Siegen. Sein Projekt hat Prof. Dr. Jöran Beel aus Irland nach Siegen mitgebracht: Er ist einer der Rückkehrer, die NRW mit Forschungsmitteln lockt.

Streamingdienste weisen auf neue Serien hin. News-Seiten empfehlen Artikel. Facebook schlägt Kontakte vor: Fast auf jeder größeren Webseite ist ein Empfehlungsdienst installiert. Für die Unternehmen bedeutet das oft bares Geld: Werden Kundinnen und Kunden gehalten oder springen sie ab? „Derzeit gibt es zwei Möglichkeiten für Firmen, einen Empfehlungsdienst zu nutzen“, sagt Prof. Dr. Jöran Beel, Professor für intelligente Systeme an der Universität Siegen. „Entweder Sie stellen viele Experten ein, die einen individuellen Empfehlungsdienst für die jeweilige Firma entwickeln, oder Sie bezahlen ein Unternehmen, das den Dienst anbietet.“

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Die meisten anderen Unternehmen bezahlen ein Abonnement für einen Empfehlungsdienst. Viel Geld für häufig relativ schlechte Qualität, sagt der Informatiker. Beel möchte das ändern. Er arbeitet daran, einen qualitativ hochwertigen Empfehlungsdienst zu entwickeln, der auf die Bedarfe von kleinen und mittleren Unternehmen ausgelegt ist.

Rückkehrer

Für das Projekt hat der Informatiker 1,25 Millionen Euro verteilt über fünf Jahre zur Verfügung. Die Förderung stammt aus dem NRW-Rückkehrprogramm, das Beel im Oktober 2020 an die Universität Siegen gebracht hat.

Er bewarb sich vom Trinity College Dublin (Irland) auf das Programm. Der 40-Jährige möchte wieder in in Deutschland leben. Fachliches und unternehmerisches Umfeld haben ihn nach Siegen gelockt.

Er und Kollegen und Kolleginnen testeten auf sechs News-Seiten fünf verschiedene Algorithmen für Empfehlungen. Danach maßen sie die Klickraten. „Es hat sich gezeigt, dass die Algorithmen auf jeder Seite unterschiedlich gut abschnitten.“ Neben der Branche seien weitere Faktoren relevant, wie zum Beispiel das Geschlecht und Alter der Leser oder die Tageszeit, zu der die Artikel gelesen werden.

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Weltweite Nutzung in fünf Jahren

In Beels Projekt an der Universität Siegen sollen nicht Menschen den passenden Algorithmus auswählen, sondern die Software selbst. Der Datenwissenschaftler stellt sich eine Software vor, die einfach in die Webseite integriert werden kann. Zunächst arbeitet Beel mit seinen zwei Doktoranden aus Irland und Frankreich an komplexen Tests: „Wir erfassen einige Dutzend Grund-Algorithmen, die verschiedene Ansätze verfolgen.“ Der zweite Schritt macht aus der Software einen selbstlernenden Empfehlungsdienst: Unternehmen aus den Onlinehandel- und Nachrichtengewerben sollen die Software testweise für ihre Zwecke anwenden, damit die Forschern die Ergebnisse für das maschinelle Lernen nutzen können. „So sparen wir zum einen Entwicklungszeit, zum anderen wird unsere Software deutlich besser funktionieren als die vorhandenen Abonnements.“

Um auch kleineren Firmen einen guten Empfehlungsdienst zu ermöglichen, entwickelt Professor Dr. Jöran Beel von der Universität Siegen eine Software, die selbst lernt, die besten Empfehlungen zu geben.
Um auch kleineren Firmen einen guten Empfehlungsdienst zu ermöglichen, entwickelt Professor Dr. Jöran Beel von der Universität Siegen eine Software, die selbst lernt, die besten Empfehlungen zu geben. © Uni | Uni

Die Anwendungsnähe ist dem Informatiker wichtig: Zwei Start-ups und ein Forum zu Empfehlungsdiensten hat er selbst gegründet, und in fünf Jahren soll sein selbst lernender Empfehlungsdienst weltweit erfolgreich genutzt werden. „Ein guter Empfehlungsdienst zeigt uns die Artikel, die uns ansprechen, die aber auch nicht zu sehr dem entsprechen, was wir normalerweise lesen. So sehen wir auch etwas außerhalb unserer Filter-Bubble.“

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Nutzen auch für Hausärzte

Auch den Datenschutz müssen Beel und sein Team mitdenken. Irgendwann soll der Empfehlungsdienst ebenfalls in der Medizin eingesetzt werden, gerade hier sind die Daten besonders sensibel. Der Siegener Informatiker sieht in Maschinen, die intelligent mit Daten umgehen, ein großes Potenzial: „Ich stelle mir eine Welt vor, in der Hausärzte und -ärztinnen von einer Software Unterstützung für ihre medizinischen Diagnosen erhalten, in der Teenager ihre Taschengeldausgaben visualisieren und in der Forschende die passende Literatur für ihr Projekt vorgeschlagen bekommen.“

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