Hilchenbach. Siegerländer Maschinenbau und australische Metallurgie vereint: Wie SMS, Neometals und Primobius die Industrieproduktion CO2-frei machen wollen.

Den einen großen Durchbruch für eine klimaneutrale, rohstoffunabhängigere Kreislaufwirtschaft gibt es nicht. „Wir brauchen tausende oder zehntausende Schritte“, sagt Philip Green, australischer Botschafter in Deutschland. In Hilchenbach wurde am Montag, 28. März, ein solcher Schritt unternommen: Die Demonstrationsanlage zum Batterierecycling des Joint Ventures „Primobius“ (wir berichteten) hat ihren industriellen Betrieb aufgenommen.

Die Schwarze Masse ist der Schlüssel für das Recycling wichtiger Batterie-Rohstoffe

„Black Mass“, schwarze Masse, heißt der Rohstoff, den Primobius als Gemeinschaftsunternehmen der SMS group und des westaustralischen Mineralunternehmens Neometals Limited ab sofort in Hilchenbach gewinnt. Eine Art schwarzes Pulver, in dem wichtige chemische und mineralische Rohstoffe für die Batterieproduktion stecken – Lithium, Mangan, Kobalt, Nickel. Rohstoffe sind knapp und in Altbatterien in relevanter Menge verfügbar – man muss nur herankommen.

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Dazu werden in der Anlage in Hilchenbach Batterien zunächst geschreddert, in ihre Bestandteile Plastik, Metalle und eben Schwarze Masse sortiert – und dann wird verfeinert und getrocknet. Schwarze Masse gibt es auch in feucht. In jedem Produktionsschritt „siebt“ die Anlage weitere Bestandteile aus der Black Mass, die dadurch immer hochwertiger wird.

Mercedes-Benz arbeitet mit Primobius für Batterie-Recycling-Anlage zusammen

Mit diesen drei recycelten Rohstoffen handelt Primobius und speist sie in den Wirtschaftskreislauf ein. Mercedes-Benz etwa hat jüngst bekanntgegeben, ins Batterierecycling am Standort Kuppenheim einzusteigen – mit einer Primobius-Anlage, ausgelegt für 2500 Tonnen Produktionskapazität pro Jahr. Batterierecycling spielt auch und gerade in der zunehmend elektrifizierten Fahrzeugbranche eine wichtige Rolle – allein schon wegen des Produktionsausschusses bei Fahrzeugbatterien, der so umgehend vor Ort recycelt werden kann.

Die Batterien, vor allem aus dem Bereich Elektromobilität, werden in dieser Anlage bei Primobius im SMS-Werk in Hichenbach geschreddert und sortiert.
Die Batterien, vor allem aus dem Bereich Elektromobilität, werden in dieser Anlage bei Primobius im SMS-Werk in Hichenbach geschreddert und sortiert. © Hendrik Schulz

Im zweiten Prozessteil der Primobius-Anlage können chemisch weitere Bestandteile Schritt für Schritt aus der Schwarzen Masse herausgelöst werden. In Hilchenbach wird hier allerdings ein Labor- und Forschungsbetrieb vorgehalten und nicht im industriellen Maßstab produziert.

SMS will die gesamte Wertschöpfungskette der Industrie CO2-frei machen

„Die gesamte industrielle Wertschöpfungskette dekarbonisieren“, sagt Edwin Eichler, SMS-Aufsichtsratsvorsitzender – eine CO2-neutrale Produktion ermöglichen, formuliert Marc Hoffmann, Executive Vice President der SMS. Primobius und sein Batterierecycling ist dabei nur ein Standbein: Der Konzern ist an weiteren Schritten in diese Richtung beteiligt; etwa der industriellen Fotosynthese, bei der wie beim biologischen Prozess in Pflanzen CO2 aus der Luft gewonnen wird – nur eben industriell. Mit Hilfe dieses sogenannten „urban mining“ verwerte man Rohstoffe, die in der Zivilisation als Abfälle nun einmal vorhanden sind, bereite sie auf und speise sie recycelt wieder in Produktionsprozesse ein, statt immer neue Rohstoffe auszubeuten – so wie bei den Batterien.

Hier werden die drei Hauptbestandteile der geschredderten Batterien – Plastik, Metall und Schwarze Masse – aufgefangen.
Hier werden die drei Hauptbestandteile der geschredderten Batterien – Plastik, Metall und Schwarze Masse – aufgefangen. © Hendrik Schulz

Die Notwendigkeit einer sauberen Energie der Zukunft, sich von fossilen Energieträgern zu lösen – das hätten die vergangenen fünf Wochen seit der Invasion in der Ukraine gezeigt, so Botschafter Green. Australien verstärke aktuell seine Anstrengungen, Deutschland und anderen Ländern grünen Wasserstoff zur Verfügung stellen zu können – ein weiterer, wichtiger Schritt hin zu einer Abkehr von fossiler Rohstoffabhängigkeit. Der globale Bedarf, Metalle nicht nur zu produzieren, sondern zu recyceln, einer Kreislaufwirtschaft zuzuführen, steige, bestätigte Marc Hoffmann: Viele Volkswirtschaften strebten nun danach, unabhängiger von der Rohstoffversorgung zu werden, Lieferketten abzusichern – „wir haben hier eine Lösung für diese Bedürfnisse“, so Hoffmann. Man trete in einen der am stärksten wachsenden Märkte ein.

SMS aus Hilchenbach und Neometals aus Westaustralien: „Exzellente Partnerschaft“

Westaustralien, erläuterte der Botschafter, sei ein wichtiges Zentrum des weltweiten Bergbaus, „wir sind gut darin, Rohstoffe aus dem Boden zu holen und in industrielle Prozesse einzuspeisen“. Zusammen mit den Fähigkeiten der SMS im Bereich Ingenieurswissenschaft und Produktion sei mit Primobius eine „exzellente Partnerschaft“ entstanden. Mit diesen Fähigkeiten habe man etwas entwickelt, das mehr sei als die Summe seiner Teile.

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Auch Heinrich Weiss, Vorsitzender des SMS-Gesellschafterausschusses, lobte Ingenieurskunst und Teamgeist der Menschen an der Keimzelle des Unternehmens in Hilchenbach – gut ein Jahr nach Vertragsunterzeichnung sei hier eine voll funktionsfähige Anlage entstanden. Die SMS group und Neometals teilten Werte wie Innovation und Professionalität, bekräftigte Christopher Reed, Managing Director des australischen Unternehmens. Man fühle sich geehrt durch diese Partnerschaft – und stehe mit diesem wichtigen Schritt erst am Beginn einer Reise.

Im Rahmen einer Feierstunde, an der auch der australische Botschafter Philip Green teilnimmt, nimmt die Anlage den Betrieb auf.
Im Rahmen einer Feierstunde, an der auch der australische Botschafter Philip Green teilnimmt, nimmt die Anlage den Betrieb auf. © Hendrik Schulz
Der zweite Prozessteil als Laborbetrieb: Hier werden chemisch weitere Bestandteile aus der Schwarzen Masse extrahiert.
Der zweite Prozessteil als Laborbetrieb: Hier werden chemisch weitere Bestandteile aus der Schwarzen Masse extrahiert. © Hendrik Schulz