Dahlbruch. Die Anlage von Primobius bei der SMS group in Dahlbruch ist fertig. Mit dem Angebot wird die Herstellung von E-Fahrzeugen klimaschonender.

Es lacht, das Känguru. Die grüne Fahne, die an der Wand in einer Werkhalle der SMS group in Dahlbruch zwischen den Flaggen Deutschlands und Australiens aufgespannt ist, ist ein Mitbringsel. „Zwei Kollegen aus Australien haben es geschafft, ausreisen zu dürfen“, berichtet Ellen Schanz – in Zeiten der Pandemie ist das keineswegs selbstverständlich. Das Boxing Kangaroo ist die Sportflagge Australiens. Dort, in Perth, ist der Sitz von Neometals. Neometals ist Partner von SMS im Joint Venture Primobius.

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Primobius ist ein Kunstwort aus „Prime“, also dem Ersten, und der endlosen Möbiusschleife, die weder oben noch unten, innen noch außen kennt. Primobius will das Batterie-Recyceln optimieren. In Dahlbruch steht die neue Anlage, die zum Recycling und zur weiteren Entwicklung genutzt wird. Zudem bietet Primobius die Anlagentechnik zum Verkauf an. Und Ellen Schanz ist die Projektingenieurin der Anlage in Dahlbruch, die jetzt nach einer Pilotphase in den Regelbetrieb übergeht.

Das Thema: Grüner werden

Was das Recycling von Batterien mit dem Bau von Walzwerken, Bandbehandlungsanlagen oder Grobblechstraße zu tun hat? Das, so stellt Michel Siemon fest, „liegt nahe an unserer Kernkompetenz.“ Der Entwicklungschef der SMS group muss ein wenig ausholen. Decarbonisierung ist ein wichtiges Schlagwort: Die SMS group versteht sich als wichtiger Treiber auf dem Weg zu CO2-neutraler Stahlherstellung. Decarbonisierung gelingt, wenn nachhaltiger und weniger verbraucht und mehr wiederverwertet wird. Zum Beispiel durch Recycling. Durch Recycling der Batterien, die E-Autos ans Fahren bringen. Das kann man pyrometallurgisch machen, durch Schmelzen – wodurch CO2 erzeugt wird. Oder hydrometallurgisch, mit dem Einsatz von Flüssigkeiten. Und hydrometallurgische Anlagen, die gehören – ebenso wie die pyrometallurgischen – zum Portfolio der SMS group.

Michel Siemon, Leiter des Corporate Development der SMS group, zählt auf den Bedarf an Batterien für neue E-Fahrzeuge.
Michel Siemon, Leiter des Corporate Development der SMS group, zählt auf den Bedarf an Batterien für neue E-Fahrzeuge. © SMS group | Sms group

Das Ziel: Know-how nutzen

„Wir nutzen unser Wissen und übertragen es auf neue Märkte“, sagt Michel Siemon. So wie in Netphen mit der Amova. die ihre Kompetenz aus der Lagerlogistik bei Boxbay einbringt und in Dubai in den Containerumschlag an Seehäfen einsteigt. So wie mit SMS-Anlagen, die CO2-frei Stahl für den Automobilbau herstellen oder, wie bei Aurus in der Nähe von Moskau, Elektroschrott recyceln. Green Metals ist das Thema: Die SMS group befasst sich mit Nachhaltigkeit und mit Verfahren, um Werkstoffe im Kreislauf zu halten und bei Fertigungsprozessen Ressourcen zu schonen. Mit dem Weg heraus aus der Abhängigkeit von der Stahlindustrie, die in Deutschland und Europa unter dem Druck des Weltmarktes steht. „Wir haben ein hohes Interesse, unser Know-how bestmöglich zu nutzen“, sagt Michael Siemon. Am Standort Dahlbruch sieht sich SMS mit Primobius am richtigen Ort: „Hier gibt es eine sehr hohe Innovationskultur.“

