Kreuztal. Gemeindeprüfungsanstalt: Stadt nimmt nur ein Zehntel der erforderlichen Investitionen vor. Lob für Baulandkonzept und Innenstadtgestaltung.

Alle fünf Jahre kommt die Gemeindeprüfungsanstalt und nimmt die Haushaltswirtschaft einer Kommune unter die Lupe. Jetzt war Kreuztal an der Reihe. Im Hauptausschuss stellten die Prüferinnen die Ergebnisse vor. „Es scheint, als wären wir ganz gut weggekommen“, meinte stellvertretender Bürgermeister Dieter Gebauer (Grüne), der die Sitzung anstelle von Bürgermeister Walter Kiß leitete, am Ende des Vortrags. „Sie haben nicht die großen Sorgen wie viele andere Städte“, stellte Ute Ledebur, die Leiterin des Prüfteams, fest.

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Die Stärken: Gefüllte Stadtkasse, junge Einwohnerschaft

Kreuztal wächst, bis 2040 wird ein Bevölkerungsanstieg vorausgesagt. Die Stadt reagiert darauf mit einem Baulandkonzept (Ute Ledebur: „sicher sehr vorteilhaft“) und einem Innenstadtentwicklungskonzept. Tatsächlich, so die Prüferin, sei das Stadtzentrum, vor allem mit der Bibliothek in zentraler Lage, „sehr attraktiv gestaltet“.

„Gut aufgestellt“ sei Kreuztal mit Kitas, Schulen und Sporteinrichtungen, Schwerpunkte bei Familienförderung und Kultur stehen auf der Stärken-Seite.

Kreuztal ist eine junge Stadt: mit einem Anteil von 36,3 Prozent ist der Anteil der älteren Einwohner über 65 unterdurchschnittlich. Mit 33,7 Prozent überdurchschnittlich ist der Anteil der jungen Menschen unter 29.

Gebühren

Einstimmig hat sich der Hauptausschuss für die Anhebung der Müll- und der Kanalgebühren ausgesprochen. Gesenkt werden die Winterdienstgebühren. „Da sieht man, dass der Klimawandel auch Einsparungen bringt“, meinte Julian Maletz (SPD). Das sei wohl eher ein „Danaergeschenk“, widersprach Arne Siebel (CDU). Der Wasserverbrauch werde nämlich teurer, meinte Andreas Müller (SPD): „Weil man den Garten mehr wässern muss.“

Die Abfallgebühren waren von 2011 bis 2018 konstant und wurden zuletzt 2019 erhöht. Grund sind unter anderem die verfallenden Erlöse für Altpapier. Kämmerer Michael Kass verwies auf das Angebot der Stadt, zu dem auch zwei Wertstoffhöfe in Buschhütten und Krombach gehören, die in Kooperation mit den Firmen Laukel und Lindenschmidt betrieben werden.

Die Abwassergebühren waren seit elf Jahren konstant und wurden zwischendurch einmal gesenkt. „Sehr teuer und sehr schwierig“ sei die Klärschlammentsorgung geworden, sagte der Kämmerer. Ab 2020 werde eine Entlastung eintreten, denn inzwischen wird der Kreuztaler Klärschlamm auf der neuen Anlage der Stadt Siegen getrocknet. Dennoch sei die Anhebung um 17 Prozent „ein dicker Brocken“, meinte Andreas Müller (SPD).

Mit der jährlichen Kaufkraft von 25.376 Euro ist der Durchschnitts-Kreuztaler überdurchschnittlich gut ausgestattet. Auf der anderen Seite überdurchschnittlich ist auch der Anteil der Sozialgeld-Empfänger: 9,9 Prozent, also fast jeder zehnte Kreuztaler, beziehen „Hartz IV“.

Die Stadtkasse selbst ist gut gefüllt: Die Finanzkraft der Stadt – damit sind Steuereinnahmen und Landeszuweisungen gemeint – beträgt 1934 Euro pro Einwohner und Jahr. Damit liege die Stadt „deutlich höher“ als der Durchschnitt der anderen Mittelzentren in NRW von 1548 Euro.

