Irmgarteichen/Siegen. Eine Wander- oder Pilger-Etappe auf dem Jakobsweg von Irmgarteichen nach Siegen: Vielerorts gibt es Möglichkeiten zur inneren und äußeren Einkehr.
Nein, ich war nicht am Ende der Welt. Bin nicht den Weg nach Santiago de Compostela gegangen. Und war doch auf dem Jakobsweg. Denn der führt, als einer von dreißig Jakobswegen in Deutschland, mitten durch die Stadt, in der ich lebe. Von Marburg kommend, nach Köln führend. Westwärts. Auf Siegen geht es für uns ab Irmgarteichen und damit vom Johannland ins Siegerland.
Jakobsweg im Siegerland: Gelbe Muschel auf blauem Grund weist den Weg
Stärkung erfahren Leib und Seele seit Jahrhunderten in den Gasthöfen Ley und Jokebes und in der Pfarrkirche gleich gegenüber. Es braucht auch Kraft, denn die fast zwanzig Kilometer führen in stetem Wechsel bergauf und bergab. Doch die Ausdauer wird vom Ziel bestimmt und macht das Wandern zum Genuss. Wir passieren Dörfer mit weiten Koppeln und Feldern, aussichtsreiche Höhen und uralte belaubte Bäume.
Kurzsteckbrief Jakobsweg
Start: Irmgarteichen, Pfarrkirche, Parkplätze gleich hinter der Kirche, Bus R16, Haltestelle „Kirche“.
Ziel: Siegen, Hauptbahnhof.
Distanz/Gehzeit: 18,5 Kilometer, 4-5 Stunden, bergauf: 350 Meter, bergab: 520 Meter.
Markierung: Gelbe Jakobsmuschel auf blauem Grund und/oder gelber Pfeil-Charakter: Lange Strecke mit reichlich Gelegenheit, „mit dem Herzen zu sehen“.
Einkehr: Bei einem Start am frühen Morgen könnte die Mittagspause im Restaurant „Eremitage“ oder in der „Pfeffermühle“ passen. Zur Kaffeezeit locken in Siegen vielerorts Köstlichkeiten – zum Beispiel im „Stadtkind“ an der Poststraße oder im „Naschwerk“ im Sieg-Carré. Wer die italienische Küche mag, fährt am Abend noch mal nach Anzhausen, um den Tag dort ausklingen zu lassen. Das Restaurant „Picco Bello“ ist im besten Sinne bodenständig.
Tipp: Das Johannlandmuseum im alten Volksschulgebäude von Irmgarteichen ist eine Wucht. Unbedingt bis unters Dach steigen!
Die gelbe Muschel auf blauem Grund (manchmal ist es auch nur ein gelber Pfeil) weist den Weg. Der übrigens wird in umgekehrter Richtung zum Elisabethpfad. Hier der Dom zu Köln mit den Gebeinen der Heiligen Drei Könige, dort die Elisabethkirche in Marburg mit dem Grab der Elisabeth von Thüringen – das sind schon starke Pole. Dazwischen: eine Verbindung, die einst nicht allein zur Pilgerreise diente, sondern auch zum Warentransport und, zumal von Köln aus, zum Machterhalt.
Siegerland: Stationen auf dem Jakobsweg geben die Ortschaften vor
Die Stationen auf dem „Jakobsweg vor der Haustür“ geben die Ortschaften vor:
Irmgarteichen: Vor dem Start lohnt ein Viertelstündchen in der Pfarrkirche St. Cäcilia. Das Innere besticht durch schlichte Schönheit, und vielleicht geht die aktuell vom Misereor-Kinderkreuzweg gestellte Frage „Was zählt in meinem Leben?“ beim „Heimatpilgern“ eine Weile mit. Draußen führt der alte Kreuzweg rasch hinauf auf die Nordseite des Pfarrbergskopf; der Blick geht – die Fichtenfällungen machen’s möglich – über Deuz hinweg zur Alten Burg, zum Rothaarkamm. Im Nu können wir die Straße zwischen Rudersdorf und Salchendorf queren, schwenken deutlich nach links ins Wabachtal ein und sagen hier dem „Butterweg“, Spur des Handels mit den Hessenleut‘, Adieu.
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Anzhausen und Flammersbach: Mit Bedacht nähert sich der Weg der Ortsmitte von Anzhausen; er führt unmittelbar an der evangelischen Antoniuskapelle vorbei. Könnte sie erzählen, dann berichtete sie auch von Krieg, von Pest und Feuer, von konfessionellen Auseinandersetzungen, von Zerbruch und Wiederaufbau. Längst geht es recht friedlich zu im Tal der Weiß, idyllisch geradezu im Hochtal des Flammersbachs. Ein Schäfer weidet seine Herde. Gerade noch grasen die Tiere genüsslich, da mahnen die Hütehunde zur Sammlung. Es blökt, bellt und bimmelt. In Flammersbach liegt am „Camino“ die gleichnamige Galerie. Ein Bild regt den Gedankenfluss an: „Licht am Ende des Tunnels“ …
Siegerland: Auf dem Jakobsweg an der Eremitage vorbei
Niederdielfen: Bei Kilometer 10 kommen wir zur Dielfer Mühle. Die Bank am Weiher ist ein Pausenplatz par excellence. Die funktionstüchtig restaurierte Mühle gilt als Musterbeispiel der Mühlentechnik des frühen 18. Jahrhunderts; das gesamte Ensemble steht unter Denkmalschutz. In Niederdielfen wechseln wir die Talseite, steigen den Grimberghang hinauf. Die Klosterstraße verweist auf das nächste Etappenziel: die Eremitage.
Eremitage: Einmal umrundet der Jakobsweg das Wallfahrts- und Klostergelände auf der Eremitage, ehe Tor und Tür zum Eintreten in „Stille-Räume“ bitten: in den neu angelegten „Garten der Begegnung“, in die alte Kapelle und auf den Wallfahrtsplatz. Im 1953 gegründeten Klarissenkloster ist seit ein paar Jahren das Marien-Hospiz Louise von Marillac zu Hause. Deshalb kommt man an diesem Ort kaum umhin, über Leben und Tod, Würde und Gnade nachzudenken – vielleicht auch die Sinnfrage zu stellen. Wer Zeit und Muße hat, mag den „Siegener Kreuzweg“ abschreiten. Den „Sieben Schmerzen Mariens“ lässt sich auf dem Weiterweg nachgehen: Bis zum Sportplatz am Lindenberg sind sieben steinerne Stelen mit römischen Ziffern unaufdringliche Wegbegleiter.
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Siegen: Schmale Pfade bringen uns ab der „Pfeffermühle“ erneut ins Tal der Weiß. Am Hotel Bürger treffen wir auf die Marienborner Straße, nehmen die Ampel am „WuP“, dem Werkstätten- und Probenhaus, das einst die Hainer Schule war, folgen der Oststraße am Gasthaus Peun vorbei zum Brüderweg, um am Sattel zwischen Giersberg und Siegberg scharf links in den Altenhof einzubiegen. Wie durch eine Hintertür gelangen wir ins Schatzkästlein der Stadt, finden uns im Park des Oberen Schlosses wieder und wähnen uns am Ziel. Genau genommen erreichen wir das allerdings erst nach einem feinen Stadtspaziergang, der fast all das passiert, was in Siegen sehenswürdig ist. Am Bahnhof endet der Jakobsweg – für heute. Denn die komplette Wegstrecke ruft. Eine Jakobsmuschel hab‘ ich mir schon bestellt!
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