Weidenau. Endgültig vorbei ist der Arbeitskampf um geplante Schließung des Werks in Siegen-Weidenau aber nicht: Jetzt sind Gewerkschaftsmitglieder am Zug.

Die IG Metall und Benteler sind sich einig geworden, es liegt ein Tarifergebnis vor. Damit ist der Streik (wir berichteten) im Werk Weidenau ausgesetzt. Nun ist die Belegschaft am Zug: Sie entscheidet in einer weiteren Urabstimmung, ob aus dem Ergebnis ein Abschluss wird. Lehnt sie das ab, geht der Arbeitskampf weiter.

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Gewerkschaft und Betriebsrat waren zuletzt während der immer wieder festgefahrenen Verhandlungen vorbereitet: Mittwochnachmittag war das Werk heruntergefahren worden, an den Toren bezogen Streikposten Position, um Streikbrecher in Gesprächen davon zu überzeugen, das Werk nicht wie von Benteler geplant zu übernehmen, um die Produktion weiterführen zu können. „Wie Ihr sie gestern erwischt habt – das hat geholfen“, rief Andree Jorgella, 1. Bevollmächtigter der IG Metall, bei der Kundgebung vor dem Werk am Donnerstag, als das Ergebnis verkündet wurde.

Streikbrecher bekommen Maschinen bei Benteler Siegen zeitweise ans Laufen

Dennoch sei es dem Arbeitgeber mit Hilfe der Streikbrecher gelungen, die Maschinen für einige Stunden ans Laufen zu bekommen, so Jorgella. 50 Arbeitskräfte aus Tschechien hätten bereit gestanden, die Maschinen zu besetzen, weitere 40 aus Spanien habe Benteler in der Hinterhand gehabt. „Die hätten nie Eure Leistung, Eure Qualität gebracht“, so Jorgella, „aber sie hätten Euch Tag für Tag das Leben schwer gemacht.“

Neben der Benteler-Belegschaft sind auch Vertreter weiterer Siegerländer Betriebe zur Kundgebung nach Weidenau gekommen.
Neben der Benteler-Belegschaft sind auch Vertreter weiterer Siegerländer Betriebe zur Kundgebung nach Weidenau gekommen. © Hendrik Schulz

Dieses Manöver von Benteler habe eine Qualität, die er im Siegerland bislang nicht kenne. Daher sei es vielleicht auch ganz gut, dass sich der Konzern „von hier verzieht“. Bevor die Weidenauer Benteler-Leute wieder an ihre Arbeitsplätze zurückkehrten, sollten diese „moralisch fragwürdigen Menschen“ das Werk verlassen, „das will ich Euch nicht antun, dass Ihr denen ins Gesicht sehen müsst, die Eure gerechte Sache sabotieren wollten.“ Er hoffe, so der Gewerkschaftssekretär, dass sich den Streikbrechern, „wenn sie soweit sind“, alle andere solidarischer zeigten, als sie es hier waren“.

Siegens Bürgermeister: Hatte gehofft, sich auf Familienkonzerne verlassen zu können

Umso erfreulicher sei es zu sehen, dass Arbeitnehmer anderer Siegerländer Betriebe, der DGB und die Politik ihre Solidarität gezeigt hatten, sagte Jorgella. „Ich bin erleichtert, dass doch noch so viel in Bewegung gekommen ist“, so Bürgermeister Steffen Mues bei der Kundgebung, das habe er nicht mehr erwartet. Auch er betonte die Bedeutung des Zusammenhalts, den die Beschäftigten und den die Region gezeigt habe. Andererseits habe er „ein großes weinendes Auge, hier werden an die 300 Arbeitsplätze vernichtet“. Das sei ein schwerer Schlag, in allererster Linie für die Betroffenen – und für Siegen. „Ich hatte gehofft, dass die Zeiten, in denen Großkonzerne eine solche Rolle spielen, vorbei sind; dass man sich auf die Familienkonzerne verlassen kann“, rief Mues

Peter Richter, Betriebsbetreuer der IG Metall, berichtete der Belegschaft von den Entwicklung seit Mittwochnachmittag. Nachdem sich vor der Einigungsstelle andeutete, dass deren Vorsitzender der Argumentation der Arbeitgeberseite zuneigen würde, habe man die Reißleine gezogen. So etwas habe er auch noch nicht erlebt von einer Instanz, die dazu da sein sollte, beide Seiten zusammenzubringen. Man habe alle Hebel in Bewegung gesetzt, wieder am Verhandlungstisch Platz zu nehmen – dabei habe der Streik geholfen, „wir haben sie kalt erwischt“. Am Donnerstagmorgen habe Benteler so unter Druck gestanden, dass das Unternehmen keine andere Wahl mehr gehabt habe.

Eckpunktepapier hält Tarifergebnis für Benteler-Werk Siegen-Weidenau fest

„Es ist nicht das schönste Ergebnis“, so Andree Jorgella – Gewerkschaft und Betriebsrat sind nach wie vor der Ansicht, dass die Werksschließung keineswegs alternativlos ist. Bei den Abfindungen habe man den Faktor 0,3 pro Jahr Betriebszugehörigkeit nicht akzeptieren können, aber auch hinnehmen müssen, dass man mit 1,0 nicht durchkomme. Bei der Transfergesellschaft, die älteren Beschäftigten für die Zeit der Jobsuche eine Weiterqualifizierung ermöglichen soll, sei man mit dem 40. Lebensjahr nicht weitergekommen – zumindest dann nicht, wenn man beim Abfindungsfaktor nicht entgegenkomme. „Viele arbeiten seit Jahrzehnten hier, sie brauchen ein Stück Qualifikation“, so Jorgella.

In einem Eckpunktepapier ist nun die Einigung festgehalten: Eine Transfergesellschaft für alle ab dem 44. Lebensjahr, ein Abfindungsfaktor von 0,75. Das ist das Angebot, „Ihr entscheidet, ob wir weiterstreiken oder aufhören“, so Jorgella zu den Gewerkschaftsmitgliedern. Dann aber müsse man wieder bei Null beginnen.

Benteler hofft, Beschäftigte in Siegen „bestmöglich unterstützen zu können“

Wird das Papier angenommen, werden die Konditionen zu Themen wie Abfindungen und Transfergesellschaft im Anschluss in einen Sozialtarifvertrag überführt. „Unsere Zielsetzung war es seit Beginn des Verhandlungsprozesses, eine Lösung im Dialog zu erzielen. Dies ist nun nach intensiven Gesprächen und Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten erfolgreich gelungen“, sagt Michael Baur, „Chief Restructuring Officer“ der Benteler-Gruppe.

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Man bedaure sehr, das Werk Weidenau schließen zu müssen, „uns ist bewusst, dass diese Entscheidung für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort besonders schwer ist.“ Man hoffe, die Beschäftigten durch den Sozialplan in dieser schwierigen Situation bestmöglich unterstützen zu können. Der geplanten Schließung des Standortes sei eine eingehende Analyse vorausgegangen. Aufgrund der reduzierten Nachfrage nach Komponenten in Westeuropa und nicht erfolgter Aufträge sei die langfristige Auslastung des Werks aber nicht mehr möglich.