Siegen-Wittgenstein. Am Anfang stehen Deutschstunden. Der Austausch in der Muttersprache wird aber auch ermöglicht – die Kinder müssen mit dem Krieg fertig werden.

Mehr als 300 Kinder aus der Ukraine gehen im Kreisgebiet bereits zur Schule. Je länger der Krieg dauert, umso mehr kommen hinzu. Die Schulen in Siegen-Wittgenstein müssen in dieser Situation diversen Ansprüchen gerecht werden. „Das sind große Herausforderungen für alle Beteiligten“, sagt Peter Sziburies, Schulrat für den Kreis Siegen-Wittgenstein.

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Das erleichtert Integration

Das grundlegende Thema sei „Integration durch Bildung“, erläutert der Schulrat. Mehr als 300 Kinder und Jugendliche seien „keine unerhebliche Zahl“, doch die Schulen könnten auf die Erfahrungen der vergangenen Jahre zurückgreifen – immerhin gilt es im Zusammenhang mit den internationalen Fluchtbewegungen schon seit längerem, die Aufgabe zu bewältigen. Gegenüber 2015 gebe es aktuell aber – aus organisatorischer Sicht – den Vorteil, dass die Gruppe derer, die in Deutschland Schutz suchen, weniger heterogen zusammengesetzt sei. Auch, wenn nach wie vor auch Jungen und Mädchen aus anderen Ländern dabei wären, so stamme derzeit doch ein großer Teil aus der Ukraine. Und das bedeutet, dass viele eine gemeinsame Sprache sprechen und einen gemeinsamen kulturellen Hintergrund haben – worauf das deutsche Schulsystem sich folglich etwas einfacher einstellen kann.

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So kann unterrichtet werden

Darüber hinaus sei 2018 die Erlasslage konkretisiert worden, wie Peter Sziburies erläutert. Wie die Schulen auf das Ziel „Integration durch Bildung“ hinarbeiten, könnten die Einrichtungen „aufgrund der Bedürfnisse vor Ort“ entscheiden. Festgelegt ist hingegen, dass sich alle Schulen und Schulformen dieser Aufgabe widmen müssen. Dabei gehe es vor allem um drei Varianten:

Innere Differenzierung. Die Kinder, die aus der Ukraine nach Siegen-Wittgenstein kommen, gehen in bestehende Klassen und folgen dort dem gesamten Unterricht. Dieser müsse dann individuelle Förderung und Vermittlung der deutschen Sprache leisten – letzteres ist ein Muss, um den Schülerinnen und Schülern Zugang zu den Unterrichtsinhalten zu eröffnen.

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Äußerliche Differenzierung. Für die Kinder, die aus anderen Ländern geflohen sind, werden eigene Lerngruppen eingerichtet: Willkommensklassen. Zu dieser Lösung würde insbesondere dann gegriffen, wenn „der Zuzug sehr dynamisch stattfindet“, erklärt Peter Sziburies – wenn also beispielsweise 20 oder 30 Kinder binnen sehr kurzer Zeit kämen und sehr kurzfristig zu versorgen seien. Der Nachteil der Willkommensklassen liegt darin, dass die Integration schwerer fällt, weil die Jungen und Mädchen von den anderen Mitschülerinnen und Mitschülern getrennt seien.

So sieht es die Stadt Siegen

Für Kinder, die wegen der Flucht aus anderen Ländern in Siegen-Wittgenstein Quartier beziehen, gilt die nordrhein-westfälische Schulpflicht.

„Was wir feststellen: Es ist meist nicht das allererste, dass die Familien sich nach einem Schulplatz umschauen“, sagt Siegens Schuldezernent Andree Schmidt. Unmittelbare Priorität hätten zunächst andere Aspekte, „die Menschen müssen erst einmal ankommen“. Wenn es dann an die Frage nach der Beschulung gehe, setze die Stadt Siegen wie in den Vorjahren in erster Linie auf gemeinsame Lösungen für alle Schülerinnen und Schüler. „Wir wollen nicht so gerne Auffangklassen haben. Wir wollen integrieren.“

Die Schulen würden ihren Gestaltungsrahmen nutzen „und zeigen da viel Engagement“, sagt der Schuldezernent. „Die wollen das ja auch.“


Definitiv müsse an keiner Schule wieder bei Null angefangen werden. Das Thema „Flucht und Migration“ sei in der öffentlichen Wahrnehmung zwar „während der Pandemie in den Hintergrund gerückt. Aber ein Thema ist es immer geblieben.“

Teilweise äußerliche Differenzierung. Dieses Konzept sei „in den meisten Schulen das Mittel der Wahl“, sagt der Schulrat. Einen Teil des Schultages verbringen die Kinder in einer eigens für sie eingerichteten Lerngruppe, den Rest in einer Regelklasse. Damit werde eine Konstellation geschaffen, innerhalb derer die Kinder sich einerseits mit anderen, die aufgrund ihrer Herkunft und ihrer Fluchtgeschichte ähnliche Erfahrungen machen mussten, in ihrer Muttersprache austauschen und ein annähernd vertrautes Umfeld erleben könnten. Andererseits seien aber auch die Voraussetzungen für die Integration in die Gesellschaft vor Ort gut, weil durch den Unterricht in der großen Runde Begegnungen und Berührungspunkte ermöglicht werden.

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So wird die Schule in Siegen ausgesucht

Welcher Schule ein Kind, das aus der Ukraine nach Siegen-Wittgenstein kommt, zugewiesen wird, hängt oft vom ersten Kontakt ab, den die Familien vor Ort aufnehmen, sagt Peter Sziburies. Für manche seien Verwandte, Freunde oder Bekannte, die bereits im Kreis wohnen, die erste Anlaufstelle. Andere würden sich ans Einwohnermeldeamt wenden oder auch direkt Kontakt zu einer Schule aufnehmen. Über das Kommunale Integrationszentrum „sind wir mit all diesen Stellen vernetzt“, betont der Schulrat.

Eine Koordination ist natürlich erforderlich. Solange die Kapazitäten vor Ort ausreichen, sei es recht problemlos – „und momentan verfügen wir im Kreisgebiet noch über Kapazitäten“. Gesteigerter Handlungsbedarf entstehe, sobald Klassengrößen ausgereizt und Schulen nicht mehr aufnahmefähig seien. Die Regel sei, dass Kinder und Jugendliche in derjenigen Schule einen Platz erhalten sollen, die ihrer Unterkunft beziehungsweise Wohnadresse am nächsten liegt. Sei dies wegen einer Auslastung nicht machbar, werde es an der danach nächstgelegenen Schule versucht. Von der Länge des russischen Kriegs gegen die Ukraine werde abhängen, wie es in Siegen-Wittgenstein weitergeht. „Es hat eine hohe Dynamik“, sagt Peter Sziburies.

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