Siegen. Siegener Studierende entwickeln ein Virtual- und ein Augmented-Reality Programm. Damit sollen Medizinstudis besser auf Notfall vorbereitet werden.
Viele Menschen denken bei Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) direkt an interaktive Video-Spiele. Dabei kann die fortschrittliche Technologie noch für ganz andere Zwecke genutzt werden: Großes Potenzial liegt in medizinischen Anwendungen. Zu Übungszwecken eine virtuelle Umgebung zu schaffen, die sich möglichst real anfühlen soll, ist ein Ziel des wissenschaftlichen Projektes „Medizin neu denken“ in Siegen.
Uni Siegen: Diese Motivation steckt hinter virtuellem Medizin-Projekt
Viele Medizinstudierende müssen sich Notfallsituationen in ihrer Ausbildung „nur“ vorstellen. Meistens werden die Anwendungen mithilfe von anderen Studierenden eingeübt – auf eine echte Notfallsituation und die Behandlung von Patienten seien die angehenden Mediziner daher nur schlecht vorbereitet, so Lea Zoe Weber, Studentin für Digitale Gesundheitswissenschaften an der Universität Siegen. VR- und AR-Anwendungen können dabei helfen, dass während des Studiums nicht mehr alles der Vorstellungskraft überlassen werden muss.
Durch Geräuschkulissen, Grafik und simulierte Reaktionen können mit der Technik Übungen realitätsnäher gestalten werden. Im Rahmen einer internationalen Kooperation entwickeln insgesamt zehn Studentinnen und Studenten der Fächer Digitale Gesundheitswissenschaften (Siegen) sowie Medizin, Psychologie und Medizintechnik (Erasmus Medical Center der Universität Rotterdam, EMC) – zwei Übungsprogramme mit VR- und AR-Technologie.
VR-Brille an der Uni Siegen: Medizinstudenten auf Ernstfall besser vorbereiten
„Mit der Virtual Reality können wir eine eigene neue digitale Welt erschaffen“, erzählt Lea Zoe Weber. Für dieses Erleben werden eine VR-Brille mit einem Head-Display und integrierten Sensoren sowie Controller benötigt. Bei dem Programm der VR-Gruppe handelt es sich um ein Ersthelfer-Training, das angehende Mediziner während ihrer Ausbildung beim Verinnerlichen der einzelnen Schritte des „ABCDE-Schemas“ unterstützen soll.
Nach dem Aufsetzen der VR-Brille wird das Notfallgeschehen erkennbar: Der Patient liegt nach einem Helikopterabsturz reglos mitten auf einer stark frequentierten Innenstadtstraße. Mithilfe des Programms können die einzelnen Maßnahmen der Ersthilfe durchgespielt und der korrekte Ablauf eingeübt werden. „Wir haben uns bewusst für eine Extremsituation in der Stadt als Unfallszene entschieden, da es uns wichtig war, einen hektischen, realitätsnahen Unfallhergang mit lauten Geräuschen und Geschrei zu gestalten“, erklärt die Studentin aus Siegen. Denn gerade in solchen Ausnahmesituationen müsse ein Ersthelfer ruhig und konzentriert bleiben. Die Anwendung konzentriert sich auf das Erlernen der richtigen Reihenfolge der Hilfsmaßnahmen unter Stress.
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Die Programmierer sind davon überzeugt, dass ihre selbstentwickelte VR-Software Medizinstudierenden dabei helfen kann, den Ablauf der Ersthilfe besser zu verinnerlichen. „Ziel des Trainings ist es, den Medizinstudenten das ABCDE-Schema so nachhaltig zu vermitteln, dass eine Routine entsteht, damit sie im Ernstfall bestmöglich vorbereitet sind“, sagt Lea Zoe Weber.
AR-Brille an der Uni Siegen: „„Es handelt sich um eine sehr junge Technik“
Neben dem Übungsprogramm zur Ersthilfe entwickelte eine zweite Gruppe eine digitale AR-Anwendung. Das AR-Programm namens „SARA“ soll den angehenden Medizinern etwa beim Erlernen des richtigen Umgangs mit dem Stethoskop und den anatomische Grundlagen helfen. Anders als bei der Virtual Reality wird bei der „Augmented Reality“ keine ganze Welt digital erschaffen. „Es handelt sich um eine sehr junge Technik, die es ermöglicht, virtuelle Objekte in die reale Umgebung einzufügen“, erklärt Simon Burbach, Student für Digitale Gesundheitswissenschaften an der Uni Siegen.
