Kreuztal. Viele Menschen alarmieren bei Kleinigkeiten direkt die Feuerwehr. Für die Einsatzkräfte in Siegen-Wittgenstein wird das zum Problem.

Notrufe wegen Kleinigkeiten, immer mehr Transporte adipöser Menschen, zu wenig Aufmerksamkeit für den Katastrophenschutz: Bernd Schneider, 1. Vorsitzender des Feuerwehrverbands Siegen-Wittgenstein, benennt in seiner Abschiedsrede Missstände und Fehlentwicklungen.

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Nach zwei Jahren Corona-Pause konnte der Kreisfeuerwehrverband in der Otto-Flick-Halle in Kreuztal wieder eine Mitgliederversammlung durchführen. Von den 108 eingeladenen Delegierten waren 85 gekommen. Für Bernd Schneider war es die letzte Versammlung in seiner Funktion als Vorsitzender. Nach 17 Jahren stellte er sein Amt aus Altersgründen zur Verfügung.

Bernd Schneider (2. von links) gab nach 17 Jahren sein Amt als Vorsitzender des Kreisfeuerwehrverbands ab. Neuer Vorsitzender ist Rainald Thiemann (2. von rechts). Stellvertreter sind Marc-André Amos (links) und Klaus Langenberg.
Bernd Schneider (2. von links) gab nach 17 Jahren sein Amt als Vorsitzender des Kreisfeuerwehrverbands ab. Neuer Vorsitzender ist Rainald Thiemann (2. von rechts). Stellvertreter sind Marc-André Amos (links) und Klaus Langenberg. © Jürgen Schade

Was die Arbeit schwieriger macht

• Notrufe ohne Notfälle. „Dass sich die Welt verändert, erlebe ich täglich auch durch die zunehmende Zahl der Einsätze“, sagte Bernd Schneider. Es gebe eine sich verändernde Erwartungshaltung – und mit der gehe einher, „dass viele Menschen sich nicht anders zu helfen wissen. Eigeninitiative, dem Nachbarn helfen, den Ast wegräumen… all das ist inzwischen häufig keine Option – am Ende wird die 112 gewählt.“ Die Politik habe dies inzwischen allerdings erkannt, es seien „erste Maßnahmen zur Verbesserung der Situation und Aufklärung der Bevölkerung“ angelaufen. So entstünden aber auch „neue Baustellen“.


• Transporteinsätze.
Eine andere kritische Entwicklung: Seit Anfang der 1990er Jahre bis vor wenigen Jahren sei das Thema Ölspuren „ein immer wiederkehrendes Ärgernis“ gewesen, so Bernd Schneider. Mittlerweile seien dies aber die so genannten Tragehilfeeinsätze. Dabei werde regelmäßig Personal vom Arbeitgeber weggeholt, weil übergewichtige Patientinnen und Patienten aus dem Krankenhaus entlassen werden und dann daheim vor der Haustür auffalle – nachdem schon ein Sonderfahrzeug, nämlich ein Schwerlast-RTW, für den Transport erforderlich war – dass er oder sie auch ins Haus gebracht werden müsse. „Einmal ist sowas ja zu tolerieren und im Notfall, wenn Gefahr für Leib und Leben besteht und der Patient ins Krankenhaus muss, kein Thema“, betonte Bernd Schneider. „Aber KTW-Fahrten und Rückverlegungen aus Krankenhäusern und der dann folgende Transport aus oder in die Wohnung sind keine Aufgaben der Feuerwehren.“

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• Katastrophenschutz. Die Relevanz sollte spätestens seit den Überflutungen im Ahrtal auf der Hand liegen. „Es müsste eigentlich verpflichtend sein, dass ein Bürgermeister oder Landrat genauso lange im Bereich Katastrophenschutz und Gefahrenabwehr geschult wird, wie er Seminare beim Sparkassenverband besuchen muss, um im Verwaltungsrat der Sparkasse tätig zu werden“, sagte Bernd Schneider. „Leider werden die angebotenen Seminare für diesen Personenkreis nur sehr selten auch von diesen besucht.“ In Summe bleibe die Hoffnung, so Bernd Schneider, „dass die Hochwasserdemenz sich nicht sehr schnell entwickelt und dieses – in der Politik stark verbreitete – Krankheitsbild jetzt nach der Landtagswahl nicht schlagartig zunimmt und die Ereignisse des vergangenen Jahres in Vergessenheit geraten“. Dem schloss sich Landrat Andreas Müller an. „Nach den Vorfällen alleine im vergangenen Jahr muss der Katastrophenschutz neu aufgestellt werden“, hob er hervor. „Die Krisenstäbe müssen neu und besser geschult werden. Und es ist wichtig, eine Landeseinsatzleitung zu gründen.“

Was es für die Zukunft braucht

Den Kreisfeuerwehrverband Siegen-Wittgenstein verglich Bernd Schneider mit einem Dampfer, der manchmal sehr schwerfällig sei. „Wenn ihr die Feuerwehr zukunftsfähig machen wollt, müsst ihr alte Zöpfe abschneiden und neue Wege gehen“, gab er den Kameradinnen und Kameraden noch mit auf den Weg.

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Bernd Schneider bleibt noch bis Ende des Jahres Kreisbrandmeister. Außer ihm wurde bei der Versammlung auch Berthold Braun, ehemaliger Leiter der Kreuztaler Feuerwehr, zum Ehrenmitglied ernannt. Zu guter Letzt erhielt Bernd Schneider noch die Sonderauszeichnung für 50-jährige Mitgliedschaft in der Feuerwehr.

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