Siegen. Dr. Mario Vallana hat die Bertha-von-Suttner-Gesamtschule auf dem Siegener Giersberg 16 Jahre lang geleitet. Jetzt geht er in den Ruhestand.

Für ihn kommt die Ministerin selbst: Dr. Mario Vallana, 16 Jahre lang Leiter der Bertha-von-Suttner-Gesamtschule, ist am Freitag von Yvonne Gebauer in den Ruhestand verabschiedet worden. Sie hatte mit dem frisch gebackenen Pensionär beruflich öfter zu tun – sechs Jahre lang war Vallana Sprecher des Schulleitungsvereins der Gesamtschulen und damit erster Interessenvertreter der 426 Gesamt- und Sekundarschulen in Nordrhein-Westfalen.

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Wie Mario Vallana an die Bertha kam

„Ich wollte von Anfang an Lehrer werden.“ Schon damals, als er noch zu Haus in Hamm das Gymnasium besuchte. Auch wenn zwischendurch manches nach einer wissenschaftlichen Laufbahn aussah: Studium in Münster, Mathe, Physik und Sport, Job an der Uni, Promotion zu einem Thema der Biomechanik, ein Teilgebiet der Sportwissenschaften. Schließlich doch: 1996 Lehrerstelle an der Bertha-von-Suttner-Gesamtschule, 2005 Schulleiter – der dritte in der Geschichte der Schule, die 1988 beginnt.

Nachfolge

Zeitgleich mit Dr. Mario Vallana ist auch stellvertretender Schulleiter Wolfgang Rohleder in Pension gegangen.

Die Nachfolge haben zwei Lehrkräfte aus dem Bertha-Kollegium angetreten: Neue Schulleiterin ist Dr. Bettina Glaß, ihr Stellvertreter Tobias Bröcker.

Lehrer wollte er werden. „Gymnasiallehrer“, präzisiert Mario Vallana. Als Referendar an einer gewerblichen Berufsschule kommt er auf den anderen Geschmack: „Raue Sitten und eine Schülerschaft, die ich bis dahin nicht kannte. Das hat mir gefallen.“ Und, dass Gesamtschulen sich um alle Kinder kümmern können. Als Klassenlehrer einer 9 fängt er auf dem Giersberg an, die er als Jahrgangsstufenleiter bis zum Abitur begleitet.

Was die Bertha auszeichnet

Eine der Neuerungen, die Mario Vallana von Anfang an vorhat, ist die Abschaffung der 45-Minuten-Schulstunde. Als eine der ersten Schulen in der Region stellt die Bertha auf das 60-Minuten-Raster um, kooperatives Lernen wird mit der gewonnenen Zeit möglich. Mario Vallana erwähnt den sportlichen Schwerpunkt der Schule, die zeitweise auch Partner des Leistungssports war, die musischen und kulturellen Angebote, die Auswahl an Arbeitsgemeinschaften. Wer den ganzen Tag da ist, muss nicht immer nur lernen. Vallana formuliert es so: „Den Schüler als ganze Person schätzen lernen und unterschiedliche Begabungen fördern.“ Die einen werden später eben Facharbeiter, die anderen Akademiker.

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„Auch leistungsfähige Kinder, die an einem Gymnasium gut klar kämen, sind bei uns gut aufgehoben“, sagt Mario Vallana. Natürlich, weil beide Schulformen in derselben Zeit zum Abitur führen. Das „Auch“ steht für die andere Schülergruppe: „Spätentwickler“, die besser nicht schon in der 5. Klasse aufs Abitur gelenkt werden. Kinder aus „bildungsfernen“ Familien, denen zu Hause niemand bei den Hausaufgaben helfen kann. Und Kinder, die in einzelnen Fächern noch Förderung brauchen, dafür in anderen glänzen. Wenn alle Gruppen gleichmäßig an der Schule vertreten sind, ist das gut: „Die leistungsfähigen Schüler ziehen die anderen mit.“