Um die virtuell eingesetzten Objekte sehen zu können, werden eine im Vergleich zur VR-Brille etwas kleinere AR-Brille und ein Controller benötigt. In dem Programm kann zunächst eine Krankheit ausgewählt werden und SARA simuliert dann mithilfe eines digital eingefügten anatomischen Modells einen Patienten. Die AR-Übung dient dazu, den Herzschlag und die Atemgeräusche an unterschiedlichen Stellen zu ertasten und abzuhören. „Das Verfahren zur Lokalisation der richtigen Abhörpunkte am Körper ist sehr schwierig und erfordert viel Übung“, erklärt Professor Dr. Rainer Brück, Studiendekan der Lebenswissenschaftlichen Fakultät der Universität Siegen. „Die Behandlungsmethode bedarf eines großen Aufwands und muss sicher gelernt worden sein.“
Virtuelles Medizinprojekt in Siegen: Das sind die Vorteile
Für die gängigen Unterrichtsmethoden im Medizinstudium brauche es viele Ärzte, die den Studierenden immer wieder haarklein erklären, wie sie etwas tun müssen. Dies sei sehr aufwendig, so Rainer Brück. Die unterschiedlichen digitalen Übungsprogramme können dabei helfen, Kosten für Trainingsmaterialien und Betreuungspersonal einzusparen. „Diese können besonders wichtig werden, wenn wir in Zukunft mehr Mediziner ausbilden wollen.“ Nach der Anschaffung des technischen Equipments seien die virtuellen medizinischen Anwendungen kostengünstiger als die herkömmlichen Unterrichtsverfahren.
„Die Programme zur intensiven Einübung der Verfahren bieten vielfältige Vorteile für Zukunft der Medizin“, unterstreicht der Studiendekan. Die beiden Gruppen wollen mit ihren selbstentwickelten digitalen Anwendungen die gängigen Unterrichtsmethoden ergänzen. „Wir möchten die Studierenden befähigen, selbst die Zukunft der digitalen Medizin mitzugestalten“, unterstreicht Rainer Brück. „Das Besondere an diesem Projekt ist die internationale und interdisziplinäre Zusammenarbeit der beiden Universitäten.“
Uni Siegen: Internationales Projekt eine „echte Bereicherung“ für Studenten
„Unseren Studierenden so eine intensive Übungsmöglichkeit bieten zu können, bei der sie sich in verschiedenen digitalen Bereichen auszuprobieren können, ist eine echte Bereicherung für ihr Studium“, sagt Professor Dr. Rainer Brück. Er glaubt daran, dass virtuelle Technologie gerade im Zusammenhang mit der Ausbildung von Medizinern, aber auch bei medizinischen Weiterbildungen zukünftig sehr wichtig und wertvoll sein werden.
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Der Studiendekan und Dr. Jifke Veenland, Professorin an der Universität Rotterdam, sind beeindruckt von den Programmen der Studierenden. In internationaler Zusammenarbeit, angefangen bei den vielversprechenden Ideen bis hin zur detaillierten Umsetzung, haben sie alles in ihren Gruppen selbst entwickelt. Einige der Studierenden hätten zwar bereits Vorkenntnisse in der Software-Entwicklung und im Bereich der medizinischen Informatik. Für andere sei dies aber komplettes Neuland gewesen.
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Zuallererst vermittelten Professor Dr. Rainer Brück und seine Kollegen des „Medical XR Teams“ der Universität Siegen in einem Theorie-Teil die Grundlagen zur richtigen Programmierung von VR- und AR-Anwendungen. Danach ging es in die Praxis. Zur Vorbereitung sammelten die Studierenden einige Praxiserfahrungen. Das Jung-Stilling-Klinikum Siegen ermöglichte ihnen Einblicke in digitale medizinische Anwendungen mithilfe von VR und AR. Die leistungsfähigen Geräte in den Kliniken werden von Ingenieurinnen Ingenieuren gebaut. „Ingenieure und Mediziner denken aber extrem unterschiedlich“; erklärt Rainer Brück. „Unser Kurs soll ein interdisziplinäre Grundverständnis füreinander vermitteln.“ Auch in den Gruppen mussten die Studierenden die unterschiedlichen Wissensstände sowie Kenntnisse in Bezug auf das Programmieren zusammenbringen.
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