Siegen. Der Weggefährte Nelson Mandelas war Pate der „Schule gegen Rassismus“. 13 Mal war er auf dem Siegener Giersberg zu Gast.
Zeitzeugen? Man meint Menschen, die nachwachsenden Generationen überliefern, wie sie eine Zeit erlebt haben, die für die anderen Geschichte ist. In Deutschland sind das oft Menschen, die den Nationalsozialismus überlebt haben, die KZs oder Gettos, oder die rechtzeitig ins Exil fliehen konnte. Denis Goldberg ist Jude. Auch Zeitzeuge. 1933 geboren. Er hat eine ganz andere Geschichte als die, die man bei diesen biografischen Daten vermuten würde. Und hat in Siegen Herzen erobert.
Ein Zeitzeuge: Ein weißer Jude aus Südafrika
Denis Goldberg wurde in Kapstadt/Südafrika geboren. Seine Geschichte ist der Kampf gegen die Apartheid, verharmlosend mit dem deutschen Wort „Rassentrennung“ übersetzt. Er war Weggefährte Nelson Mandelas, wurde Befreiungskämpfer mit African National Congress, hat mit Mandela 22 Jahre im Gefängnis verbracht, lebte nach seiner Freilassung im Londoner Exil, kehrte als Regierungsberater zurück, als Mandela Präsident wurde, gründete bei Kapstadt das House of Hope für benachteiligte Jugendliche.
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Kennenlernen: Kontakt durch die Kirche
Denis Goldberg und Siegen? Es geht immer um ein paar Ecken herum in dieser Geschichte. Heike Siebel und Hans-Jürgen Möller kennen den Hilchenbacher Günter Hensch, der beim Institut für Kirche und Gesellschaft arbeitete und Kontakt zur Exile Kulturkoordination hatte, die wiederum Goldbergs Vortragsreisen durch Deutschland organisiert. „Er ist oft in Siegen gelandet“, erzählt Dr. Mario Vallana, Leiter der Bertha-von-Suttner-Gesamtschule. Denn hier haben Heike Siebel und Hans-Jürgen Möller unterrichtet. Denis Goldberg wurde ein idealer Zeitzeuge. „Er sprach fließend Deutsch“, berichtet der Schulleiter.
Begegnungen in Siegen
Denis Goldberg? Heike Siebel nennt drei Stichworte: „Herzlichkeit. Humanität. Humor.“ Wenn er erzählt, bleibt den Jugendlichen das Südafrika des 20. Jahrhunderts nicht lange fremd. Immer wieder hätten sie wissen wollen, wie man so lange Zeit im Gefängnis übersteht, ob er nicht hasst. „Nein, man muss verzeihen können“, sei seine Antwort gewesen: „Das hat mich auch als erwachsener Mensch beeindruckt.“ Von Goldberg lernen die Jugendlichen in Siegen, dass man widersprechen muss, dass man aber auch den Weg des schwierigen Zusammenlebens gehen muss. Weil es dazu keine Alternative gibt.
13 Mal ist Denis Goldberg in Siegen gewesen, 2004 zum ersten, 2016 zum letzten Mal. 2008 war er bei den Proben dabei, als der Literaturkurs der 12 das selbst geschriebene Musical „An African Youth Story“ einstudierte, mit dem er später einen ersten Preis beim Bundespräsidenten gewann.
Das Musikprojekt: Jugendliche aus Südafrika zu Gast
Das ebnete den Weg zu einem gemeinsamen Musikprojekt: 2012 brachte Denis Goldberg Jugendliche seiner Kronendal Music Academy mit nach Siegen. Im Handumdrehen waren Gastfamilien gefunden, ebenso schnell fanden die Jugendlichen zueinander. Hans-Jürgen Möller, Kunstlehrer und damals Jahrgangsstufenleiter, berichtet von der Stadtführung durch Siegen: „Nach einer halben Stunde hörten die gar nicht mehr zu. Sie unterhielten sich nur noch miteinander.“ Denis Goldberg hatte die nachgewachsenen Generationen zusammengebracht. „Das war ein echter Austausch.“
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Abschied: 2016 zum letzten Mal in Siegen
Einen Besuch von Bertha-Schülern in Südafrika hat es bisher nicht gegeben. Die Finanzierung ist ein schwieriges Unterfangen. Aufgegeben ist die Idee nicht. Erst recht nicht der Ansporn von Denis Goldberg, Menschen zusammenzubringen. Denn nichts anderes, so erinnert Heike Siebel, bis zu ihren Ruhestand didaktische Leiterin der Schule, wolle die Bertha auch. Denis Goldberg wird sie dabei nicht mehr begleiten können. 2016 war er zum letzten Mal in Siegen und erlebte die Uraufführung von Nathan 2.0, eine Bearbeitung des Lessing-Stoffs über das Aufeinanderprallen von Christentum, Judentum und Islam durch den 12er Literaturkurs – als gerade der IS die Welt terrorisierte. Am 29. April 2020 ist Denis Goldberg im Alter von 87 Jahren in Kapstadt gestorben.
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Das bleibt: Andreas Wörster wird neuer Pate
Die Bertha-von-Suttner-Gesamtschule hat von ihrem Freund noch nicht Abschied nehmen können. Es wird kein Abschied ohne Aussicht werden. Denn da ist ja auch Andreas Wörster, der Weidenauer, der in Südafrika das Hilfswerk Utho Ngathi führt und sich für Menschen mit Behinderung engagiert. Andreas Wörster hat Denis Goldberg in Siegen kennen gelernt. „Bei einzelnen hat Denis Goldberg einen ganz tiefen Eindruck gemacht“, stellt Heike Siebel fest. Vielleicht auch deshalb haben Absolventen der Bertha ein einjähriges Praktikum bei Andreas Wörster gemacht, über den eine ehemalige Schülerin, die Regie studiert, sogar einen Film gestaltet hat.
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Fast keine Frage ist es daher, dass Andreas Wörster auch in anderer Funktion die Nachfolge von Denis Goldberg antreten wird: als neuer Pate der Schule ohne Rassismus, die ihr Zertifikat mit Denis Goldbergs Begleitung 2015 bekam. Hans-Jürgen Möller: „Die Verbindung bleibt.“ Denn, so Heike Siebel, „man muss den Schülern vermitteln, sich diesem unperfekten Leben zu stellen."
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