Wie Digitalisierung und Inklusion herausfordern

An der Bertha werden E-Mails geschrieben, seit das geht. An einer Schule mit rund 100 Lehrerinnen und Lehrern und 1000 Schülerinnen und Schülern hilft das beim Kommunizieren. Generell aber sei Digitalisierung an Schulen ein „Stiefkind", sagt Mario Vallana, „erst in den letzten Jahren ist der Groschen gefallen. Siegen ist besonders langsam.“ Das liegt daran, dass die Stadt ihr weniges Geld für viele Anliegen braucht. Und dass es eben schnell sehr komplex wird: WLAN muss aus Kabel gespeist werden, die kommen unter die Decke – „und sobald Decken angefasst werden, kommt der Brandschutz.“ Kleine Unternehmen haben eine eigene IT-Abteilung, „bei uns macht es der Lehrer“, bei einer vielfach größeren Nutzerzahl. Inzwischen hat die kommunale SIT den Auftrag. „Es geht bergauf.“

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Inklusion? „Ohne es so zu nennen, war das früher ein Thema für die Haupt- und Förderschulen.“ Und jetzt vor allem für die Gesamtschulen, denn 2017 hat die heutige Schulministerin dafür gesorgt, dass die Gymnasien bei der Inklusion nicht mehr mitmachen müssen. „Das verstehe ich bis heute nicht.“ Ausnahmen machen nur das PPR, das es in ein paar Jahren nicht mehr geben wird, und das Gymnasium Netphen. Für Inklusion braucht es Sonderpädagogen. Und Platz – mit zwei Lehrkräften und manchmal drei Inklusionskräften wird es im Klassenzimmer schnell eng. An beidem, an Fachpersonal und Platz, um mehr kleinere Klassen zu bilden, mangelt es. Dass die Arbeit in den Gesamtschulen verdichtet wird, sei „ziemlich ungerecht“, sagt Mario Vallana.

Warum das Gymnasium bleibt

Realschulen und Hauptschulen gehen nach und nach unter, vom gegliederten Schulsystem bleibt das Gymnasium, das keine Schule mehr findet, in die schwächere Schüler nach der Erprobungsstufe absteigen können. Dass auch noch das Gymnasium abgeschafft wird und nur noch die integrierte Gesamtschule bleibt, wo die erste Versetzungsentscheidung erst nach Klasse 9 erfolgt, „das wird nie kommen“, sagt Mario Vallana. Die beiden Systeme, die nicht zueinander passen, sollten sich aber auf Augenhöhe begegnen können, fordert Vallana: „Das muss auch politisch gewollt werden.“ Dazu gehöre, dass die Gesamtschule da, wo sie schwierige Aufgaben zu bewältigen hat, zum Beispiel mit einer Schülerschaft aus benachteiligtem Umfeld, auch besser ausgestattet wird: „Ungleiches muss ungleich behandelt werden.“

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Gesamtschulen brauchen auch Schüler mit Gymnasialqualifikation. Schon bei der Errichtung der dritten Gesamtschule in Siegen, auf dem Geisweider Schießberg, seien sich die Siegener Schulleitungen einig gewesen, dass ein Gymnasium geschlossen werden müsse – damals, vor sechs Jahren, hätte es übrigens nicht das PPR getroffen, erinnert Mario Vallana. Auch für die Bertha mussten damals zwei Schulen weichen: das Giersberg-Gymnasium und die Aufbaurealschule, in deren ehemaligem Gebäude heute die rund 450 Kinder der Klassen 5 bis 7 unterrichtet werden. Den Zustrom aus Netphen sieht Vallana nicht ungern; von dort kommen Kinder mit der begehrten Gymnasialempfehlung. Dass die Sekundarschule dort leidet, wundert Mario Vallana nicht. „Landesweit funktionieren Sekundarschulen da, wo eine Gesamtschule nicht in erreichbarer Nähe ist.“ Der Schulwechsel von der Sekundarschule zum Gymnasium werde sonst als zu mühsam empfunden. „Da nutzen auch die Kooperationsverträge nicht viel.“

Was Mario Vallana in Zukunft macht

Der Pensionär sagt nichts Überraschendes: „Erst mal etwas pausieren. Der Garten ist vernachlässigt worden.“ Und: „Wir reisen gern.“ In den Süden nie wieder in der Hauptsaison.

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