Siegen. Der neue Intercity enttäuscht: Meist ist er zu spät, manchmal kommt er gar nicht. Die Bahn handelt.
Von Siegen nach Dortmund? Nach Münster? Nach Norddeich? Von den Abfahrtstafeln im Siegener Hauptbahnhof ist der Intercity verschwunden. Auf den gedruckten ausgehängten Fahrplänen steht der Fernverkehrszug noch, den die Siegener lange herbeigesehnt haben, der im Dezember an den Start gegangen ist. In Richtung Norden macht der IC 34 von Gründonnerstag bis zum Ende der Osterferien einen Bogen um die Krönchenstadt und fährt aus Dillenburg durch den Rudersdorfer Tunnel und den Giersbergtunnel direkt nach Weidenau, Kreuztal und dann wieder heraus aus dem Siegerland.
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Ein kleiner Aushangzettel am Eingang zum Bahnhofsgebäude bestätigt die Fahrplanänderung. „Die IC-Züge sparen durch das Auslassen von Siegen Hbf rund 10 Minuten Fahrzeit und sollen dadurch an ihren Endpunkten wieder pünktlich für die Folgefahrt in der Gegenrichtung starten können“, erklärt die Deutsche Bahn dazu auf Nachfrage dieser Zeitung. Bis zum 24. April sollen die Züge zunächst so fahren, „aufgrund vieler Baustellen“. Und, so heißt es dann weiter: „Dispositiv ggf. auch zukünftig in sehr seltenen Ausnahmefällen bei Verspätungen über 30 Minuten auch in Nord-Süd-Richtung.“
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Das sagt die Bahn: Probleme „schnellstmöglich“ lösen
Der neue Intercity mit seinen fünf Doppelstockwagen ist ein Problemfall – die Bahn macht daraus kein Geheimnis: „Mit der Betriebsqualität seit dem Start der Linie waren wir bisher nicht zufrieden. Aktuell untersucht eine extra eingesetzte Arbeitsgruppe noch bestehende Probleme entlang der Strecke und bei den Fahrzeugen, um die Pünktlichkeit der IC-Linie insgesamt schnellstmöglich und nachhaltig zu verbessern.“ Dass die Zahl der Fahrgäste steigerungsfähig ist, räumt die Bahn ebenfalls ein: „Erfahrungsgemäß wird die Nachfrage bei neu eingeführten Reiseangeboten erst nach und nach steigen. Zudem müssen wir hier auch den Entwicklungen der Pandemie Rechnung tragen. Im weiteren Jahresverlauf Sommer/Herbst rechnen wir mit einer deutlichen Belebung der Nachfrage.“
Womöglich bleiben in den Zügen aber auch deshalb viele Plätze frei, weil sie unzuverlässig sind. Eigentlich vom ersten Tag an, als die Strecke Richtung Ruhrgebiet wegen der nicht rechtzeitig beseitigten Hochwasserschäden erst einmal nicht bedient werden konnte – die Bahn musste Ersatzbusse einsetzen, zumal der IC alle zwei Stunden den bis dahin eingesetzten Regionalexpress ersetzen soll. Im privat betriebenen Online-Portal „Zugfinder“ kann das Ausmaß der Probleme Fahrt für Fahrt nachvollzogen werden.
So reist es sich mit dem IC 34
Das Leiden der Fahrgäste ist gut dokumentiert:
Gründe: Am 22. März fährt gleich der erste Zug des Tages, 5.03 Uhr ab Dortmund, 6.55 Uhr in Siegen und von da weiter nach Frankfurt, 98 Minuten Verspätung ein. „Ziel nicht erreicht“, heißt es am Ende, in Bad Nauheim stiegen alle aus. Der Frühzug wird in den folgenden vier Wochen sechs Mal verspätet sein, weil ein vorausfahrender Zug auch schon zu spät war, und fünf Mal wegen einer Reparatur am Zug. Andere Verbindungen sind da nicht erfolgreicher: Reparaturen an Weichen, Signalen, Zug und Strecke, Bauarbeiten, „verspätete Bereitstellung“ des Zuges oder eine Verspätung des Personals, das seinerseits noch in einem anderen Zug festsaß – in vier Wochen dürften alle möglichen Erklärungen vorgekommen sein. Sogar das „Warten auf ein verspätetes Schiff“, das in dieser Woche schon zwei Mal direkt die Abfahrt in Norddeich verzögert hat.
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Angebote: Fast jeder IC 34 ist anders: Von den täglich acht Zugpaaren, die montags bis freitags auf die Ruhr-Sieg-Strecke gehen, fahren die meisten nach Dortmund, einige von dort weiter nach Münster. Zwei „Sprinter“, die in Weidenau und Kreuztal nicht haltern, fahren von Letmathe direkt über Hamm weiter nach Münster, einer dann auch bis Norddeich – hier gilt übrigens das Nahverkehrsticket nicht. Die meisten Züge Richtung Norden kommen aus Frankfurt, der erste am Tag wird in Siegen eingesetzt, der zweite ist schon kurz nach 2 Uhr in Stuttgart gestartet. Entsprechend geht es in der Gegenrichtung meist nach Frankfurt, mal von Münster, mal von Dortmund. Nur der letzte Zug am Tag macht schon in Siegen Endstation. Planmäßig: Denn mancher Zug fällt von vornherein aus, mancher strandet unterwegs. „Ziel nicht erreicht“, steht dann in der Dokumentation.
Fernverkehr
Siegen wurde 2002 mit der Einstellung der Interregio-Linie Frankfurt-Münster vom Bahn-Fernverkehr abgehängt.
Es gab zwar einen Eurocity von Siegen nach Klagenfurt –aber nur von 2009 bis 2011.
Nur einen Sommer lang überlebte 2003 die Verbindung von Köln über Siegen und Berlin nach Rostock, die als „Interconnex“ unter privatwirtschaftlicher Flagge fuhr.
Durchschnitts-Verspätung fast 20 Minuten
Zahlen: Die durchschnittliche Verspätung ist je Verbindung unterschiedlich, in Richtung Dortmund entwickelt sie sich im Tagesverlauf von drei bis 17, in Richtung Frankfurt von acht bis 19 Minuten. „Pünktlich“, also mit weniger als fünf Minuten Verspätung, ist der Sprinter nach Norddeich um 11.04 Uhr ab Siegen: 19 Mal in 31 Tagen – diesen Wert erreicht kein anderer Intercity der Linie 34. Im Nahverkehr wird die Note „nicht akzeptabel“ vergeben, wenn weniger als 80 Prozent der Züge pünktlich sind. Von dieser Marke ist der IC 34 weit entfernt: Nur die Sprinter nach Norddeich (77 Prozent Pünktlichkeit) und Münster (63 Prozent) kommen annähernd an diese Marke heran. Schlusslicht mit 30 Prozent Pünktlichkeit ist der 13.01-Uhr-Zug von Siegen nach Frankfurt. Durchschnittliche tägliche Verspätung: 19 Minuten.
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