Siegen. Dem Richter in Siegen werden Abhörprotokolle vorgelegt: Aber wer hat da mit wem gesprochen?

Unter großem Polizeischutz wurde im Februar das Verfahren gegen zwei Männer vor dem Siegener Landgericht beendet, die im Frühjahr 2020 im größeren Stil mit Amphetamin gehandelt haben sollten. Der eine bekam acht Jahre, der andere fünf Jahre und neun Monate. Nach Abschluss der Ermittlungen hat sich die Siegener Polizei auf weitere Verdächtige konzentriert, die unter anderem im Rahmen umfangreicher Abhörmaßnahmen aufgefallen waren. Einer von ihnen sitzt am Freitag im Saal 083 vor dem Schöffengericht.

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Drogen zum Weiterverkauf erworben?

Einmal soll der 39-jährige S. im März 2020 von den verurteilten Männern 100 Gramm Amphetamin für 4000 Euro gekauft haben, um es gewinnbringend weiter zu veräußern und die eigene Sucht davon zu finanzieren. Im Juni 2020 wurden außerdem 25 Cannabispflanzen gefunden, als die Polizei die Wohnung des Mannes durchsuchte und in einem versteckten Raum hinter einer „konspirativen Wandverkleidung“ eine kleine Plantage fand. Zusätzlich konnten kleinere Mengen an Marihuana und Amphetamin sichergestellt werden, dazu kamen Drogenutensilien sowie 805 Euro in typischer „Dealgeldstückelung“.

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Anwalt Simon Kantz aus Köln gibt die zweite Anklage für seinen Mandanten zu, „da gibt es nichts zu beschönigen“. Beim angeblichen Dealgeld hat er seine Zweifel, „wenn ich in meine Börse schaue, dann sehe ich da auch immer so eine Stückelung“, das Herz des Angeklagten hänge aber nicht daran. Bezüglich des ersten Vorwurfs, dem Drogenkauf, werde sich dieser „aber schweigend verteidigen“.

Zeugen sitzen in Haft – und sagen nichts

Die Strategie kommt nicht überraschend. Für diese erste Anklage sind die verurteilten Täter aus dem Hauptverfahren wichtig. Beide werden aus der JVA in Attendorn gebracht, „mein zweites Zuhause“, grinst einer der Männer, und beide verweigern jegliche Aussage. Sie haben Revision eingelegt, die Urteile sind mithin noch nicht rechtskräftig. Sie müssen sich nicht selbst belasten.

Amtsrichter Uwe Stark hofft nun auf die Polizei. Ein angeblich belastender Teil der seinerzeit vor der Kammer umfangreich gehörten Innenraumüberwachung aus dem Pkw eines der dortigen Angeklagten wird verlesen, ohne allerdings tatsächlich eindeutige Beweise zu enthalten. Ob es Hinweise auf den Angeklagten gegeben habe, will Stark von einem der Beamten wissen. Der bleibt vage. Eine Telefonnummer habe zur Lebensgefährtin des Mannes geführt. Gesprochen habe aber eine männliche Stimme.

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Stark bricht ab und sieht die Notwendigkeit, die Aufnahmen selbst zu hören. Da würden einfach ein paar Seiten aus einem größeren Komplex in die Akte gehängt, aus denen aber nichts Konkretes hervorgehe. „Wer war der Mann?“, das habe doch die entscheidende Frage sein müssen, regt sich der Vorsitzende auf.

Richter will die Bänder selbst hören

Der Verteidiger nutzt die Gelegenheit, eine Einstellung für diese Anklage ins Gespräch zu bringen. Sein Mandant habe immer gearbeitet, tue dies auch jetzt und sei zudem Schritt für Schritt endlich einmal von den Drogen weg. Wenn vielleicht auch erst seit ein paar Wochen. Er begründet seine Auffassung mehr als ausführlich, um die junge und nicht entscheidungsbefugte Staatsanwältin merklich unter einen gewissen Druck zu setzen. Diese muss Rücksprache mit ihrem Ausbilder nehmen, bekommt 20 Minuten Zeit und liefert schließlich ein Nein ab.

Anwalt Kantz möchte jetzt vor einer Fortsetzung die Aufnahmen hören. Hätten dies alle Beteiligten getan, könne vielleicht ja noch einmal über das Thema Einstellung gesprochen werden, regt er leise an. Die Staatsanwältin nickt. „Das kann jetzt länger dauern“, stellt Uwe Stark in Aussicht und hält es für sinnvoll, vor einem neuen Termin die Revisionsentscheidung des Bundesgerichtshofes abzuwarten. Damit ist das Verfahren erst einmal erledigt und wird für unbestimmte Zeit ausgesetzt.

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