Zwei Mal seit 2013 blieben am Jahresende im Kreuztaler Haushalt rote Zahlen. Sonst standen am Ende Überschüsse – und, das erfuhr das Prüfteam, so wird es anders als zunächst geplant wohl auch im Jahresabschluss 2020 sein. Im Schnitt der letzten fünf Jahre habe Kreuztal allerdings immer fast eine halbe Million Euro mehr ausgegeben als eingenommen. „Da ist Konsolidierung gefragt.“ Die Stadt habe zwar Schulden abbauen können, sich andererseits aber für ihre Investitionen neu verschuldet.

Bei der ebenfalls geprüften Bauaufsicht ist Kreuztal mit 44 Kalendertagen für eine einfache Baugenehmigung unter den schnellen Kommunen – die langsamsten brauchen 146 Tage. Das spiegele einen „effektiven Prozessablauf“.

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Die Schwächen: Friedhofswesen ist zu teuer

Eine Reihe von Anmerkungen betrifft Verfahrensdetails wie die späte Verabschiedung des Haushalts, Berichtswesen und Dienstanweisungen.

Bei der Vergabe von Aufträgen schwanke die Differenz zwischen ursprünglicher Auftragssumme und tatsächlich abgerechneten Beträgen, ohne dass eine „Ursachenerforschung“ erfolge. 2018 wurden Vorhaben im Schnitt 8,31 Prozent teurer, 2019 nur 4,3 Prozent, 2020 dagegen 18,22 Prozent. Bei dem 2019er Wert liegt Kreuztal im Vergleich gut: Die ungünstigste Mittelstadt musste sogar 30,15 Prozent mehr überweisen als geplant.

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Die Kosten des Friedhofswesens werden im Schnitt zu 67 Prozent durch Gebühren gedeckt, „öffentliches Grün“ wird vorher nicht herausgerechnet. Damit steht Kreuztal im Vergleich schlechter da als die Hälfte der 129 NRW-Mittelstädte. Allerdings: 2018 hat die Stadt auf den Friedhöfen viele Wege gebaut. Ohne diesen zusätzlichen Aufwand wären – wie 2019 – 73 Prozent der Kosten gedeckt. Die Kostendeckung der Trauerhallen schwankt zwischen 37 und 73 Prozent. „Interessant“ findet es das Prüfteam, dass seit 2015 mehr Menschen in Kreuztal beigesetzt werden, als in Kreuztal sterben.

Die Stadt investiert nicht genug in ihre Straßen: 1,30 Euro je Quadratmeter Verkehrsfläche im Jahr müssten im Jahr für die Straßenunterhaltung ausgegeben werden, tatsächlich waren es 46 Cent. Nur elf Prozent des Wertverlustes, den eine Straße hat, wurden durch Investitionen abgefangen. Fast 50 Prozent der Straßen seien in schlechtem Zustand, die gesamte Verkehrsfläche habe zwei Drittel ihrer Lebenszeit hinter sich und sei somit „deutlich überaltert“. Die Gemeindeprüfungsanstalt sieht für die Stadt „einen gewissen Handlungsdruck“.

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Die Folgen: Stadt muss Stellung nehmen

Innerhalb von sechs Monaten muss der Rat nun über den Prüfungsbericht beraten und eine Stellungnahme dazu verabschieden. „Die Gemeindeprüfungsanstalt erzählt uns Sachen, die wir im Wesentlichen kennen“, meinte Andreas Müller (SPD). Dagegen stehe aber „unsere Erwartungshaltung, dass man sich mit den Themen beschäftigt und eine Veränderung der Situation eintritt“, erwiderte Prüfer Alexander Gummior. Es handele sich um Themen, „die auch die Kommunalaufsicht interessieren“. Die könne, anders als die Gemeindeprüfungsanstalt, auch Maßnahmen bei der Stadt durchsetzen.

Beeindruckt zeigte sich Frank Wieland Frisch (FDP): „Ich hatte immer gedacht, wir wären relativ perfekt. Sie haben uns eines Besseren belehrt.“ Vor allem die aus seiner Sicht unzureichende Transparenz des Verwaltungshandelns gegenüber dem Rat hob Harald Görnig (CDU) hervor: „Das prangern wir seit langem an, jetzt haben wir’s endlich schriftlich.“

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