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Das Projekt: Batterien

Batterien. Lithium-Ionen-Batterien. „Wir screenen den Markt auf naheliegende Geschäftsfelder“, berichtet Michel Siemon, wie die Hilchenbacher auf Neometals in Perth aufmerksam geworden sind. Die hatten die Technik, wie Batterien so in ihre Bestandteile zerlegt werden, dass daraus neue Batterien gebaut werden können. „Und wir haben die Erfahrung als Hersteller von Maschinen und Anlagen.“ Anlagen, die SMS längst nicht mehr nur einfach verkauft – der Service zum laufenden Betrieb gehört ebenfalls zum Angebot. Und bei Primobius nun sogar die Bereitschaft, gleich als Betreiber mit einzusteigen. „Das ist auch wichtig für den Rückfluss der Technologie.“

E-Fahrzeuge brauchen Batterien. Laptops und Handys natürlich auch. „Die Kapazitäten sind heute schon an der Grenze", weiß Michel Siemon. Man braucht Rohstoffe wie Nickel und Kobalt, die in, wie Siemon es formuliert,. „instabilen Ländern“ gewonnen werden, oft unter üblen Bedingungen, zum Beispiel Kinderarbeit in Bergwerken. Batterieherstellung erfolgt mit CO2-Ausstoß. „Autohersteller, aber auch die Hersteller von Handys und Akkus für Werkzeuge, haben ein sehr starkes Interesse, CO2 zu minimieren.“ Denn um so schneller macht der Elektromotor Punkte gegenüber dem Verbrennungsmotor. Abgesehen davon gibt die EU für Batterien eine Recyclingquote vor.

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Der Startschuss

Ellen Schanz hält eine rechteckige Metallplatte in der Hand: eine von mehreren Zellen einer Batterie, die ihren Lebenszyklus hinter sich hat, „wie ein abgefahrener Reifen“. Die Zelle kommt in den Schredder, wird zerkleinert, mit Wasser versetzt, gesiebt, getrocknet. Heraus kommen das Verpackungsmaterial und eine schwarze Flüssigkeit Kunststoffe aus den Batterieumhüllungen werden in Big Packs, den Riesen-Taschen, gesammelt – man könnte auch Parkbänke daraus machen, ein klassisches Recyclingprodukt eben. Und dann bleibt die Black Mass für die zweite Stufe der Anlage Ein schwarzer, etwas süßlich riechender Schlamm, aus dem nach­einander Kupfer, Magnesium. Kobalt, Nickel und Lithium in chemischen Prozessen herausgezogen werden, für neue Batterien. Was übrig bleibt? „Da wir in diesem Verfahren bis auf geringste Graphitrückstände alle Bestandteile herausholen, ist nichts vorhanden, was aufwändig entsorgt werden muss.“

Jubiläumsjahr

2021 ist für den Standort Dahlbruch der SMS group ein Jubiläumsjahr. 1871 gründete Carl Weiss in Siegen seinen Schmiedebetrieb, aus dem der Siegener Maschinenbau (Siemag) wurde. 1927 kaufte Weiss die Dahlbrucher Eisengießerei Gebrüder Klein und stieg damit in den Walzwerksbau ein. Von 1973 bis 2009 war die Gutehoffnungshütte von Mannesmann beteiligt. 2009 entstand die SMS Siemag AG, die 2015 zur SMS group umfirmierte.

Denkbar wäre, diese zweite Stufe auf zentrale Standorte zu konzentrieren und das Schreddern in der ersten Stufe dezentral vorzunehmen. Dann entfiele die Batterienanlieferung in Lkw und Containern. Nur die schwarze Masse, ein Bruchteil des Volumens, müsste noch transportiert werden. „Ganz normal“, betont Michel Siemon. Während die unzerlegten ausgedienten Batterien als Gefahrgut zu klassifizieren sind.

So einfach ist das. „Eigentlich wird alles neu genutzt“, sagt Michel Siemon. Das hört sich so grün an wie die Farbe, auf der das Känguru aus Australien lacht. „Wir als SMS versuchen, innovativ zu sein und uns immer wieder neu zu erfinden, um langfristig profitabel zu bleiben.“ Primobius soll ein Beispiel dafür sein. Am Donnerstag wurde das Unternehmen mit der Anlage in Hilchenbach den internationalen Fach- und Wirtschaftsmedien vorgestellt. „Battery recycling without limits“ ist der Slogan des Projekts. Das Känguru mit den Laufschuhen setzt zum Sprung an.

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