Netphen. Gemeindeprüfungsanstalt mahnt zu mehr Investitionen ins städtische Vermögen und zu interkommunaler Zusammenarbeit auch bei der Schulentwicklung,
Alle fünf Jahre nimmt sich die Gemeindeprüfungsanstalt (Gpa)auch die Stadt Netphen vor. Schwerpunkt in diesem Jahr war der offene Ganztag an den Grundschulen, dessen Verwaltung die Stadt nun selbst in die Hand nehmen muss und für den auch eine Beitragssatzung mit nach Einkommen der Eltern gestaffelten Beiträgen in Kraft gesetzt werden muss (wir berichteten). Aber das war nicht alles. Zu insgesamt 36 „Feststellungen“ muss die Stadt Stellung beziehen. Die Stellungnahme hat der Rat jetzt einstimmig verabschiedet.
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Das Gesamturteil
Auf der Negativseite stehen die zurückgehende Bevölkerungszahl, der zu kleiner Anteil von Jugendlichen an der Gesamtbevölkerung und die geringe Kapitalausstattung. Dem gegenüber sieht die Gpa „gute soziale Rahmenbedingungen“.
Das Eigenkapital ist seit der Eröffnungsbilanz 2008 um 38 Prozent gesunken. „Trotz allem verfügt Netphen über eine gute Eigenkapitalausstattung“, schreibt die Gpa, pro Kopf haben Netphener weniger Schulden als Einwohner vergleichbar großerer anderer Städte. Allerdings sei „zu erwarten, dass sich die Verschuldung in den nächsten Jahren deutlich erhöhen wird“. Denn die geplanten Investitionen könnten nicht aus eigenen Mitteln finanziert werden.
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„Viele Gebäude haben mehr als drei Viertel der angestrebten Nutzungsdauer überschritten. Die Verkehrsflächen sowie die Abwasserkanäle haben ebenfalls deutlich mehr als die Hälfte der Nutzungsdauer hinter sich.“ Der „Abnutzungsgrad“ liegt – dank des neuen Rathauses – bei Verwaltungsgebäuden bei günstigen 33 Prozent, bei Schulen schon bei 57 und bei Kitas bei 63 Prozent, bei Straßen und Wegen bei 70 Prozent, bei Feuerwehrgerätehäusern bei 71 Prozent und bei Abwasserkanälen bei 74 Prozent.
Netphen arbeitet intensiver mit Nachbarkommunen zusammen als andere vergleichbar große Städte. Geplant sei eine Zusammenarbeit bei dem Thema Archivwesen, erfuhr die Gpa. „Die Planungen werden fortgeführt, sobald Besichtigungen von Archiven wieder möglich sind.“ Besonders bewährt habe sich aus Sicht der Stadt Netphen der kreisweite „Solidarfonds Asyl“, aus dem die Krankheitskosten für Asylsuchende bestritten werden. Gesehen hat die Gpa allerdings auch die Netphener Schülerwanderung zur Siegener Bertha-von-Suttner-Gesamtschule und die Siegener Gesamtschul- und Gymnasial-Debatten: „Zukünftiges Potenzial wird bei der interkommunalen Zusammenarbeit der Schulträger auf Kreisebene gesehen.“
Einzelpunkte
Die Gpa zu Bauanträgen: „Auf den Internetseiten der Stadt finden Bauwillige nur wenige Informationen über das Bauantragsverfahren. Zudem bietet die Stadt die Formulare im Internet nicht als interaktive Formulare an. Interaktive Formulare haben den Vorteil, dass die Bauwilligen sie unmittelbar am PC ausfüllen können.“ Andererseits seien 2019 keine Bauanträge zurückgewiesen oder von den Bauwilligen zurückgenommen worden. „Dies lässt grundsätzlich auf eine gute Beratung schließen.“ Einfache Baugenehmigungen dauern in Netphen 63 Tage – die Spanne der Vergleichsstädte reicht von 1 bis 148 Tage. Ein normales Verfahren dauert 121 Tage – die Spanne reicht von 53 bis 196. In Netphen muss eine Kraft in der Bauaufsicht im Jahr 148 Fälle bearbeiten, bei den Baugenehmigungen 145 Fälle – es gibt auch Kommunen mit nur 50 Fällen pro Stelle und Jahr. Die starke Belastung des Personals liegt auch an Ausfällen wegen Krankheit. „Gleichzeitig weist die Stadt Netphen mehr förmliche Bauvoranfragen auf als viele Vergleichskommunen.“ Das liegt daran, dass es in den kleinen Orten oft keine Bebauungspläne gibt, an die sich die Bauwilligen halten könnten.
