Siegen. Berufung ohne Erfolg: Urteil nach heftigem Gewalteinsatz gegen Polizist vor Disco in Siegen-Geisweid bleibt bei schwerer Körperverletzung.

Die Berufung der Staatsanwaltschaft hat keinen entscheidenden Erfolg gehabt. Auch in der zweiten Instanz ist der Dortmunder, der einen Siegener Polizisten am 20. Juli 2019 durch einen Tritt gegen den Kopf schwer verletzte, nur wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden. Die Berufungskammer unter Leitung von Sabine Metz-Horst hat die Vorwürfe des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte und Gefangenenbefreiung nicht erwiesen gefunden, wie schon das Amtsgericht.

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Allerdings hat das Gericht die Strafe gegen den 27-Jährigen erhöht und ihm eine Arbeitsauflage mit Sühnefunktion mitgegeben. Statt einem Jahr und sieben Monate sind es nun zwei Jahre zur Bewährung geworden. Dazu kommen 250 Arbeitsstunden, die binnen eines Jahres möglichst in einem Hospiz abgeleistet werden sollen. Schließlich dauert die Bewährungszeit ungewöhnliche vier Jahre. Diese Erhöhung des früheren Urteils halte die Kammer angesichts der „massiven und grausamen Tat“ für notwendig, sagt die Vorsitzende in ihrer knapp 30-minutigen Begründung. Das Gericht habe sich bewusst mehrere Tage Zeit genommen, um wirklich alle Beweise zu sichten, alle Zeugen zu hören.

Vor Siegener Disco: Angeklagter wollte Gegner von seinem Freund „heruntertreten“

Für sie selbst und die Schöffen sei es nach intensiver Beratung durchaus möglich gewesen, dass der Angeklagte die beiden von der Staatsanwaltschaft und dem Nebenkläger erhobenen Vorwürfe durch sein Tun verwirklicht habe. Es fehle aber der Nachweis. Deshalb greife wie in der ersten Instanz der Grundsatz „in dubio pro reo“, im Zweifel für den Angeklagten: „Und den nimmt die Kammer sehr wichtig!“

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In der Tatnacht war es in und vor einer Geisweider Disco zu heftigen Spannungen zwischen zwei Gruppen gekommen. Die besorgten Türsteher riefen die Polizei, die zumindest auf der Straße mit Blaulicht und Martinshorn angerückt sei. Beim Eintreffen auf dem Gelände war das Blaulicht aber abgeschaltet. Der Angeklagte hatte vorgebracht, nach diversen Auseinandersetzungen und Verfolgungen durch Angehörige der Gegenpartei gesehen zu haben, wie eine dunkle Gestalt auf seinem Freund hockte und dieser um Hilfe rief. Er sei dann angelaufen und habe den Gegner vom Freund herunter treten wollen, dabei auf die Schulter zielend. Einen Beamten will er in seinem Opfer nicht erkannt und auch sonst die Anwesenheit von Polizisten nicht wahrgenommen haben.

Polizist erlitt bei Attacke vor Disco doppelten Kieferbruch und Schädel-Hirn-Trauma

Der Angegriffene erlitt einen doppelten Kieferbruch und ein Schädel-Hirn-Trauma. Angeschaute Videos hätten ein dynamisches und sehr schnelles Geschehen gezeigt. Hilferufe gebe es da nicht, auch nicht in der Erinnerung von Zeugen. Eine Lüge zum Schutz mache den Angeklagten aber nicht automatisch komplett unglaubwürdig, seine Geschichte wirke dagegen stimmig. Er sei von der Seite angerannt, hätte die Aufschrift „POLIZEI“ auf der Weste des Beamten nicht sehen müssen. „Er könnte, aber er musste nicht“, wiederholt die Vorsitzende in die Richtung der etwas ungehaltenen Zuschauer.

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Der Angeklagte wirkt erleichtert, seine Anwältin pustet hörbar durch. Er müsse sich nun bewähren, betont Sabine Metz-Horst und macht dem Dortmunder deutlich, wie schnell die Sache auch schlimmer hätte enden können, für das Opfer und für ihn: „Dann hätten Sie vor dem Schwurgericht gesessen. Sie haben sehr viel Glück gehabt!“ Sie rechnet ihm an, dass er alle geltend gemachten Kosten und Schadenersatz bezahlt, sich dafür verschuldet hat. Aber für eine mildere Strafe habe es an der Kommunikation gefehlt. Gewöhnlich gehöre ein Zusammentreffen dazu, ein Täter-Opfer-Ausgleich, das Sitzen an einem Tisch. Da sei nichts gekommen, und eine Entschuldigung auch an die Eltern zu wenig.