Siegen. Auf Drogen: Brüder rasten in Siegen aus, verletzen Menschen, beleidigen Polizisten, einer verfällt in üblen Nazi-Jargon. Sie landen vor Gericht

Zwei Brüder müssen sich am Mittwoch im Siegener Amtsgericht verantworten. Die Vorwürfe umfassen Widerstand gegen Polizeibeamte, versuchte und vollendete Körperverletzung, Beleidigungen. Die jungen Männer kommen nach mehr als drei Stunden Verhandlung mit Bewährungsstrafen davon.

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„Das ist ein Vertrauensvorschuss, den wir in Sie setzen“, macht Amtsrichterin Antonia Kuhli aber deutlich. Wenn sie auf dem bisherigen Wege weitermachten, „dann heißt es Köfferchen packen und einfahren“. Dann warte das Gefängnis.

Siegen: Randalierende Brüder beleidigen Polizeibeamte rassistisch

Im Februar 2021 hatten die beiden am Weideneuer Bahnhof in einem Bus randaliert und die Fahrerin bedroht. Die Polizisten, die herbeigerufen wurden, trafen zwei sehr aggressive Angeklagte an, die sich gegen die Mitnahme sperrten und beide mit Schimpfworten nicht geizten. Der ältere Bruder M. (23) war bereits fixiert, der jüngere (20) wollte ihm helfen und musste ebenfalls festgehalten werden. Er legte nach der Anklageschrift im Zellentrakt dann richtig los. „Ihr Kanaken habt euch hier als Polizisten eingenistet“, soll er zwei Beamte mit Migrationshintergrund beschimpft haben. Und: „Ihr gehört ins KZ und solltet vergast werden. Heil Hitler“, sei ebenfalls gerufen worden.

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Beide Brüder machen große Erinnerungslücken geltend. F. gibt die Beleidigungen grundsätzlich zu. „Pisser“ und „Schwuchtel“ könne sein. Andere Sachen lehne er ab. Solche Formulierungen wie die zitierten seien ihm völlig fremd. Er könne sich nicht vorstellen, so etwas gerufen zu haben. Warum sollten die Polizisten lügen, möchte die Vorsitzende wissen. Wahrscheinlich übertrieben diese, um ihm eins auszuwischen. Zumal ihm in einer anderen Sache vom März der Begriff „Nazischweine“ vorgeworfen werde. Das passe doch gar nicht zusammen. Allerdings will er auch das nicht gerufen haben.

Siegen: Angeklagte Brüder erschlugen Hühner mit Spaten

Diesem zweiten Vorfall war eine Tat vorausgegangen, die bereits verurteilt worden ist. Mit Alkohol, Drogen und Medikamenten zugedröhnt hatten die beiden die Hühner ihres Vermieters mit Spaten erschlagen. Ein Bekannter des Eigentümers, der zum Schutz nachträglich von diesem angerufen wurde, spricht von „platten Tieren“, die ausgesehen hätten, als seien sie überfahren worden, von einer perversen Tat.

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Der 41-Jährige machte den Brüdern klar, sie sollten die beiden letzten Hühner am Leben lassen, bekam als Antwort einen Faustschlag vom Älteren ins Gesicht. Beide gingen ihn an, allerdings soll nur M. geschlagen haben. Der Zeuge stürzte auch noch die Treppe hinunter, beschreibt den Täter als „völlig außer Rand und Band“. Der habe die Schlägerei sogar im Straßenverkehr vor dem Haus fortgesetzt, „ich war kreidebleich“. Ihm sei klar geworden, „ich bin allein und die sind zwei. Ich muss hier weg.“ Allerdings sorgt die Aussage dafür, dass nur M. wegen einfacher Körperverletzung verurteilt und der Vorwurf gegen den Bruder eingestellt wird.

Amtsgericht Siegen: Angeklagte Brüder neigen zu Konsum von Drogen und Alkohol

Dass es danach erneut zu Widerstand und vor allem Beleidigungen gegen Polizisten kam, gibt der Vorsitzenden und auch Oberamtsanwalt Markus Urner zu denken. Als Amtsrichterin Antonia Kuhli das Duo vor einigen Monaten wegen Erschlagens der Hühner verurteilte, gab es ein Gutachten darüber, dass beide Brüder wegen der Einnahme von Drogen, Alkohol und Medikamenten nur bedingt schuldfähig waren. Das kommt ihnen auch hier wieder zu Gute - Offensichtlich verlören sie immer wieder die Kontrolle, wenn sie entsprechend konsumierten und müssten ihr Verhalten dringend überdenken, warnt Kuhli mehrfach.

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Der Anklagevertreter beantragt ein Jahr und zwei Monate gegen M, ein Jahr für den Jüngeren. Bei beiden sieht er eine gewisse Hoffnung auf Besserung und setzt sich für eine Bewährung ein. Immerhin hat M. angekündigt, eine Therapie machen zu wollen. Derartige Beleidigungen aus der rechten Ecke seien allerdings für ihn „unterste Schublade“, betont Urner mit hörbarer Fassungslosigkeit. Das gehe gar nicht. Wobei F. weiterhin „nicht glauben kann, dass ich so etwas gesagt habe“. Es sei allerdings erschreckend, was er im Nachhinein immer wieder über sich und seinen Bruder erfahren müsse.

Amtsgericht Siegen: Richterin entscheidet auf Bewährungsstrafen

Die Vorsitzende entscheidet ebenfalls auf 14 Monate bei M., bleibt für F. mit elf Monaten knapp unter dem Antrag. Die Verteidiger haben nur auf Bewährung gesetzt und keine Zahlen genannt. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie ein Mensch einem anderen mit KZ und Vergasung drohen kann“, gibt Antonia Kuhli dem jüngeren Bruder mit. „Kein Mensch in Deutschland muss sich so etwas sagen lassen!“

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Sie hofft, dass die beiden Männer sich das Urteil endgültig zur Warnung dienen lassen und F. vielleicht in den Therapieansätzen seines Bruders auch ein Beispiel für sich findet. Beide haben auf letzte Worte verzichtet, nehmen das Urteil direkt an. Jeder muss auch noch 1000 Euro zahlen. Sie haben auch versucht, sich zu entschuldigen. Ein Polizist hat das abgelehnt: „Sie hatten ein Jahr Zeit“. Auf M. wartet noch eine weitere Verhandlung mit angeklagten Taten von Ende 2020 und Anfang 2021.

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