Siegen. Der Siegener Rainer Petruck stellt erstmals auf der Intermodellbau in Dortmund aus. Schon als Jugendlicher hat er Flugzeuge und Schiffe gebastelt.

Formen, Knicken, Zusammenbauen. Aus vielen kleinen Teilen ein detailgetreues Gebäude entstehen lassen. Rainer Petruck aus Siegen ist begeisterter Kartonmodellbauer. In diesem Jahr darf der 73-Jährige als Aussteller eine ganz besondere Landschaft auf der „Intermodellbau“ in Dortmund präsentieren.

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Wie ein Hobby zurückkommt

Rainer Petruck baut und konstruiert ausgewählte Gebäude aus Papier. Für jedes Modellhaus gibt es eine Anleitung, auch Baubogen genannt. Rainer Petruck ist Schreiner und kennt sich daher mit der Erstellung von technischen Zeichnungen gut aus. Er hat bereits in seiner Jugend mit einfachen Bauanleitungen, angefangen Häuser aus Papier nachzubauen. „Ein Lehrer in der Schule wollte uns Kinder fürs Basteln begeistern und hat uns Bögen zum Kartonmodellbau mitgebracht“, erinnert er sich. Für ihn sei es schön gewesen, sich als Kind an ersten Modellen versuchen zu können.

Mit etwas über 50 hat Rainer Petruck die Leidenschaft zum Kartonmodellbau aus einem Zufall heraus für sich wiederentdeckt. „In einem Bastelgeschäft bin ich über einige interessante Bögen gestolpert.“ Daraufhin habe er angefangen, Modelle mit höherem Schwierigkeitsgrad zu bauen. Zunächst versuchte sich Rainer Petruck an Schiffen und Flugzeugen. „Aber meiner Frau gefallen die detaillierten Häuser einfach am besten.“ Etwa ein Jahr habe es gedauert, bis die Resultate gut genug für ihn waren und im Wohnzimmer der Familie ihren Platz in der Glasvitrine fanden.

Dieses vierteilige Kartonmodell stellt  Rainer Petruck (73) aus Siegen an seinem Stand der Intermodellbaumesse vom 17.bis 20. November in Dortmund vor.
Dieses vierteilige Kartonmodell stellt Rainer Petruck (73) aus Siegen an seinem Stand der Intermodellbaumesse vom 17.bis 20. November in Dortmund vor. © @Foto Kinkel | @Foto Kinkel

Wie man mit Papier baut

Das Hobby des Siegeners trägt zwar den Namen Kartonmodellbau. „Karton“ meint aber nicht das Behältnis, sondern das Papier mit einer Stärke von 160 Gramm. Das ist etwa doppelt so dick wie herkömmliche Papierblätter. Zuallererst benötigt man eine Grundplatte, auf der die einzelnen Bauten errichtet werden können. Die Papier-Einzelteile werden aus den Baubögen ausgeschnitten. „Das ist eine ziemlich aufwendige und kleinschrittige Arbeit“, erzählt Rainer Petruck.

Der Modellbauer baut nach und nach jede Wand auf und klebt schrittweise alles zusammen. Die einzelnen Hausteile aus Papier werden so geformt, geknickt und zusammengebaut, dass am Ende ein Haus daraus entsteht.

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Als Diorama wird im Modellbau ein fertiges Objekt mit einer passenden Landschaft drumherum bezeichnet. „So ein Diorama kann jeder gerade auch in Zeiten der Pandemie zu Hause am Küchentisch anfertigen“, betont der Modellbauer. Es gehöre zwar einiges an Übung dazu, aber der Kreativität seien keine Grenzen gesetzt. Wenn das Haus zusammengestellt ist, kann die Umgebung des Dioramas nach eigenen Wünschen gestaltet werden. Bis zur endgültigen Fertigstellung eines Hauses mit dazugehöriger Landschaft benötigt Rainer Petruck etwa drei bis vier Monate.

„Mir macht es Spaß, aus einem Blatt Papier mit einem Skalpell, einer Lupe und einer Schere real wirkende Gebäude zu erschaffen“, freut sich der Modellbauer. Das Bauen von Häusern bereitet besonders viel Freude, da dort anders als bei Schiffen oder Flugzeugen nicht nur ein Objekt geschaffen wird, sondern auch eine Landschaft und ein Szenario um das Gebäude herum gestaltet werden kann. Bei der detailtreuen Umsetzung der Überlegungen, wie eine Straße gebaut und wo noch eine (Papier-)Mauer errichtet werden kann, geht das Herz des Modellbauers auf.

