Siegen. Zwei jungen Familienvätern aus Netphen und Bad Berleburg droht die Abschiebung nach Armenien. Am Montag wird vor dem Kreishaus demonstriert.
Am Montagvormittag ab 11 Uhr soll es eine größere Demonstration vor dem Siegener Kreishaus geben. Ein breites Bündnis will dort für ein humanitäres Bleiberecht der Familien Muradi und Agayan eintreten und den Landrat sowie die Kreisausländerbehörde bewegen, sich für einen Abschiebestopp einzusetzen. Bereits am Samstag haben die Unterstützer der Familien einen Infostand auf der Siegbrücke aufgebaut, um noch einmal auf die Problematik aufmerksam zu machen, zu informieren und Unterschriften für eine Petition an das Land zu sammeln.
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Kein Pass ohne Militärdienst
Der junge Armenier Karen Agayan aus Netphen ist rechtlich – wie es im Amtsdeutsch heißt – „abschiebepflichtig“, kann in Deutschland derzeit nicht arbeiten. Ganz ähnlich liegt der Fall von Elvin Muradi aus Aue-Wingeshausen, der gebürtig aus Aserbaidschan kommt. Beide sind Väter junger Familien und leben bereits seit einigen Jahren in Deutschland. Karen Agayan ist schon als kleines Kind mit seinen Eltern und seinem jüngeren Bruder Ishan ausgewandert.
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Letzterer ist am Samstag auch vor Ort und erklärt am Infostand die Lage seines Bruders noch einmal eindringlich. Karen müsse in Armenien zum Militär, um einen Pass zu erhalten und dann vielleicht auch einmal in Deutschland eingebürgert zu werden, bekomme aber dort während des Dienstes kein Geld. Was also mit der Familie machen? „Vielleicht will Deutschland ihnen ja dann so viel Geld mitgeben, damit sie dort leben können“, schüttelt der 22-Jährige den Kopf, der aktuell noch eine Ausbildung macht, später für sich aber ähnliches befürchtet. „Wir gelten dort als Verräter, kennen niemanden, sprechen kaum die Sprache“, betont er und wünscht sich ein Einlenken im Kreishaus.
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VAKS: „Nicht nachzuvollziehende Absurdität“
Unterstützung für das Anliegen drückt der Verein für soziale Arbeit und Kultur Südwestfalen (VAKS) in einem Schreiben an Landrat Andreas Müller aus. „Für die Familien, die Frauen und die Kinder, droht auf unbestimmte Zeit der Verlust/die Trennung vom Ehemann und Vater, der grundgesetzlich festgeschriebene Schutz der Familie wird so ausgehebelt.“ Überdies würde Deutschland zwei ausbildungs- und arbeitswillige Männer verlieren, stellt VAKS-Geschäftsführer Michael Groß fest. „Es ist eine nicht nachzuvollziehende Absurdität, dass wir in anderen Ländern mühsam Pflegekräfte anwerben und hier Menschen, die in der Pflege arbeiten wollen, mit Abschiebung bedrohen.“
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Helga Dellori (Ehrenamt Integration/IG Metall) findet, dass sich die Katze in dieser Problematik „in den Schwanz beißt“ und erinnert daran, dass sich Armenien in einem kriegerischen Konflikt befinde. Abschiebung gehe da gar nicht. „Wir haben gute Gespräche geführt“, bestätigt ihre Mitstreiterin Katrin Fey (Die Linke). Im Laufe des Vormittags seien viele Menschen zum Stand gekommen, hätten sich interessiert, seien aber auch schon über die Dinge informiert gewesen. „Es wird noch Zeitung gelesen“, ergänzt Helga Dellori. Obwohl einige finden, dass ein Platz in der Oberstadt am Samstag noch besser gewesen wäre, im Rahmen des Wochenmarktes, sind insgesamt alle zufrieden.
Für Dialog
An den Runden Tisch, der die Situation der Geflüchteten im Kreisgebiet verbessern soll, erinnert Michael Groß, Geschäftsführer des Vereins für soziale Arbeit und Kultur Südwestfalen (VAKS) in seinem offenen Brief an Landrat Andreas Müller.
„Seit langem tagt dieser Runde Tisch nicht mehr“, bedauert Michael Groß. Das habe zu mehr Auseinandersetzung, weniger Verständnis und nicht mehr nachvollziehbaren Handlungsweisen geführt. Wünschenswert sei, „dass es wieder zu einem für alle Beteiligten sinnvollen Dialog kommt“.
Auch SPD-Abgeordnete unterschreibt
Nur wenige kritische Stimmen habe es gegeben, die allgemein keine Ausländer im Land hätten dulden wollen. „In nur einer Woche haben wir die 1000 geknackt“, berichtet Katrin Fey über den Erfolg der Petition „Recht zu bleiben“, die auf der Online-Plattform von openPetition organisiert wird. Vor Ort konnte auf Papier unterschrieben werden, aber auch online. Die Papierlisten seien eher „für die Älteren“, würden später eingescannt. Jedenfalls gebe es viel Verständnis für das Anliegen, gehen Fey und ihre Mitstreiter optimistisch in die neue Woche.
Am Sonntagmittag waren es 1060 Unterstützer. Für das – nach der Einwohnerzahl berechnete – selbst gesetzte Quorum zählen die 790 Unterzeichner aus dem Kreisgebiet, unter ihnen auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Luiza Licina-Bode. Das sind 34 Prozent der mindestens 2300 Stimmen, die openPetition an Landrat Andreas Müller weiterleiten will.
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