Siegen. Ein Team der Uni Siegen will Senioren für die Nutzung von Smartphones, Tablets und Apps gewinnen. Das erfordert oft besondere Herangehensweise.

Moderne Technologie kann älteren Menschen das Leben erleichtern – doch viele tun sich mit digitalen Geräten und Medien schwer, weil ihnen der Zugang fehlt. Das Forschungsprojekt ACCESS der Universität Siegen entwickelt Lernformen, um Seniorinnen und Senioren digitale Teilhabe zu ermöglichen.

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Die Hemmungen, die viele ältere Menschen gegenüber Tablets, Smartphones oder Apps haben, beruhen nicht nur darauf, dass sie daran nicht im selben Umfang wie jüngere gewöhnt sind. Es liege unter anderem auch daran, „dass digitale Produkte meist nicht auf Menschen fortgeschrittenen Alters zugeschnitten sind“, erklärt Wirtschaftsinformatikerin Prof. Claudia Müller, die an der Uni Siegen zu IT für die Alternde Gesellschaft forscht.

Siegen: Forschungsteam der Universität will Senioren Zugang zu digitaler Technik ebnen

Digitale Medien und Produkte hätten dabei das Potenzial, „ältere Menschen im Alltag zu unterstützen und ihr Wohlbefinden zu erhöhen“, schreibt die Uni in einer Mitteilung. „Das fängt bei Messengerdiensten an, mit denen schnell mit Angehörigen kommuniziert werden kann. Darüber hinaus können das auch Haushaltshelfer wie Staubsaugerroboter sein bis hin zu digitaler Blutdrucküberwachung oder digitaler Blutzuckermessung“, sagt Claudia Müller. Im aktuellen europäischen Forschungsprojekt ACCESS (Englisch für „Zugang“) erforscht sie, warum viele ältere Menschen digitale Geräte nicht nutzen, welche sozialen, ökonomischen und räumlichen Hindernisse bestehen und wie Barrieren – Unsicherheit vor Veränderung, fehlende soziale Kontakte, nicht vorhandene technische Voraussetzungen – abgebaut werden können.

Forschungspartner

Bei dem Projekt arbeiten die Juniorprofessur Wirtschaftsinformatik/IT für die alternde Gesellschaft, die Institute für Gerontologie und Soziologie der Universität Wien, die School of Educational Sciences and Psychology, die University of Eastern Finnland, das Istituto Nazionale di Riposo e Cura per Anziani und das Deutsche Institut für Japanstudien zusammen.

Die Joint Programming Initiative (JPI) „More Years, Better Lives“ wird von J-Age II unterstützt. J-Age II wird durch das EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation Horizon2020 finanziert. Die Förderungssumme beträgt rund 890.000 Euro.

Im Rahmen des auf drei Jahre angelegten Projekts beschäftigen sich Claudia Müller und ihr Team nicht bloß mit der Frage, welche digitalen Technologien ältere Menschen im Alltag unterstützen können. „Dreh- und Angelpunkt ist die Frage, wie sich Senioren Technik einfacher aneignen können und einen gewissen Grad an digitaler Kompetenz erlangen“, heißt es weiter. Im Vordergrund stünden die Bedürfnisse der Nutzer. „Ältere Menschen werden in den Prozess einbezogen und digitale Lösungen in ihrem Alltag getestet – sie werden zu Mitentwicklern“, wie den Ausführungen zu entnehmen ist. Das wiederum erfordere eine „gute und vertrauensvolle Beziehung“, womit das Team „weitaus mehr Fähigkeiten als nur technisches Wissen“, brauche.

Uni Siegen: Senioren lernen Umgang mit digitaler Technik in lockerer Atmosphäre

Ihre Forschungsprojekte sind multidisziplinär ausgerichtet. In ACCESS erforscht, entwickelt und implementiert Claudia Müllers Team neue Formen sozial eingebetteter Lernmöglichkeiten für Ältere mit geringen technischen Fähigkeiten. Sowohl die Forschungsarbeit als auch das spätere Lernen geschehen dort, wo ältere Menschen sich wohlfühlen – im besten Fall zuhause oder in Gemeinschaftsräumen einer Seniorenwohnanlage. „Dazu gehört übrigens auch immer Kaffee und Kuchen“, berichtet Claudia Müller. „Eine lockere,ungezwungene Atmosphäre ist unheimlich wichtig für eine gute Zusammenarbeit und für Lernprozesse.“ Generell seien ältere Menschen nicht abgeneigt, moderne Technologie einzusetzen, solange sie einen konkreten Nutzen für ihren Alltag erkennen können. Dann seien sie auch motiviert, sich Wissen anzueignen.

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Das Team entwickelte Workshops „mit nachhaltigem partizipatorischen Ansatz“, wie es weiter heißt. So wurden Werkzeuge entwickelt, mit denen Wissen auch weitergegeben werden kann. Dazu mussten zunächst bestehende Probleme beim Umgang mit digitaler Technologie und beim lebenslangen Lernen älterer Menschen verstanden werden. Das Team führte ausführliche Interviews, schaffte Geräte wie Staubsaugerroboter, vernetzte Sprachassistenten oder digitale Blutdruckmessgeräte an, die im Alltag getestet und bewertet wurden. Ihr Feedback hielten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Tagebüchern fest oder sie drehten kurze Videos, in denen sie erklärten, warum ihnen ein Gerät wie etwa ihr Smartphone besonders wichtig ist.

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Um einen nachhaltigen Effekt von ACCESS zu gewährleisten, sei es wichtig, die Erkenntnisse über das Projektende hinaus in die Gesellschaft zu tragen. Daher wurden früh externe Organisationen wie Kommunen oder ehrenamtlich tätige Vereine als Partner einbezogen, die künftig das Lehrangebot eigenständig anbieten sollen.

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