Rainer Petruck schafft Illusionen aus Karton: So viel Mühe wie in die Gebäude steckt er auch in die Dorf- und Stadtlandschaften – mit viel Liebe zum Detail.
Rainer Petruck schafft Illusionen aus Karton: So viel Mühe wie in die Gebäude steckt er auch in die Dorf- und Stadtlandschaften – mit viel Liebe zum Detail. © @Foto Kinkel | @Foto Kinkel

Warum Plastik nicht gefällt

Das Vorbild des Siegeners ist der Schweizer Kartonmodellbauer und Konstrukteur Gilbert Baud. Ihm hatten für seine Eisenbahnlandschaft die Plastikhäuser nicht mehr gefallen. Daraufhin begann er, Modellhäuser aus Papier zu konstruieren und selbst Baubögen zur zu erstellt. Dafür hat Gilbert Baud Originalhäuser fotografiert und diese nachgebaut. „Als ich seine Häuser das erste Mal auf der Intermodellbau vor einigen Jahren gesehen haben, hat mir seine Arbeit so gut gefallen, dass ich direkt so ein Haus bauen wollte“, erklärt Rainer Petruck.

Der besondere Charme seiner Anleitungen bestehe darin, dass er sie alle per Hand gezeichnet habe und sie daher immer kleine Ungenauigkeiten enthalten. Gilbert Baud hat zu Lebzeiten etwa 100 Baubögen für Gebäude konstruiert. Auch Rainer Petruck sieht einige Vorteile in den Papiergebäuden gegenüber herkömmlichen Plastikmodellen. „Die Wirkung ist eine ganz andere.“ Das Endergebnis sähe viel echter aus, man könne mehr Wert auf Details legen. „Wir kleben nicht einfach fertige Teile aneinander.“ Außerdem seien die Kartonmodelle preiswerter in der Anschaffung.

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Was er auf der Messe zeigt

Rainer Petruck freut sich sehr über die Gelegenheit, seine Modelle auszustellen. Seine Landschaften beeindrucken und begeistern viele andere Kartonmodellbauer. Seine Modelle werden so gut angenommen, dass ihm in diesem Jahr ein Stand auf der Intermodellbau in Dortmund angeboten wurde.

Messebesuch

Die Intermodellbau-Messe findet vom 17. bis 20. November in den Westfalenhallen Dortmund statt. Öffnungszeiten sind Mittwoch bis Freitag von 9 bis 18 und Samstag von 9 bis 17 Uhr. In diesem Jahr wird in fünf und nicht allen acht Hallen ausgestellt. Weitere Informationen: www.intermodellbau.de

Für seinen Messestand in Halle 5 direkt neben den Modelleisenbahnen hat Rainer Petruck insgesamt acht seiner Dioramen eingeplant, darunter auch eine Eisenbahn aus Papier. Sein aktuelles Lieblingsprojekt ist ein großflächiges Diorama, das aus elf Gebäuden von Gilbert Baud und einem selbst konstruierten Fachwerkhaus besteht. „In die Landschaft dort habe ich das erste Mal eine Brücke mit einem Fluss eingebaut, der natürlich detailgetreu Steine und Gewächse enthält.“

Das Konstruieren der kleinen Stadt habe unheimlich viel Spaß bereitet. „Die Augen der Besucher können in der Landschaft herumwandern und das Diorama in all seinen Facetten erfassen.“ Ein Haus als Einzelmodell hinzustellen, mache lange nicht so viel her, wie wenn es in einer schön gestalteten Umgebung eingebettet ist. „Mein Wunsch war es, die Häuser von Gilbert Baud besonders schön Szene setzen“, erklärt der Modellbauer. Die kleine Stadt habe sich nach und nach entwickelt, das sei ein laufender Prozess gewesen, bis alles gepasst hat. Die Anordnung der Häuser , die sogar beleuchtet sind, hat sich Rainer Petruck selbst überlegt. „Zum Schluss sollte es ein ansprechendes Fantasiebild ergeben.“ Zwei Jahre hat er daran gebaut.

Wie man Konstrukteur wird

Früher waren die Baubögen im Bastelladen erhältlich. Heute tauscht sich die Kartonbau-Gemeinschaft in Foren wie Kartonbau.de oder die-Kartonmodellbauer.de im Internet aus. Dort sind Baubögen und Baubericht mit schrittweiser Erklärung von anderen Modellbauern online verfügbar. Auch Rainer Petruck veröffentlicht dort auch regelmäßig Bauanleitungen.

Seit Kurzem entwickelt und konstruiert der Modellbauer aus Siegen auch eigene Baubögen. Sein nächstes Projekt ist die Nachbildung eines echten Fachwerkhauses der französischen Stadt Lisieux, das während des Zweiten Weltkrieges zerstört wurde. Mehrere Fotos des Originalgebäudes aus dem Jahr 1927 sind Vorlage für den Baubogen. Für dieses Haus hat sich Rainer Petruck wegen seines beeindruckenden Giebels entschieden. „Es ist einfach ein interessanter Bau“, erklärt er fasziniert. Für die Bauanleitung wird er ein Jahr brauchen. „Unser Haus platzt aus allen Nähten“, erklärt er die Abkehr vom Selbstbauen, „wir kriegen keine Modelle mehr unter, deshalb muss ich jetzt selbst konstruieren.“

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