Siegen. Die DRK-Kinderklinik rückt rare Diagnosen in den Mittelpunkt. Die Krankheiten sind zwar selten – doch die Zahl der Betroffenen ist in Summe groß.
Während sich unter Diabetes Typ 1 fast jeder etwas vorstellen kann, sagt „Anti-NMDA-Rezeptor-Enzephalitis“ wohl kaum jemandem etwas. Letztere gehört zwar zu den so genannten Seltenen Erkrankungen, an denen aber in Summe trotzdem viele Menschen leiden. Zum offiziellen „Tag der Seltenen Erkrankungen“ am 28. Februar lenkt die DRK-Kinderklinik das Augenmerk auf dieses Thema – denn im Krankenhaus am Wellersberg gehört auch die Behandlung dieser Patientinnen und Patienten zum Alltag.
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„Bei uns gilt eine Erkrankung dann als selten, wenn nicht mehr als fünf von 10.000 Menschen von ihr betroffen sind“, ist in einer Mitteilung erläutert. Mehr als 6000 solcher Seltenen Erkrankungen sind inzwischen bekannt. Allein in Deutschland leben laut Schätzungen rund vier Millionen Betroffene. „In der gesamten EU geht man von 30 Millionen Menschen aus“, hießt es weiter. Darunter seien vielfach auch Kinder und Jugendliche, bei denen eine Erstvorstellung unter anderem in der Siegener DRK-Kinderklinik erfolge.
Siegen: DRK-Kinderklinik ist auch auf seltene Erkrankungen vorbereitet
In der Abteilung Neuropädiatrie von Chefarzt Dr. Burkhard Stüve werden Patientinnen und Patienten aus dem gesamten Spektrum der Kinderneurologie ambulant und stationär versorgt – vor allem Kinder mit Epilepsie, neuromuskulären und genetischen Erkrankungen, Stoffwechselerkrankungen sowie Entzündungen des Gehirns und peripherer Nerven, so die Kinderklinik. Neben den erregerbedingten Entzündungen des Gehirns (Meningitis, Enzephalitis) werden international in den vergangenen Jahren vermehrt Autoimmunerkrankungen des zentralen Nervensystems diagnostiziert, darunter auch eine Enzephalitis mit Nachweis von Antikörpern gegen den NMDA-Rezeptor. Hier geht man laut Studienlage von etwa 2,2 Betroffenen pro 1 Million Einwohner im Jahr aus – also einer sehr seltenen Erkrankung.
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Eine in der Siegener Kinderklinik kürzlich damit diagnostizierte und erfolgreich behandelte achtjährige Patientin stellte sich auf Überweisung des Kinderarztes mit zunächst unspezifischen, grippeähnlichen Symptomen wie Abgeschlagenheit, erhöhtem Schlafbedürfnis, Appetitlosigkeit und Apathie vor, wie den Ausführungen weiter zu entnehmen ist. Während des stationären Aufenthalts kamen zusätzlich Sprachverlust, Desorientiertheit, Wesensänderung, Einschränkung der motorischen Fähigkeiten, eine Schlafstörung sowie Halluzinationen hinzu.
Siegen: DRK-Kinderklinik am Wellersberg will für seltene Erkrankungen sensibilisieren
„Durch den Nachweis von NMDA-Rezeptor-Antikörpern im Blut und Hirnwasser (Liquor) in einem Speziallabor konnte die Diagnose gestellt und eine immunologische Therapie zunächst mit Cortison und Immunglobulinen, im Verlauf auch mit Rituximab, einem monoklonalen Antikörper gegen bestimmte Blutzellen, begonnen werden“ erklärt Burkhard Stüve. „Darunter kam es über mehrere Wochen zu einem vollständigen Verschwinden der Symptome und anhaltender Beschwerdefreiheit.“ Um mehr Informationen über diese seltene Erkrankung zu sammeln, wurde die Patientin anonymisiert mit Einwilligung der Eltern in ein nationales Patientenregister eingeschlossen.
Besonderer Termin
Den internationalen Tag der Seltenen Erkrankungen – im Englischen „Rare Disease day“ – gibt es seit 2008.
Eigentlich ist er gar nicht für den 28. Februar terminiert, sondern – passend zum Thema – für den 29. Februar. Als Schalttag, der nur alle vier Jahre im Kalender steht, ist dieser nämlich ebenfalls selten.
Die autoimmunologisch bedingten Entzündungen des Gehirns treten zwar insgesamt sehr selten auf, dürfen aber wegen der teilweise guten Behandelbarkeit nicht übersehen werden. „Diese Kinder mit anfangs oft unspezifischen Symptomen wie Wesensänderung oder Leistungsminderung zu identifizieren und die notwendigen Untersuchungen zu veranlassen“ sei die spezielle Herausforderung, wie der Chefarzt betont. Genau diesen Betroffenen will die Kinderklinik nach eigenen Angaben anlässlich des Tages der Seltenen Erkrankungen „ein wenig mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit verschaffen“, um auf entsprechende Versorgungsangebote hinzuweisen.
Siegen: Eltern sollten Vorsorgeuntersuchungen für Kinder nicht ignorieren
Wichtig in diesem Zusammenhang ist aus Sicht der Spezialisten für kindliche Erkrankungen der Hinweis, möglichst alle U-Untersuchungen für Kinder und Jugendliche beim niedergelassenen Kinderarzt wahrzunehmen. Genau bei diesen Vorsorgeuntersuchungen könnten auch besondere Beschwerden oder Veränderungen diagnostiziert und eben in Zusammenarbeit mit den Fachärzten der Klinik möglichst frühzeitig behandelt werden. Diese Untersuchungen seien in den meisten Bundesländern keine Pflicht – „es gibt jedoch in einigen Bundesländern eine ärztliche Meldepflicht für Vorsorgeuntersuchungen sowie eine entsprechende Erinnerung der Eltern, wenn eine U versäumt wurde“. Die Ergebnisse einer U-Untersuchung werden jeweils in einem Untersuchungsheft festgehalten, das jedes Kind nach der Geburt erhält. Die Kosten werden von den Krankenkassen getragen.
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