Siegen. Die Agentur „neun a/be vild“ aus Siegen will Werbung für diejenigen machen, die für Klimaschutz, Nachhaltigkeit, faire Arbeitsbedingungen stehen.

Die Räume, in denen sie heute ihren Lebensgefährten Maik Waidmann bei dessen Arbeit unterstützt, sind Stefanie Schierling aus der frühen Kindheit vertraut. Ihre Oma hatte im vorderen Bereich eine Reinigung, im hinteren Teil ihre Wohnung. Heute hat dort die Agentur „neun a/be vild“ ihren Sitz. Um Sauberkeit, Reinheit, weiße Westen geht es aber irgendwie immer noch: Denn die Werbeagentur möchte vor allem Kundinnen und Kunden betreuen, die auf Nachhaltigkeit, Klimaschutz, soziales Engagement, faire Arbeitsbedingungen und Diversität setzen.

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Werbung kann mehr, als Menschen nur zu unreflektiertem Konsum aufzufordern, ist Maik Waidmann überzeugt. Auf Haltung komme es an. Nach dem Abitur fing der heute 40-Jährige damit an, Webseiten zu erstellen, arbeitete in verschiedenen Agenturen, gründete dann mit zwei weiteren Leuten „neun a“ – Mitgründer Sinan Muslu ist noch immer dabei, kümmert sich in seinem Fotostudio in der Siegener Lämmergasse um die Bilder.

Agentur „neun a/be vild“ zieht von Olpe nach Siegen

Zehn Jahre lang waren die Büros in Olpe, alle aus dem Team wohnten anfangs in dieser Stadt. Der Wechsel nach Siegen, wo die Inhaber zwischenzeitlich längst lebten, bot sich als Zeitpunkt für eine Überprüfung der Ausrichtung an. „Wenn man überlegt: Ich mache seit 20 Jahren dasselbe – dann fängt man an, darüber nachzudenken, etwas zu machen, was einen Effekt hat“, sagt Maik Waidmann.

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Effekte habe seine Arbeit natürlich schon immer gehabt. Jetzt geht es dem Werbefachmann aber eher um das Feld, auf dem sich diese Effekte bemerkbar machen. Das Hauptziel von Werbung ist, zumindest im kommerziellen Kontext, wirtschaftlicher Erfolg. Es geht ums Verkaufen; darum, Begehrlichkeiten zu wecken. Doch je deutlicher die negativen Folgen eines solchen Lebensstils zu Tage treten, um so mehr Leute wenden sich davon ab und suchen nach Alternativen. „Die Menschen müssen sich ändern, denn die Welt ändert sich“, sagt Maik Waidmann. Mit seinem Team möchte er dazu beitragen, diese Notwendigkeit ins Bewusstsein zu bringen: „Denn wir können Kommunikation.“

Agentur „neun a/be vild“ in Siegen: Werbung für Firmen mit sozialer Verantwortung

Reich werde man mit einer Werbeagentur nicht, „anders als in den 80er und 90er Jahren“. Das sei aber auch gar nicht die Intention von neun a/be vild, sondern „sich sinnhaften Themen zu widmen“. Unternehmen und Organisationen, die ihre ökologische und soziale Verantwortung wahrnehmen und auf umwelt- und klimaverträgliche Technik und Strukturen bauen, auf faire Lieferketten und Respekt vor anderen, sind die Kundschaft, die Maik Waidmann und Sinan Muslu voranbringen möchten.

Gegen Rechts

Der Zusatz „be vild“ (skandinavische Schreibweise) trat als Idee zum Agenturnamen „neun a“ hinzu, um die Neuausrichtung zu illustrieren.

Ein größeres nicht-kommerzielles Projekt: neun a initiierte die Aktion „#siegenstehtzusammen“, der sich einige Agenturen und Kreative aus der Branche anschlossen. Die Beteiligten designten Plakate mit klaren Aussagen gegen rechte Tendenzen – als Reaktion der Ansiedlung der rechtsextremen Kleinstpartei „Der III. Weg“ im Quartier Hammerhütte.

Die Plakate hängen unter anderem in der Wohnausstellung eines großen Möbelhauses am Heidenberg.

Druckvorlagen und mehr Infos gibt es auf siegen-steht-zusammen.de

Das Team ist klein, außer den beiden Chefs besteht es derzeit aus drei Werkstudentinnen und einer Praktikantin, Stefanie Schierling hilft neben ihrem Hauptberuf als Pressesprecherin derSparkasse Siegen mit. Bieten könne neun a dennoch das Komplettpaket „vom erste Strich beim Firmenlogo über die Kommunikationsstrategie bis zum Spot“, sagt Maik Waidmann – denn das Netzwerk ist groß, die Agentur könne für alle Belange Fachleute ins Boot holen. Entscheidend sei, in jedem Einzelfall genau zu schauen, was für den jeweiligen Kunden überhaupt sinnvoll ist und welche Kanäle zu nutzen sind.

Siegen: Onlineauftritte werden auch für die Suche nach Arbeitskräften immer wichtiger

Tatsächlich gebe es noch Unternehmen, die keine Internetseite haben – und auch die Notwendigkeit nicht sehen. Das Argument, dass Maik Waidmann am kritischsten sieht, wenn Kunden neue Wege ablehnen würden, sei „das haben wir schon immer so gemacht“. Bezogen etwa auf die Webseiten wird aber längst deutlich, dass digitale Präsenz auch aus Gründen entscheidend ist, die sich im ersten Moment vielleicht nicht jedem aufdrängen. „Das wird zum Beispiel bedeutsam, wenn die Betriebe merken, dass sie keine Auszubildenden mehr kriegen“, merkt Stefanie Schierling an. Wer im Internet nicht präsent ist, werde von Jugendlichen auf Stellensuche oft gar nicht mehr wahrgenommen. Und selbst die klassische Internetseite reiche oft nicht mehr aus, weil die jüngere Generation vor allem auf TikTok, Instagram oder auch Facebook unterwegs ist.

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Offene Kundinnen und Kunden seien es, die neun a besonders gerne erreichen möchte, sagt Maik Waidmann. Nicht jeder müsse TikTok kennen oder verstehen; es helfe aber, „wenn sie es sich erklären lassen“. Unternehmerinnen und Unternehmer, die sich mit innovativer Technik und neuen Modellen von Zusammenarbeit beschäftigten, weil sie nachhaltiger und sozialer sein wollen, hätten diese Offenheit häufig. Wobei die Agentur nicht nur kommerziell orientierte Kunden vertreten möchte, sondern auch gemeinnützige Organisationen und Vereine; auch die, die keine großen Werbeetats haben.

Große Etats seien toll, räumt Maik Waidmann ein. Aber damit „macht man auch nichts Anderes – nur mit mehr Geld“. Was wirklich zähle: „Etwas bewegen.“

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