Dreis-Tiefenbach. Nachhaltiges Mobilitätskonzept der Unternehmen Invers aus Netphen und Wego Carsharing: Wie Carsharing – aber nur mit Leuten, die man kennt.
Lange Autoreihen am Bordsteinrand, viel Verkehr und verstopfte Straßen. Nachhaltige Alternativen zum eigenen Auto stoßen auf immer größeres Interesse. Innovative Mobilitätskonzepte wie das „Community Carsharing“ tragen dazu bei. Die Idee dahinter: Mehrere Personen, die sich kennen, teilen sich ein Fahrzeug. Das Unternehmen „Invers“ mit Sitz in Dreis-Tiefenbach liefert die Technologie für die Autos.
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Angebote für öffentliches Carsharing, bei denen jeder Zugriff auf die Fahrzeuge hat, gibt es in vielen Städten. Neu und anders beim „Community Sharing“: Ein begrenzter Personenkreis teilt sich die Fahrzeuge – zum Beispiel die Bewohner eines Hauses, einer Straße, eines Wohnquartiers. Daher wird dieses Mobilitätskonzept auch „Quartiersharing“ genannt. „Für viele Leute ist es ganz wichtig zu wissen, mit wem man ein Fahrzeug benutzt und dass nicht jeder damit herumfahren kann“, erklärt Willem Schonewille, Managing Director von „WeGo Carsharing“, das entsprechende Softwaresysteme entwickelt.
12 bis 15 Personen nutzen Community Carsharing und sparen so 6 bis 8 Autos
Community Carsharing sei ein relativ neues Mobilitätskonzept. In den Niederlanden mache WeGo Carsharing seit einigen Jahren sehr gute Erfahrungen mit „geteilten Autos“, so Willem Schonewille: „Dabei nutzen durchschnittlich 12 bis 15 Personen ein Auto, was etwa sechs bis acht Autos ersetzen kann.“ Auch in Deutschland seien solche nachhaltigen Mobilitätslösung immer gefragter.
Bei den Fahrzeugen werde zunächst die notwendige Hardware eingebaut – eine Art Fahrtenschreiber (Blackbox), der alle Vorgänge mit dem Auto registriert. Invers stellt das digitale System „CloudBoxx“ für die Kommunikation mit dem Auto zur Verfügung. „Mit dem digitalen Zugriff auf die Fahrzeuge ermöglichen wir ein flexibles, gemeinsames Nutzen des einzelnen Autos und tragen dazu bei, Städte zu entlasten und die Umwelt zu schonen“, sagt Geschäftsführer Alexander Kirn.
Nachhaltigkeit: Community Carsharing trägt dazu bei, CO2 einzusparen
WeGo Carsharing baut darauf auf und liefert eine Software-Lösung für Carsharing-Betreiber in Form einer Smartphone-App. „Wir können mit Hilfe der Daten, die die Invers-Hardware ausliest, auf unserer Plattform verfolgen, wo ein bestimmtes Fahrzeug steht und wer es gerade benutzt“, erklärt Willem Schonewille. Für Community Sharing werden überwiegend neue Fahrzeuge verwendet – und zu 100 Prozent Elektroautos. Aber jedes Fahrzeug kann mit der Invers-Ausrüstung versehen werden. Ein weiteres Projektziel sei aber, CO2 einzusparen – da machen E-Autos einfach mehr Sinn.
Community Sharing wird auch von Privatpersonen organisiert und betrieben, es gibt aber auch professionelle Mobilitätsdienstleister, beispielsweise der Hausmeister eines Wohnquartiers, der die Fahrzeuge betreut. Dieser kann Anwohner per App-Einladung hinzufügen, damit eben nur ausgewählte Personen Zugriff haben. Per App können Kunden aus den zur Verfügung stehenden Fahrzeugen auswählen und diese für bestimmte Zeiträume reservieren. „Wir haben viel Wert auf eine einfache Handhabung gelegt, das Layout unserer App ist leicht verständlich“, so Schonewille.
Vorteile Community Carsharing: Keine Inspektion, TÜV, Reifenwechsel, Parkplatzsuche, ...
Vor der ersten Nutzung wird der Führerschein in der App per Scan überprüft – ohne ist eine Reservierung nicht möglich. Während des reservierten Zeitraums – auch ganze Tage – können beliebig Stopps eingelegt werden. Die Autos des Community Sharing sind gegen Diebstahl gesichert – ohne Reservierung können sie gar nicht erst gestartet, ohne App nicht geöffnet und abgeschlossen werden.