Nicht umgesetzt
Der letzte Prüfungsbericht wurde am 30. September 2015 dem Rechnungsprüfungsausschuss und am 1. Oktober 2015 dem Ratvorgelegt. „Die Empfehlungen zur Einführung von Hallenbenutzungsgebühren für Vereine, Einführung von Straßenreinigungs- und Winterdienstgebühren und/oder die Schließung von Hallen wurden nicht umgesetzt“, stellt die Gpa fest, „die dafür erforderlichen politischen Mehrheiten sind nicht zustande gekommen.“
Die Gpa zu Auftragsvergaben: Die Stadt gibt nicht öffentlich bekannt, an wen sie Aufträge vergibt. Das muss sie aber ab eier Auftragssumme von 25.000 Euro tun.
Die Gpa zu Korruptionsbekämpfung: Der Bürgermeister hat am 18, Juni 2020 rückwirkend seine Nebentätigkeiten für 2019 dem Rat mitgeteilt. „Dieser Verpflichtung hätte er jedoch früher nachkommen müssen.“ Die Stadt Netphen, so die Gpa weiter, sollte einen Korruptionsbeauftragten benennen. Diese Aufgabe; so die Stadt in ihrer Erwiderung, wird der Leiter des Rechnungsprüfungsamtes wahrnehmen. Einen Rechtsverstoß sieht die Gpa in der „Ehrenordnung“ der Stadt: Ratsmitglieder nennen nur ihre Berufe, nicht aber ihre Funktionen in Vereinen. Diese müssten aber ebenso veröffentlicht werden wie die Mitgliedschaft in Aufsichtsräten von Unternehmen.
Die Gpa zu Sponsoring: Die Stadt hat den Umgang mit Sponsoring nicht geregelt. Möglicherweise gebe es aber „verstecktes Sponsoring“, zum Beispiel Bandenwerbung auf städtischen Sportplätzen, von Privaten zur Verfügung gestellte Lernsoftware an Schulen sowie private Unterstützung von Kultur-, Sport- und Musikveranstaltungen,
Die Gpa zu Investitionen: Regelmäßig werde mehr Investitionsvorhaben veranschlagt als tatsächlich umgesetzt werden. Das, so die Erwiderung der Verwaltung, sei aber nicht zu vermeiden: Die Investition muss im Haushalt veranschlagt werden, bevor Fördermittel überhaupt beantragt werden können.
Die Gpa zu Verkehrsflächen: Schätzungsweise 1,3 Millionen Quadratmeter Verkehrsfläche befinden sich in der Baulast der Stadt, darunter 245 Kilometer Gemeindestraßen, rund 100 Kilometer klassifizierte Straßen und 425 Kilometer Wirtschaftswege, von denen rund 100 Kilometer befestigt sind. In den letzten zehn Jahren hat sich das Vermögen der Verkehrsflächen von 35 Millionen Euro um zwölf Prozent auf 30,8 Millionen Euro verringert. Das ist ein Wertverlust von rund zwölf Prozent. Der Wertverlust wurde nicht zu 100, sondern nur zu 38 Prozent durch Investitionen aufgefangen. Demnach waren die Investitionen in der zurückliegenden Zeit zu gering, um dem Werteverzehr entgegenzuwirken. Der Anlagenabnutzungsgrad von 57 Prozent zeige, „dass die Stadt Netphen dem stetigen Verfall des Verkehrsflächenvermögens momentan nicht entgegenwirken kann“. Und: „Die Stadt Netphen hat keine Gesamtstrategie oder Zielvorgaben für die Erhaltung der Verkehrsflächen definiert.“ Die Stadt erweist auf ihre begrenzten Mittel: „Durch die langen Jahre in der Haushaltssicherung ist die Infrastruktur insgesamt in einem Zustand, der zukünftig einen hohen Unterhaltungs- und Investitionsbedarf auslöst.“
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Die Gpa zum offenen Ganztag an Grundschulen: Der offene Ganztag ist womöglich nicht wirtschaftlich, weil die Stadt selbst konkurrierende Betreuungsangebote wie 13 Plus oder den flexiblen Ganztag zulässt. Es sei „konkret beabsichtigt, die Elternbeiträge auf Grundlage einer kommunalen Elternbeitragssatzung zu erheben“, kündigt die Stadt an, „eine soziale Staffelung wird Berücksichtigung finden“. Die erhobenen Kennzahlen unterstrichen die Wirtschaftlichkeit des Angebotes.
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