Hilchenbach. Für das Café Herzstück gibt es jetzt einen Trägerverein. Entstehen soll ein Ort der Begegnung und für Kultur, mitten in Hilchenbach.
Am letzten Tag hat Jutta Neuhaus kein Kuchen-Angebot auf die Tafel geschrieben. „Heute ist nicht alle Tage, ich komm wieder, keine Frage." Nicht der rosarote Panther, mit dem Kinder in den 1970er Jahren groß geworden sind. Sondern das Café Herzstück, das in wenigen Wochen im Sommer 2019 manche Herzen erobert hat – und jetzt als „Sozial- und Kulturcafé“ wiederkommt. „Wenn alles gut läuft, im Frühjahr“, sagt Annette Czarski-Nüs. Sie leitet gemeinsam mit Jutta Neuhaus den neu gegründeten Trägerverein.
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Herz(stück) schlägt weiter
Die Geschichten über den kleinen Gastraum in der Gerbergasse sind fast schon Legende: Wie sich dort die neuen Nachbarn der Rothenberger Gärten kennen lernten, wie alte Hilchenbacherinnen dort auf junge Menschen trafen und die Lust an einem Erzählcafé entwickelten. Wie eine Gruppe von Radfahrern aus dem Netpherland das Café zu ihrem Treffpunkt machten. Wie Leute sich angewöhnten, auf einen Kaffee vorbeizukommen, zu bleiben, zu reden… Ehrenamtlich arbeitete das Team, der Kuchen wurde selbst gebacken.
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„Wir haben immer wieder Nachfragen gehabt“, berichtet Jutta Neuhaus – denn die Facebook-Seite des Herzstück blieb offen. Bauunternehmer Heinrich Brian Born, dem das Haus gehört, blieb dem Projekt zugetan. Guido Fuhrmann, der das Richard-Martin-Haus gekauft hat, um dort ein Pflegehotel zu eröffnen, stiftete Möbel und Geschirr. Und Wilke Family, die Agentur von gegenüber in der Unterzeche, machte einen Freundschaftspreis für die Homepage. In der Küche der Klimawelten wird der Kuchen gebacken, von Keppels Früchtchen, der Schülergenossenschaft von Stift Keppel, kommt der Apfelsaft. Bürgerstiftung Siegen und Bürgerverein Hilchenbach werden zu den Unterstützern gezählt. Das Hilchenbacher Netzwerk hat sich entwickelt – nur das Geld für den Umbau fehlte noch.
Im Herzen von Hilchenbach
Mit der Gründung des Vereins wird eine große Hürde genommen: Jetzt kann sich ein Vorstand, der bereits von der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt beraten wird, sich ganz offiziell um Mäzene, Sponsoren, fördernde Mitglieder, Fundraising und Crowdfunding und um öffentliche Fördermittel kümmern. 50.000 Euro müssen zusammenkommen, damit Toiletten, Fluchtweg und andere für den Brandschutz nötige Umbauten realisiert werden können – alles Bedingungen für die Baugenehmigung, ohne die das Herzstück nicht in den Dauerbetrieb gehen kann.
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Das Haus Markt 5, das nach dem Stadtbrand von 1689 wieder aufgebaut wurde, hat Geschichte: Bürgermeister Johann Heinrich Reifenrath wohnte hier – bis das Haus 1844 erneut abbrannte. Leimfabrikant Hugo Holdinghausen war einer der Eigentümer des zum zweiten Mal wieder aufgebauten Hauses, der Stifter des Richard-Martin-Hauses. Dr. Hermann Romberg, der Gründer der Hilchenbacher Liedertafel, war hier Mieter. Und Gustav Leitel, der Verleger der Hilchenbacher Zeitung. Eine Metzgerei war in dem Laden, technische Bedarfsartikel wurden hier verkauft, Elektrogeräte, Schmuck, Bekleidung...
Herz für Soziales und Kultur
Man kann sich dem Herzstück von zwei Seiten nähern: von der Gerbergasse in den Gastraum gehen, in dem auch nach dem Wanddurchbruch höchstens 20 Leute Platz finden werden – oder bei gutem Wetter ein paar mehr, die draußen sitzen. Oder vom Markt aus: Denn für Bücher buy Eva, die Buchhandlung, ist das Herzstück der Keller. „Ich hatte schon immer überlegt, ein Café aufzumachen“, erzählt Buchhändlerin Eva-Maria Graß, die im Vorstand des neuen Vereins Schriftführerin ist. Sie wird das neue Projekt zum Kulturcafé machen: mit Lesungen, Frühstücken für Senioren, Vorlesenachmittagen für Kinder. In zwei, drei Jahren, auch direkt vor der Tür: Denn die Neugestaltung des Marktplatzes, die 2022 beginnt, sieht genau da einen bewirtschafteten Hain vor. „Man wird am Buch gar nicht mehr vorbeikommen.“
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Ein Ort für Begegnung und Gemeinschaft schwebt den Initiative vor, die schon zur Gründung im Verein 18 Leute zwischen 17 und über 80 versammelt hat. Das Kinder- und Jugendbüro, das Café International und die Altenheime können Partner werden, wenn es darum geht, Leben in den Treffpunkt zu bringen. Das ist auch das Argument, mit dem sich Türen zu Stiftungen öffnen sollen und zu den Leader-Fördermitteln, wenn denn Hilchenbachs gerade beginnende Bewerbung als Leader-Region von Erfolg ist: „Uns stört das nicht, wenn jemand eine Stunde bleibt und nur eine Tasse Kaffee trinkt", sagt Annette Czarski-Nüs. Geld verdienen will auch im neuen Herzstück niemand. Was das soziale Projekt von der kommerziellen Gastronomie unterscheidet, die sich das nicht leisten kann. Nina Krumpholz, Schatzmeisterin im Verein, berichtet über das Stadtcafé, das letzte, längst aufgegebene Café in Hilchenbach: „Ich habe da vor 20 Jahren als Schülerin gejobbt. Das war damals schon ein Überlebenskampf.“
Freunde fürs Herzstück
Man ist zuversichtlich: Die Stimmung in Hilchenbach ist heute, anders noch als vor vielleicht zehn Jahren, gut, beobachtet Nina Krumpholz, aufgeschlossen für Projekte wie das Herzstück. Das belegen Fürsprecher wie Landrat Andreas Müller: „Ich hoffe sehr, dass so ein großartiges bürgerschaftliches Engagement belohnt wird und würde mich freuen, schon bald wieder im Café Herzstück zu Gast sein zu dürfen.“ Und natürlich Bürgermeister Kyrillos Kaioglidis, der das Projekt auch schon mit einem Sonderpreis des Hilchenbacher Heimatpreises ausgezeichnet hat: „Es macht mich stolz und dankbar, denn so entsteht Gemeinschaft in unserer Stadt. Es ist mir ein Herzenswunsch, dieses Vorhaben zu unterstützen.“
Jutta Neuhaus erzählt von einem Gespräch mit Inge Bruch, die sich mit über 80 für das Herzstück engagiert: „Wir haben über den Süßen Conrad geschwätzt.“ Das unvergessene Tanzcafé des Konditors Conrad Müller, der – in den 1940er und 1950er Jahren – seine Gäste mit einer Praline oder einer Zigarette auf den Heimweg verabschiedete. Das sind große Fußstapfen.
Gesucht werden Ehrenamtliche für den Cafébetrieb und zum Kuchenbacken. Außerdem Mitglieder für den Verein und Förderer. Info und Kontakt: www.cafeherzstueck.com
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