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Für Willem Schonewille sind die Vorzüge klar: Kunden müssen kein teures eigenes Auto kaufen, keine Steuern oder Versicherung bezahlen, sich nicht um Inspektion, TÜV oder Reifenwechsel kümmern. Gerade in städtischen Bereichen, wo es mit der Parkplatzsuche schwierig werden kann, profitiert auch die Kommune, da sie weniger Parkraum zur Verfügung stellen muss. Zudem werde das Straßenbild ruhiger – es parken weniger Autos am Straßenrand. Und in ländlichen Bereichen, so die Erfahrung, würden sich viele Familien für Community Sharing entscheiden und auf ein Zweitfahrzeug verzichten – für Arzttermine oder Familieneinkäufe zum Beispiel stehe problemlos immer ein Auto zur Verfügung.
Nutzer von Community Carsharing profitieren von flexibler umweltfreundlicher Mobilität
Das Modell sei nachhaltiger als eigene Fahrzeuge, da unnötige Fahrten eher vermieden werden (weil gebucht werden muss). Weil ganz überwiegend E-Autos eingesetzt werden, biete sich hier eine Chance, auf Elektromobilität umzusteigen, ohne ein teures eigenes Fahrzeug anschaffen zu müssen. „Community Carsharing bietet Vorteile für den Nutzer und die Umwelt“, betont Alexander Kirn. „Der Nutzer profitiert von flexibler, komfortabler und erschwinglicher Mobilität, die Umwelt von weniger Autos und mehr Elektroantrieb.“
Und auch der Aspekt, dass viele Nutzer sich nicht ein Auto mit Fremden teilen möchten, sei nicht zu unterschätzen. „Das gibt den Menschen das Gefühl, dass es ihr Auto ist“, berichtet Willem Schonewille. „Man weiß immer, wer die Fahrzeuge gerade benutzt und wer gestern damit gefahren ist.“ Die soziale Kontrolle sei daher besser als bei öffentlichem Carsharing, die Autos seien viel besser gepflegt. „Unser Angebot wird von den Leuten sehr gut angenommen, wir müssen das Konzept aber unter den vielen Sharing-Angeboten vielseitig vermarkten, um uns abzusetzen“, betont Willem Schonewille.
Für Nachbarschafts-Autos per App registrieren und online verwalten
Bezahlt werden nur die eigenen Fahrten, ein kombinierter Preis aus Kilometern und Minuten. Häufig gehen die Betreiber dabei von einem Stundenpreis aus, der durchschnittlich bei drei bis vier Euro und 30 Cent pro gefahrenen Kilometer liege. Das könne aber je nach Größe des Fahrzeugs variieren. Neben den gefahrenen Kilometern enthält der Preis auch Wartung, Versicherung und bei Verbrennern Kraftstoff.
Die Invers-Blackbox übermittelt am Monatsende automatisch eine detaillierte Rechnung an die einzelnen Nutzer. „Jede Fahrt während des Monats ist darauf aufgelistet und so kann der Kunde nachvollziehen, wie viele Kilometer er in dem Monat mit dem Fahrzeug zurückgelegt hat“, erklärt Alexander Kirn. Per Link kann dann online über die gängigen Dienstleister bezahlt werden. Versichert seien die Autos durch eine Flottenversicherung. Die integrierte Führerscheinkontrolle über die App sei Pflicht, damit der Versicherungsschutz bei Schäden greift.
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In den Niederlanden sei die Nachfrage nach nachhaltigeren Mobilitätskonzepten schon seit einigen Jahren sehr hoch. Dort gebe es sowohl im städtischen als auch ländlichen Bereich schon viele solcher Projekte. „In Deutschland haben nun auch zahlreiche Baugesellschaften diesen Trend erkannt und integrieren Shared-Mobility-Angebote seit Kurzem bei der Planung neuer Wohnquartiere“, erzählt Willem Schonewille.
Neue Parkplatzverordnung: weniger Stellplätze mit Community Carsharing kompensieren
Man bekomme aktuell viele Anfragen von deutschen Investoren bei Neubauten – Kommunen oder Bauunternehmen. Ein Grund dafür: die neue Parkplatzverordnung. In vielen Kommunen dürfen neuerdings bei Bauvorhaben pro Wohnung nur noch 0,75 Parkplätze gebaut werden – bei einem Gebäude mit 24 Wohnungen also nur noch 12 oder 15 Parkplätze. Daher werden dringend Alternativen gesucht, um das Problem zu lösen.
„Viele Baugesellschaften schlagen daher vor, einige Ladesäulen am Wohnkomplex aufzustellen und zwei oder drei Sharing-Fahrzeuge anzuschaffen“, so Schonewille. Ein Ansatz, der auch in Deutschland helfen könnte, flexible Mobilität nachhaltig und kostengünstig anzubieten. Erste Projekte seien bereits in der Planung.
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Auch in Deutschland steigt die Nachfrage. „WeGo Carsharing“ bekomme regelmäßig Anfragen für neue Wohnquartiere oder große Firmen. Willem Schonewille hofft, dass das Interesse in Deutschland genauso schnell wächst wie in den Niederlanden. Er ist überzeugt, dass Community-Sharing-Angebote in Zukunft auch in Deutschland vermehrt genutzt werden.