Hilchenbach. Nach zwei Jahren Zwangspause ist Kultur Pur wieder da. „Das macht Mut für die Kultur in der Region insgesamt“, sagt Jens von Heyden.

Kultur Pur ist wieder da. 52.000 sind gekommen, trotz einem Tag Jubiläums-Verlängerung 9000 weniger weniger als beim letzten „normalen“ Festival 2019. Das lag am schlechten Wetter am sonst traditionell besucherstärksten Pfingstsonntag, vor allem aber wohl auch an der Noch-Zurückhaltung des Publikums im dritten Jahr der Pandemie und der Begrenzung der Zeltkapazität – die Zeiten von fast 3000 Zuschauern im großen Zelt sind vorerst vorbei. Gemessen an den drastischen Besucherrückgängen bei den stationären Kulturveranstaltungen um teilweise bis zu 70 Prozent darf Festivalleiter Jens von Heyden aber auftatmen: „Das macht Mut für die Kultur in der Region insgesamt. Wir trauen uns wieder was.“

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Jens von Heyden, Festivalleiter von Kultur Pur, ist erleichtert: Der Neustart des Festivals nach zwei Jahren Pandemie-Auszeit ist gelungen.
Jens von Heyden, Festivalleiter von Kultur Pur, ist erleichtert: Der Neustart des Festivals nach zwei Jahren Pandemie-Auszeit ist gelungen. © WP | Hendrik Schulz

„Place to be right in the middle of nowhere“: Der Spruch von Bob Geldof zu Kultur Pur ziert immer noch das Dach des kleinen Zelttheaters. Aber die Gäste schauen nicht mehr auf den dichten Fichtenwald, der die kleine Theaterstadt sonst gesäumt hat. Der Blick fällt auf die Ahornallee an der Gillerbergstraße, die Dürre und Borkenkäfer überlebt hat. „Man muss sich dran gewöhnen“, sagt Patrick Zöller, der die Kulisse des Familienprogramms im Freien im Blick hat, und entscheidet sich für einen Ausblick mit Zuversicht: „Natur ist stets in Veränderung. Das sorgt auch für die Dynamik bei Kultur Pur.“

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„James James“ vom Londoner Covent Garden ist mit der Zeit gegangen: Wer will, kann den QR-Code scannen, um seinen Auftritt zu honorieren – dass die meisten trotzdem lieber Münzen in den Hut werfen, dürfte James Hessler, den Schotten mit deutschen Wurzeln, wenig wundern. Seine Show auf dem Außengelände ist die erste hier nach Kultur Pur 2019. Drei Jahre ist das her.

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Sechs Veranstaltungen ausverkauft

Die Leute sind bester Laune, kommen mit Kindern, Hunden und voller Picknickausrüstung, mehr denn je mit dem Fahrrad – sie haben Kultur Pur nicht verlernt. Sie stehen immer noch Schlange für Frozen Yogurt, als ob es gerade erst erfunden worden wäre. Sie feiern mit Alice Merton, der Singer-Song-Writerin, und die mit ihnen: Es sei ihr erstes Konzert „seit Jahren“ im Innenraum, sagt sie. Nicht anders ging es Gregor Meyle, bevor dann an den Abenden danach BAP – drei Stunden lang! – , die Dark-Rocker Mono Inc., die Spider Murphy Gang und Suzie Quatro richtig aufdrehten. Immerhin sechs Veranstaltungen waren komplett ausverkauft, Ausfälle gab es nicht, was Resonanz oder Qualität angeht. Das nachgeholte Geburtstagsprogramm war durchweg populär, bestätigt Kulturbüro-Chef Jens von Heyden: „Wir wollen ja auch viele Menschen glücklich machen.“

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Nicht nur draußen, auch drinnen ein Erfolg: Die meisten der abendlichen Top-Acts, hier BAP, sind ausverkauft. 
Nicht nur draußen, auch drinnen ein Erfolg: Die meisten der abendlichen Top-Acts, hier BAP, sind ausverkauft.  © Kai Osthoff | Kai Osthoff

Drinnen im Mittelzelt hat die Sparkasse ein Fotostudio aufgebaut: Da kann man sich, mit Strandklamotten ausgestattet, vor einer Fotowand mit KulturPur-Wiese und -Zelten ablichten lassen. Samstag, in der sonnenbrandverdächtigen Hitze, macht das weniger Sinn als am Sonntag. Kurzerhand wird – wie schon einmal vor zehn Jahren – ein Teil des Nachmittagsprogramms ins große Zelt verlegt. Auch wenn das schlechte Wetter sich dann doch nur begrenzt an die Vorhersage hält. Bald schon wieder können Sitting Duck draußen die Neueröffnung ihrer Bar mit dem hübschen Namen „Chiringuito Paradise“ eskalieren.

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An den Hilchenbacher Schlossberg-Raubrittern ist die Zeit nicht vorbeigegangen. Ein und zwei Jahre junge Mini-Ritter sind bei der Jagd nach der magischen Eule dabei, auch die frisch in die Ritterschaft­ hineingetaufte „Frieda von der Geisenburg“, die sechsjährige Greta Beume, direkt an der Seite von Räuberhauptmann Hans Hübner (Martin Beume).

Videokünstler Tobias Melle, Philharmonie-Intendant Michael Nassauer, Festival-Chef Jens von Heyden und Waldvorsteher Harald Rackel (von links) pflanzen Eichen. 
Videokünstler Tobias Melle, Philharmonie-Intendant Michael Nassauer, Festival-Chef Jens von Heyden und Waldvorsteher Harald Rackel (von links) pflanzen Eichen.  © WP | Hendrik Schulz

Anfang für den neuen Gillerwald

Nach dem Ritterspektakel für die jungen Gäste zurück auf die Heide. Dort, am Rand, werden drei Eichen gepflanzt, „symbolisch“, wie Waldvorsteher Harald Rackel betont – denn Pflanzzeit ist erst im Herbst, und erst dann werden 1000+1 Douglasien, Weißtannen, Lärchen, Eichen, Vogelkirschen. Esskastanien und Rotbuchen in den Boden gebracht. Videokünstler Tobias Melle, der sich für „Plant for the Planet“ engagiert und am Abend das Konzert der Philharmonie illustriert, hat die Aktion vermittelt: einen Euro je Eintrittskarte für neue Bäume auf dem Giller.

Harald Rackel, Vorsteher der beiden Genossenschaften Grund und Hofginsberg-Grund mit insgesamt rund 190 Hektar Wald, nennt Zahlen: 350.000 Festmeter Holz wurden allein in Hilchenbach zerstört. Auf vier Hektar werden insgesamt bis zu 15.000 Bäume in vier bis fünf Tagen Pflanzzeit gesetzt. „Das ist ein echter Knochenjob.“ Und wann ist der Gillerwald wieder da? In 20 bis 30 Jahren, sagt Harald Rackel, werden hier wieder etwa fünf Meter hohe Bäume stehen. „Geerntet“ werden die neuen Eichen „frühestens in 150, eher in 200 Jahren.“ Da wird Kultur Pur mit seinen 52.000 Menschen auf einmal ganz klein.

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