich vom Rat beschlossen.
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